Interview über die steuerrechtlichen Aspekte der Novation bei der BC Connect GmbH aus Sicht der Finanzbehörden

Published On: Donnerstag, 30.05.2024By Tags:

Interviewer (diebewertung): Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für uns nehmen. Wir möchten über die steuerrechtlichen Aspekte der Novation und insbesondere über die Frage sprechen, warum beim Stehenlassen von Scheingewinnen der BC Connect GmbH für Neuverträge keine vorsätzliche Steuerstraftat nach § 370 AO vorliegt. Können Sie uns zunächst kurz erklären, was eine Novation ist?

RA Reime: Gerne. Eine Novation ist ein Rechtsgeschäft, bei dem eine bestehende Verpflichtung durch eine neue ersetzt wird. Im Kontext der BC Connect GmbH bedeutet dies, dass alte Schulden oder Forderungen durch neue Verträge ersetzt werden. Das ursprüngliche Schuldverhältnis erlischt und wird durch ein neues Schuldverhältnis ersetzt, das durch die neuen Verträge begründet wird.

Interviewer: Und wie hängt dies mit dem Stehenlassen von Scheingewinnen zusammen?

RA Reime: Beim Stehenlassen von Scheingewinnen handelt es sich um die Praxis, fiktive oder nicht realisierte Gewinne in den Büchern stehen zu lassen, um diese später durch neue Verträge oder Novationen zu legitimieren. In diesem Fall werden die Scheingewinne als Basis für neue vertragliche Vereinbarungen genutzt, wodurch sie scheinbar real werden.

Interviewer: Warum liegt hierbei keine vorsätzliche Steuerstraftat nach § 370 AO vor?

RA Reime: Für eine vorsätzliche Steuerstraftat nach § 370 AO muss der Vorsatz vorliegen, also das bewusste und gewollte Handeln in Bezug auf die falschen Angaben gegenüber der Finanzbehörde. Beim Stehenlassen von Scheingewinnen durch Novationen ist der subjektive Tatbestand entscheidend. Der Vorsatz fehlt hier oft, weil die handelnden Personen glauben, dass die neuen Verträge die vorherigen Scheingewinne legitimieren und somit keine steuerlich relevanten Unrichtigkeiten vorliegen. Sie gehen davon aus, dass durch die Novation eine rechtliche und wirtschaftliche Neubegründung stattfindet, die die früheren Buchungen rechtfertigt.

Interviewer: Könnten Sie uns ein konkretes Beispiel aus der Rechtsprechung nennen, das Ihre Erklärung stützt?

RA Reime: Ein gutes Beispiel ist das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juni 2008 – VIII R 45/07. In diesem Fall ging es um fiktive Gewinne, die durch spätere vertragliche Anpassungen legitimiert werden sollten. Der BFH stellte fest, dass kein Vorsatz vorlag, weil die Beteiligten davon ausgingen, dass ihre Handlungen rechtlich zulässig waren und sie keine steuerlichen Pflichten verletzen. Der subjektive Irrtum über die steuerrechtlichen Konsequenzen führte dazu, dass keine vorsätzliche Steuerhinterziehung vorlag.

Interviewer: Welche Rolle spielen hier die individuellen Kenntnisse und Erfahrungen der handelnden Personen?

RA Reime: Die individuellen Kenntnisse und Erfahrungen sind von zentraler Bedeutung. Es muss geprüft werden, ob die handelnden Personen tatsächlich wussten, dass ihre Handlungen steuerrechtlich unzulässig waren, oder ob sie aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen glaubten, rechtlich korrekt zu handeln. Wenn ein Geschäftsführer beispielsweise nicht über tiefgehende steuerliche Kenntnisse verfügt und sich auf externe Berater verlässt, kann dies ein Indiz dafür sein, dass kein Vorsatz vorliegt.

Interviewer: Wie sollte die Finanzverwaltung in solchen Fällen vorgehen, um eine gerechte Beurteilung zu gewährleisten?

RA Reime: Die Finanzverwaltung sollte sorgfältig prüfen, ob die handelnden Personen tatsächlich vorsätzlich gehandelt haben. Dazu gehört eine detaillierte Untersuchung der Umstände, die zur Novation und zum Stehenlassen der Scheingewinne führten. Es müssen sowohl entlastende als auch belastende Indizien berücksichtigt werden, um ein klares Bild von den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten zu erhalten. Eine pauschale Unterstellung des Vorsatzes ist hier nicht angemessen.

Interviewer: Gibt es abschließend noch einen wichtigen Punkt, den Sie hervorheben möchten?

RA Reime: Ja, ich möchte betonen, dass in solchen Fällen der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt, also im Zweifel für den Angeklagten. Es darf nicht vergessen werden, dass der Nachweis des Vorsatzes eine hohe Hürde darstellt. Ohne klare Beweise für das bewusste und gewollte Handeln im Sinne der Steuerhinterziehung sollte kein vorsätzlicher Straftatbestand angenommen werden.

Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre ausführlichen und aufschlussreichen Erklärungen. Das war sehr informativ.

RA Reime: Gern geschehen. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, diese wichtigen Aspekte zu erläutern.

 

 

 

 

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