Der 8. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
hat heute die 30-jährige Fatiha B. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in zwei ausländischen terroristischen Vereinigungen (Jabhat al-Nusra und „IS“) sowie der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt.
Der Senat hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Die Angeklagte bewegte sich 2013 in der salafistischen Szene des Rhein-Main-Gebiets. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, der ebenfalls einer radikalen Auslegung des Islams vertrat, reiste sie im September 2013 über die Türkei nach Syrien aus. Dort schloss sie sich zunächst der Terrororganisation Jabhat al-Nusra als Mitglied an und kümmerte sich um den gemeinsamen Haushalt, die Verteilung von Hilfsgütern an Angehörige der Jabhat al-Nusra und die im Februar 2014 geborene Tochter. Dies ermöglichte ihrem Ehemann, sich als Kämpfer für die Vereinigung zu betätigen.
Im Sommer 2014 verließen die Eheleute mit ihrer Tochter Syrien. Sie hielten sich in der Türkei auf, um nach Deutschland zurückzukehren. Dies scheiterte, da sie die dafür erforderlichen Papiere für die in Syrien geborene Tochter nicht erlangen konnten. Im November 2014 reisten die Eheleute erneut nach Syrien in das Gebiet des sog. Islamischen Staates („IS“) ein und schlossen sich dieser Terrororganisation als Mitglieder an. Der Ehemann der Angeklagten gliederte sich nach einer militärischen Ausbildung dem „IS“ als Kämpfer an und war in dessen Finanzverwaltung tätig. Die Angeklagte folgte ihrem Ehemann zu seinen jeweiligen Einsatzorten und ermöglichte durch die Führung des Haushalts dessen Tätigkeit für den „IS“. Die Eheleute erhielten für sich und ihre Tochter monatliche Geldzahlungen vom „IS“ in Höhe von 135 US-Dollar als Alimentation.
Der Angeklagten war bei ihr Ausreise in das „IS“-Gebiet aufgrund ihres früheren Aufenthalts in Syrien bewusst, dass sie ihre damals neun Monate alte Tochter durch die erneute Verbringung in ein Bürgerkriegsgebiet in große Gefahr bringt. Das Aufwachsen unter der menschenverachtenden Willkürherrschaft des „IS“ begründeten erhebliche Gefahren für das Kind und eine bleibende psychische Beeinträchtigung. Eine Schussverletzung der Tochter wurde dagegen nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt.
Der Senat stellte fest, dass sich die Angeklagte durch das geschilderte Verhalten in drei Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, in einem Fall in Tateinheit mit der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht schuldig gemacht hat.
Nachdem die Angeklagte im Februar 2019 von Einheiten der kurdischen Volksverteidigung festgenommen worden war, befand sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter und den nachfolgend geborenen drei weiteren Kindern bis März 2022 in kurdischen Gefangenenlagern. Nach ihrer Rückführung nach Deutschland wurde sie am 31.3.2022 am Frankfurter Flughafen festgenommen und befand sich seitdem bis zum 31.1.2023 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 31.1.2023 wurde sie mit Wirkung zum 1.2.2023 vom weiteren Vollzug der Haft verschont. Der Haftbefehl wurde mit heutigem Beschluss aufgehoben.
Im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte der Senat neben anderen Aspekten zu Gunsten der Angeklagten insbesondere ihren langjährigen Lageraufenthalt als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern und ihre zum Ausdruck gebrachte Distanzierung von islamistischen Vereinigungen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Generalstaatsanwaltschaft kann gegen das Urteil Revision einlegen, über die dann der Bundesgerichtshof entscheiden muss. Die Angeklagte und ihre Verteidiger haben Rechtsmittelverzicht erklärt.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.3.2023, Az 8-2 OJs 6/22 – 1/22
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