Ein historischer Justizskandal endet mit einem späten Zeichen der Wiedergutmachung:
Der heute 89-jährige Iwao Hakamata, der fast ein halbes Jahrhundert in Japans Todestrakt verbrachte, bekommt nun eine staatliche Entschädigung in Höhe von 217 Millionen Yen (ca. 1,45 Millionen US-Dollar) zugesprochen – laut seinen Anwälten die höchste Entschädigungssumme in der Geschichte Japans für eine Fehlverurteilung.
Jahrzehnte zwischen Zelle und Zweifel
Hakamata wurde 1968 wegen Mordes an seinem Arbeitgeber, dessen Frau und zwei Kindern zum Tode verurteilt. Er hatte zunächst die Tat bestritten, gestand jedoch später – nach eigenen Angaben unter Zwang und körperlichem Druck. Die Ermittlungen standen schon früh im Verdacht, Beweise manipuliert zu haben.
Die Verurteilung basierte auf umstrittenen Indizien, darunter Kleidung mit angeblich blutigen DNA-Spuren, die Jahre nach dem Verbrechen plötzlich „gefunden“ wurden. Jahrzehnte später stellten Gutachten fest: Die DNA stimmte nicht mit der von Hakamata überein.
Freilassung 2014 – Freispruch erst 2023
Erst 2014 wurde Hakamata aus der Haft entlassen, nachdem ein Gericht einen Wiederaufnahmeprozess genehmigt hatte. Doch das neue Verfahren ließ weitere neun Jahre auf sich warten: Erst im Oktober 2023 erfolgte der offizielle Freispruch – mehr als 57 Jahre nach seiner Verhaftung.
Zum Zeitpunkt des Freispruchs war Hakamata psychisch schwer gezeichnet. Aufgrund seines Gesundheitszustands nahm er an keiner einzigen Verhandlung teil. Seit 2014 lebt er unter der Obhut seiner älteren Schwester Hideko, die ihn über Jahrzehnte hinweg öffentlich verteidigte und unermüdlich für seine Rehabilitierung kämpfte.
Richter erkennt „extrem schwere seelische Belastung“ an
Richter Kunii Koshi sprach Hakamata am Montag die volle beantragte Entschädigung zu. Er erkannte die „extrem schwere seelische und körperliche Belastung“ an, die durch fast fünf Jahrzehnte in der Todeszelle entstanden sei.
Hakamatas Fall hat die Debatte über das japanische Justizsystem neu entfacht – insbesondere in Bezug auf erzwungene Geständnisse, die lange Dauer von Wiederaufnahmeverfahren und die generelle Transparenz des Systems.
Ein trauriger Rekord, der niemals hätte aufgestellt werden dürfen
Iwao Hakamata gilt nun offiziell als der am längsten zu Unrecht in der Todeszelle sitzende Mensch weltweit. Sein Fall bleibt ein Mahnmal für Fehlurteile, institutionelles Versagen und die Frage, wie viele ähnliche Fälle noch im Verborgenen liegen.
Kommentar hinterlassen