Die Karriere von Jin Xing, einer 57-jährigen transgeschlechtlichen Tänzerin, ist in China, einem Land, in dem es für LGBTQ+-Personen immer schwieriger wird, offen zu leben, eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Seit Jahren ist Jin eine Ikone der Transgender-Community und ein Symbol für Hoffnung und Akzeptanz – sogar innerhalb staatlicher Strukturen. Doch eine Reihe plötzlicher und unerklärlicher Absagen ihrer Tanzaufführungen durch lokale Behörden weckt nun Befürchtungen, dass Jins außergewöhnlicher Aufstieg inmitten von Chinas zunehmendem Autoritarismus ins Stocken geraten könnte.
Ein Symbol der Hoffnung in einer konservativen Gesellschaft
Jin Xing hat es geschafft, trotz der gesellschaftlichen Stigmatisierung und Diskriminierung, die Transgender-Personen in China oft erfahren, eine außergewöhnliche Karriere aufzubauen. Sie füllt mit ihren Tanzaufführungen ganze Konzertsäle, moderiert erfolgreiche Fernsehsendungen und hat über 13,6 Millionen Follower auf der sozialen Plattform Weibo. Ihre Arbeit hat ihr sogar Anerkennung von Parteioffiziellen eingebracht, die sie als eine der „10 legendären Figuren des modernen chinesischen Tanzes“ würdigen.
Für viele Transgender-Menschen in China ist Jin ein Symbol der Hoffnung. Cyan, ein 23-jähriger Transmann, der China vor zwei Jahren verließ, beschreibt sie als bewundernswert: „Es ist unglaublich schwer, in ihrer Position so aktiv und erfolgreich zu bleiben.“ Doch diese Anerkennung scheint unter der zunehmend konservativen Führung von Präsident Xi Jinping zu bröckeln.
Zunehmender Druck durch die Regierung
In den letzten Jahren hat die chinesische Regierung die Kontrolle über westliche Einflüsse und LGBTQ+-Themen verschärft. Unterstützungsgruppen wurden aufgelöst, Pride-Paraden verboten und Filme sowie TV-Sendungen mit LGBTQ+-Inhalten zensiert. Ende letzten Jahres begann die Absage von Jins Shows: Zunächst wurde ein Auftritt in Guangzhou mit der Begründung unvollständiger Unterlagen gestrichen. In anderen Städten wie Foshan, Suzhou und Shanghai folgten weitere Absagen ohne Erklärung.
Einige vermuten, dass Jin eine „rote Linie“ überschritten haben könnte, als sie bei einer früheren Aufführung eine Regenbogenflagge mit der Aufschrift „Liebe ist Liebe“ schwenkte – ein Symbol, das von den chinesischen Behörden kritisch beäugt wird. Jin selbst weist diese Interpretation zurück und betonte in einem Interview, dass sie die Flagge lediglich hochhielt, um einen Fan zu trösten. Dennoch bleiben die Gründe für die plötzlichen Absagen unklar.
Ein außergewöhnlicher Werdegang
Jin wurde in eine Militärfamilie geboren und erhielt eine strenge Ausbildung an einer renommierten Tanzschule der Volksbefreiungsarmee. Ihre Karriere begann früh, als sie in ihrer Jugend nationale Tanzpreise gewann. Nach ihrem Studium des modernen Tanzes in New York und Stationen in Rom sowie Brüssel kehrte sie nach China zurück und unterzog sich im Alter von 26 Jahren einer geschlechtsangleichenden Operation.
Trotz physischer und gesellschaftlicher Hürden gründete Jin 1999 ihr eigenes Tanztheater und wurde zu einer Vorreiterin des modernen Tanzes in China. Später moderierte sie erfolgreiche Talkshows und wurde von westlichen Medien als „Oprah von China“ gefeiert. Ihre Fähigkeit, offen und humorvoll zu sein, ohne die chinesischen Behörden zu verärgern, machte sie einzigartig.
Die Realität für Transgender-Menschen in China
Während Jin Xing als Erfolgsgeschichte gefeiert wird, bleibt das Leben für viele Transgender-Personen in China schwierig. Cyan, der nach Kanada auswanderte, beschreibt sein Leben in China als belastend: „Man fühlt sich wie eine Straßenratte. Niemand akzeptiert dich, und man muss seine Identität verstecken.“
Die rechtlichen und sozialen Hürden sind enorm: Geschlechtsangleichende Operationen sind teuer und schwer zugänglich, und ohne vollständige Operationen können Transgender-Personen ihr Geschlecht auf offiziellen Dokumenten nicht ändern. Viele leben ein Doppelleben – tagsüber als Männer, nachts als Frauen.
Barbie Yao, eine 26-jährige Transfrau in Peking, betont, dass die gesellschaftlichen Einschränkungen für LGBTQ+-Personen zunehmen. Jins Erfahrungen bestärken diese Einschätzung: „Ich wusste, dass es so kommen würde. Die Situation wird nur noch schlimmer werden“, sagt Yao.
Ein fragiles Symbol
Jin Xing bleibt für viele ein Vorbild und Symbol der Hoffnung. Doch ihre jüngsten Schwierigkeiten verdeutlichen, wie eng die Grenzen der Akzeptanz in einem zunehmend autoritären China sind. Ihre Fähigkeit, trotz widriger Umstände erfolgreich zu bleiben, inspiriert, aber ihre Erfahrungen werfen auch ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, denen LGBTQ+-Personen in der chinesischen Gesellschaft weiterhin begegnen.
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