Der für Staatsschutzsachen zuständige 1. Strafsenat des Kammergerichts hat heute den 56-jährigen Jens F. wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für den russischen Militärgeheimdienst GRU zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten wurde auferlegt, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils 15.000,- Euro an die Staatskasse zu zahlen.
Nach den Feststellungen des Senats hat der Angeklagte im September 2017 eine CD-ROM mit 385 Grundrissdateien von allen durch den Deutschen Bundestag genutzten Liegenschaften in Berlin an die Russische Botschaft in Berlin – und damit mittelbar auch an den russischen Geheimdienst – weitergegeben.
Bereits zum Tatzeitpunkt sei der Angeklagte als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma beschäftigt gewesen, die mit der Überprüfung der in Liegenschaften des Deutschen Bundestags genutzten elektronischen Geräte betraut gewesen sei, erklärte der Vorsitzende des Staatsschutzsenats in seiner heutigen Urteilsbegründung. Hierzu habe die Firma über elektronische Dateien mit Grundrissen der Liegenschaften verfügt, die zwar nicht offiziell als geheim eingestuft gewesen seien, aber gleichzeitig auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien – und erst recht nicht für einen ausländischen Geheimdienst. Der Angeklagte habe sämtliche Dateien auf eine CD-ROM gespielt, diese in russischer Sprache mit der Bemerkung „besondere Wichtigkeit“ versehen und dann in einem Brief ohne Absenderangabe an den Verteidigungsattaché der Russischen Botschaft geschickt. Bei der Weitergabe sei dem Angeklagten aufgrund seiner zurückliegenden Tätigkeiten für die Nationale Volksarmee und das Ministerium für Staatssicherheit der DDR bewusst gewesen, dass der russische Geheimdienst Zugriff auf die Dateien erlangen würde. Der Brief mit der CD-ROM war vom Bundesamt für Verfassungsschutz angehalten worden, der Inhalt kopiert und dann wieder zurück auf den Postweg gegeben worden. Ob er die Russische Botschaft tatsächlich erreicht habe, habe nicht geklärt werden können, so der Vorsitzende weiter. Dies sei für die Erfüllung des Tatbestandes jedoch nicht maßgebend.
Nach umfangreichen Ermittlungen und einer intensiven Beweisaufnahme komme nur der Angeklagte als Täter in Betracht. Das Motiv des Angeklagten habe jedoch nicht geklärt werden können. Auch sei offengeblieben, ob er sich vorher zu der Tat bereit erklärt oder gar einen entsprechenden Auftrag erhalten habe. Aber auch dies sei letztlich für eine Verurteilung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (§ 99 des Strafgesetzbuches) nicht erforderlich, so die Richter.
Der Angeklagte hatte im Prozess zu den Vorwürfen geschwiegen; sein Verteidiger hatte Freispruch gefordert. Der Generalbundesanwalt hatte auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten plädiert.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Az.: 1 – 2/21
Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte
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