Genossenschaften (eG) sind eine spezielle Rechtsform, die ursprünglich mit dem Ziel gegründet wurden, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Ihr primärer Zweck ist also nicht das Erzielen von Gewinnen, sondern die Förderung der Mitglieder – sei es durch günstigere Dienstleistungen, gemeinsame Projekte oder besseren Zugang zu bestimmten Ressourcen. Doch die Frage, ob Genossenschaften auch als Steuersparmodell fungieren können, ist berechtigt. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern dies möglich ist und welche Grenzen dabei gesetzt sind.
1. Steuerliche Vorteile von Genossenschaften
Genossenschaften bieten in der Tat einige steuerliche Vorteile, die sie – je nach Situation – zu einem potenziell interessanten Modell für steuerliche Optimierung machen können:
a) Steuerliche Förderung durch Gemeinnützigkeit
- Genossenschaften können steuerlich begünstigt sein, wenn sie gemeinnützige Zwecke verfolgen. Eine gemeinnützige Genossenschaft wird von der Körperschaftsteuer sowie von der Gewerbesteuer befreit. Voraussetzung ist, dass die eG ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt (§ 52 Abgabenordnung).
- Beispiel: Eine eG, die sozial orientierte Projekte wie den Bau von bezahlbarem Wohnraum oder die Förderung erneuerbarer Energien organisiert, könnte von diesen Steuerbefreiungen profitieren.
b) Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer
- Körperschaftsteuer: Genossenschaften unterliegen wie Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer auf ihren Gewinn, der aktuell bei 15 % liegt. Im Vergleich zu Personengesellschaften könnte dies vorteilhaft sein, wenn Gewinne im Unternehmen verbleiben und nicht sofort an die Mitglieder ausgeschüttet werden.
- Gewerbesteuer: Genossenschaften unterliegen grundsätzlich auch der Gewerbesteuer. Je nach Sitz der eG und den dort geltenden Hebesätzen kann dies zu einer nicht unerheblichen Steuerlast führen. Durch bestimmte Gemeinwohlaktivitäten kann diese Belastung jedoch reduziert werden.
c) Steuerfreie Ausschüttungen an Mitglieder
- Rückvergütungen an Mitglieder: Ein erheblicher steuerlicher Vorteil liegt darin, dass Genossenschaften Rückvergütungen (quasi „Gewinnausschüttungen“) an ihre Mitglieder leisten können. Diese Rückvergütungen gelten in der Regel als Betriebsausgaben der Genossenschaft und mindern somit den steuerpflichtigen Gewinn. Gleichzeitig stellen sie für die Mitglieder (sofern sie Unternehmen sind) steuerpflichtige Betriebseinnahmen dar – das kann in bestimmten Konstellationen zur Steueroptimierung genutzt werden.
d) Verlustverrechnung
- Verluste, die innerhalb der Genossenschaft entstehen, können mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Dies reduziert die Steuerlast in gewinnstarken Jahren.
2. Potenzielle Risiken und rechtliche Grenzen
Während Genossenschaften durchaus steuerliche Vorteile bieten, ist Vorsicht geboten, wenn die Gründung oder der Betrieb einer eG primär steuerlichen Zwecken dient. Der Gesetzgeber setzt hier klare Grenzen:
a) Missbrauchstatbestand (§ 42 AO – Steuervermeidung)
- Sollte die Finanzverwaltung feststellen, dass die Genossenschaft in erster Linie gegründet wurde, um Steuerlasten zu senken, könnte dies als Steuermissbrauch gewertet werden. In solchen Fällen würde die Steuerbegünstigung rückwirkend entzogen und eine Nachversteuerung drohen.
- Der wirtschaftliche Zweck der Genossenschaft muss also klar und nachvollziehbar auf die Förderung der Mitglieder abzielen – steuerliche Optimierung darf lediglich ein Nebeneffekt sein.
b) Verdeckte Gewinnausschüttungen
- Ausschüttungen, die nicht den genossenschaftlichen Zweck fördern, könnten als verdeckte Gewinnausschüttungen eingestuft werden und wären dann steuerpflichtig. Beispielsweise, wenn Mitglieder überhöhte Rückvergütungen erhalten, die nicht dem Marktwert entsprechen, oder wenn Dienstleistungen unentgeltlich oder zu extrem günstigen Bedingungen bereitgestellt werden.
c) Gemeinnützigkeitsprüfung
- Genossenschaften, die steuerliche Vorteile aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit in Anspruch nehmen, werden regelmäßig geprüft. Sollten sie den gemeinnützigen Zweck nicht konsequent verfolgen, könnten auch hier Steuervergünstigungen entzogen werden.
d) Betriebsprüfungen
- Die Finanzbehörden sehen in Genossenschaften potenzielle Modelle zur Steuervermeidung und prüfen sie oft besonders gründlich. Eine lückenhafte Buchführung oder ein unklarer Geschäftszweck könnte schnell zu Nachteilen führen.
3. Fazit: Steuerliche Vorteile ja, aber Vorsicht vor Missbrauch
Genossenschaften können durchaus steuerliche Vorteile bieten und in bestimmten Konstellationen zur Optimierung der Steuerlast beitragen. Insbesondere durch die Möglichkeit, Rückvergütungen an Mitglieder steuerlich abzusetzen, bietet die Genossenschaft einen Anreiz für kooperatives Wirtschaften. Auch gemeinnützige Genossenschaften genießen umfangreiche Steuerprivilegien.
Aber: Die Finanzämter achten streng darauf, dass der genossenschaftliche Förderzweck im Vordergrund steht. Wer versucht, Genossenschaften ausschließlich oder überwiegend als Steuersparmodell zu nutzen, riskiert rechtliche Konsequenzen und hohe Nachzahlungen. Aus diesem Grund sollten solche Überlegungen stets mit einer sorgfältigen rechtlichen und steuerlichen Beratung begleitet werden.
Kritische Frage für Investoren oder Mitglieder: Ist die eG, in der man investiert oder mitwirkt, langfristig wirtschaftlich tragfähig, oder basiert ihr Geschäftsmodell vorrangig auf fragilen steuerlichen Vorteilen?
Hier ist auch die vorgeschlagene Änderung von § 1 des Genossenschaftsgesetzes zu nennen (leider ist der Regierungsentwurf vom 6.11.2024 im Ampelchaos untergegangen):
https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_GenR.pdf
Änderung zu § 1 „Wesen der Genossenschaft“:
„§ 1 wird wie folgt geändert: (…) Folgender Absatz 3 wird angefügt:
„(3) Die bloße gemeinschaftliche Vermögensanlage stellt keinen zulässigen
Förderzweck dar. Die Vorratsgründung einer Genossenschaft ist nicht zulässig.“
BEGRÜNDUNG zur Änderung von § 1 GenG-E:
„Mit den beiden Klarstellungen im neuen Absatz 3 wird zudem Konstrukten (häufig als sogenannte Familiengenossenschaften bezeichnet), bei denen Vermögenswerte nur deswegen in eine Genossenschaft eingebracht werden, um gemeinschaftlich Renditen aus den
eingebrachten Vermögenswerten zu erzielen und gegebenenfalls Erbschaftsteuer zu umgehen, die genossenschaftsrechtliche Anerkennung versagt. Die beiden Klarstellungen verringern auch den Begründungsaufwand bei den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden
und den Registergerichten, wenn sie entsprechende Genossenschaftsgründungen ablehnen.“