Die Debatte über den Schriftsteller Karl May (1842–1912) nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Karl-May-Gesellschaft und die Karl-May-Stiftung veröffentlichten heute einen offenen Brief unter dem Titel „Ist Winnetou erledigt?“ und starteten eine Petition. Das Karl-May-Museum in Radebeul sprach von einer „Winnetou-Cancellation“.
Die Verfasser des offenen Briefes gingen auf das Argument ein, dass May „angeblich ein überholtes rassistisches Weltbild vertrete und den Genozid an der indigenen Bevölkerung Amerikas romantisiere oder verschweige“. Als deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts sei May „unvermeidlich vom Habitus eines kolonialen Zeitalters geprägt“, heißt es in dem Brief.
Insbesondere in seinen frühen Texten seien damals gängige ethnische Stereotypen und eine eurozentrische Perspektive enthalten. Diese kritisch herauszuarbeiten und auf ihre Quellen zurückzuführen, sei Aufgabe der Literatur- und Kulturwissenschaft. „Die zeitbedingte Weltsicht habe May mit praktisch allen Autorinnen und Autoren der Vergangenheit geteilt“, so ein weiteres Argument.
„Die Besonderheit Karl Mays besteht darin, dass in seiner Darstellung des ‚Wilden Westens‘ von Anfang an die Sympathie des Erzählers der leidenden indigenen Bevölkerung gilt.“ Ihre Würde und ihre menschlichen Qualitäten würden sich in Idealfiguren wie Winnetou verkörpern. Die tragische Vernichtung ihrer materiellen und kulturellen Existenz grundiere alle May’schen US-Erzählungen.
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