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Kein Ausschluss der Rückübertragung bei unentgeltlicher Verfügung über anmeldebelastetes Grundstück

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Eine unentgeltliche Verfügung über ein anmeldebelastetes Grundstück führt nicht zum Ausschluss eines Rückübertragungsanspruchs nach dem Vermögensgesetz (VermG). Auch Veräußerungen, bei denen der Erwerber Leistungen übernimmt, die entweder aus dem Grundstück selbst zu erbringen sind oder im Verhältnis zu dessen Wert als geringfügig anzusehen sind, gelten als unentgeltlich. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am 11. Dezember 2024 entschieden.

Sachverhalt

Der Großvater der Klägerin hatte im Jahr 1939 drei Flurstücke in Wandlitz von zwei Personen erworben, die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung zum Verkauf gezwungen worden waren. Die Grundstücke wurden später an die Mutter der Klägerin vererbt. Im Jahr 1992 stellte die Conference on Jewish Material Claims Against Germany Inc. (Rechtsnachfolgerin der Veräußerer) einen Antrag auf Rückübertragung der Flurstücke gemäß dem Vermögensgesetz.

Ein Jahr später schlossen die Klägerin und ihre Mutter einen Grundstücksübergabevertrag, in dem die Mutter sich ein lebenslanges Wohnrecht vorbehielt. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der Kosten für Wasser, Abwasser, Licht und Heizung sowie zur Pflege ihrer Mutter im Alter oder bei Krankheit. 1995 schenkte die Klägerin zwei der drei Flurstücke ihrem Sohn.

Im Jahr 2017 gab die beklagte Behörde den Rückübertragungsantrag der Conference on Jewish Material Claims Against Germany Inc. statt und übertrug die Grundstücke an die Beigeladene. Die Klägerin erhob daraufhin Klage gegen die Rückübertragung, blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rückübertragung der Flurstücke bestätigt. Die Beigeladene sei als Rechtsnachfolgerin der ursprünglich verfolgten Eigentümerin rückübertragungsberechtigt, und ihr Anspruch sei nicht aufgrund der Übertragung der Grundstücke im Jahr 1993 an die Klägerin erloschen.

Gemäß § 3 Abs. 4 VermG erlischt der Rückübertragungsanspruch nicht bei unentgeltlichen Verfügungen. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich bei der Übertragung der Flurstücke an die Klägerin um eine unentgeltliche Verfügung, die den Rückübertragungsanspruch nicht berührt.

Begründung des Gerichts

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Vermögensgesetzes:

Gesetzgeberische Zielsetzung:
Der Gesetzgeber hatte mit § 3 Abs. 4 VermG ursprünglich Verkäufe im Blick, bei denen die Berechtigten den Kaufpreis anstelle des Grundstücks erhalten sollten. Ziel war es, Investitionen zu fördern und das Vertrauen in den Grundstücksverkehr zu stärken. Schenkungen oder unentgeltliche Verfügungen zulasten der Berechtigten fallen jedoch nicht unter diesen Schutz. Ein Vertrauen in unentgeltliche Erwerbe gilt daher als nicht schutzwürdig.

Definition der Unentgeltlichkeit:
Eine Verfügung gilt als unentgeltlich, wenn der Erwerber keine oder nur geringfügige Gegenleistungen erbringt. Selbst wenn Leistungen vereinbart werden, kommt es darauf an, ob sie nach dem Willen der Vertragspartner als vollständige Gegenleistung für die Übertragung angesehen wurden. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn:
die Leistung direkt aus dem übertragenen Grundstück erbracht werden muss (z. B. ein Wohnrecht auf dem Grundstück), oder
der Wert der Leistung im Verhältnis zum Grundstückswert nur geringfügig ist.

Bewertung im konkreten Fall:
Im vorliegenden Fall verpflichtete sich die Klägerin lediglich zur Übernahme von Nebenkosten (z. B. für Heizung und Wasser) und zur Erbringung von Pflegeleistungen. Diese Verpflichtungen wurden vom Gericht als geringfügig eingestuft, da ihr Wert lediglich rund ein Zehntel des Grundstückswerts ausmachte. Auch das im Übergabevertrag festgelegte Wohnrecht der Mutter wurde nicht als Gegenleistung anerkannt, da es direkt mit dem Grundstück verbunden und im Grundbuch eingetragen war.

Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass die Übertragung an die Klägerin unentgeltlich war und der Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen nicht erloschen ist.
Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat weitreichende Konsequenzen für die Rückübertragung anmeldebelasteter Grundstücke nach dem Vermögensgesetz. Unentgeltliche Verfügungen, die keine oder nur geringe Gegenleistungen enthalten, können den Rückübertragungsanspruch der Berechtigten nicht vereiteln.

Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen innerhalb von Familien Schenkungen oder Übergabeverträge abgeschlossen wurden, bei denen die Gegenleistungen im Verhältnis zum Wert der Grundstücke als geringfügig anzusehen sind. Der Schutz des berechtigten Rückübertragungsanspruchs bleibt damit auch bei solchen Konstellationen gewährleistet.

Aktenzeichen:
BVerwG 8 C 12.23 – Urteil vom 11. Dezember 2024

Vorinstanz:
VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. September 2023, Az.: VG 4 K 798/17

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