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Keine Mithaftung der Depotbank für Steuernachforderungen einer als Aktienkäuferin im Zusammenhang mit sog. Cum/ex-Geschäften aufgetretenen Privatbank

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
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Die klagende Privatbank hatte sich in den Jahren 2007 bis 2011 mit 391 Aktientransaktionen an sog. Cum/ex-Kreislaufgeschäften beteiligt. Die beklagte inländische Depotbank haftet der Privatbank nicht für Steuernachforderungen in Millionenhöhe für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer mit. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

Nr. 18/2022

Die klagende Privatbank nimmt die beklagte Depotbank im Zusammenhang mit sog. Cum/ex-Geschäften in Anspruch (siehe hierzu Erläuterungen am Ende der Presseinformation).

Die klagende Privatbank war bei Cum/ex-Transaktionen als Aktienkäuferin aufgetreten und hatte sich selbst Steuerbescheinigungen für die (tatsächlich nicht abgeführte) Kapitalertragsteuer ausgestellt. Das Finanzamt hat die Privatbank nachfolgend mit Abänderungsbescheiden auf Nachzahlung der Steuern in Anspruch genommen. Darüber hinaus wurde ihr gegenüber – im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen zwei Börsenhändler wegen Steuerhinterziehung – die Einziehung des Zuflusses der Anrechnungsbeträge als Gesamtschuldnerin angeordnet (§ 73b StGB, § 424 StPO, Verfahren vor dem Landgericht Bonn, Urteil vom 18.3.2020 – 62 KLs 1/19; BGH, Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20).

Die klagende Privatbank will nunmehr Beträge aus dem Vertragsverhältnis der Beklagten mit der Aktienverkäuferin und einem Aktienverleihgeschäft „abschöpfen“. Zudem nimmt sie die Beklagte auf Freistellung von der Zahlung von Nachzahlungszinsen gegenüber dem Finanzamt sowie von einem wesentlichen Teil der der Einziehung unterliegenden Beträge in Anspruch.

Die Beklagte war in die Aktiengeschäfte als Depotbank der Verkäuferin eingebunden und grundsätzlich für den Quellensteuerabzug für die Kapitalerträge auf Rechnung des Empfängers des Kapitalertrags zuständig. Sie nahm den Steuerabzug jedoch nicht vor, da sie der Auffassung war, dass derartige Geschäfte, bei denen die Kompensationszahlungen ohne den Steuerbetrag über sie gezahlt wurden, nicht unter den Steuertatbestand fielen. Dies hatte sie auch in einem Newsflash ihren Kunden mitgeteilt.

Das OLG verneinte eine Haftung der Beklagten im Rahmen einer sog. steuerlichen (§ 44 Abgabenordnung) und einer dieser nachfolgenden zivilrechtlichen (§ 426 BGB) Gesamtschuld. Bei diesen Kreislaufgeschäften mit kurzer Haltedauer, bei denen auf den Käufer weder Kursrisiken und -chancen übergingen noch von diesen Stimm- und Verwaltungsrechte ausgeübt werden könnten, werde seitens des Käufers kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erworben. Dies sei aber nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Voraussetzung für die Steuerabführungspflicht. Die steuerrechtliche Verantwortlichkeit der zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichteten Bank sei zudem nur ein fiskalisches Sicherungsinstrument und diene nicht dazu, die Steuerlast vom Empfänger der Kapitalerträge auf diese zu verlagern. Im Übrigen versuche die Klägerseite, Gewinne aus Depot- und Aktienverleihgebühren sowie die Gewinne der Verkäuferin über die Beklagte abzuschöpfen, was im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs so nicht möglich sei.

Dass die klagende Privatbank von den weiteren Geschäftsbeteiligten durch Täuschung dazu bestimmt worden sei, für sie im Hinblick auf eine mögliche Steuerrückforderung risikobehaftete Geschäfte abzuschließen, könne auf Basis des klägerischen Vortrags nicht nachvollzogen werden. Eine Gutgläubigkeit der Klägerseite sei nicht dargetan und auch fernliegend, so dass Ansprüche wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) ausschieden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Privatbank kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren.

Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.03.2022, Az. 17 U 108/20
(vorausgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.09.2020, Az. 2/18 O 386/18)

Erläuterungen:

Der Senat stellt hinsichtlich der sog. Cum/ex Geschäfte Folgendes fest: Es werden größere Aktienpakete kurz vor dem Dividendenstichtag im außerbörslichen Handel erworben, wobei sich der Verkäufer – im vorliegenden Fall ein britischer Broker – die Aktien erst beschaffen muss und diese dann erst nach dem Dividendenstichtag und damit ohne („ex“) Dividende liefert. Der Käufer bekommt, weil er keine Aktien mit („cum“) Dividende erhält, eine Dividendenkompensationszahlung. Obwohl für diese keine Kapitalertragsteuer abgeführt wird, lässt sich der Käufer diese auf die von ihm zu zahlende Körperschaftsteuer anrechnen. Dabei ist von vornherein nur eine kurze Haltedauer der Aktien vorgesehen und ein Rückkauf der Aktien vereinbart, wobei die Kursrisiken durch Sicherungsgeschäfte (vorliegend „Futures“) abgesichert werden. Die Gewinne aus den Geschäften stammen allein aus der unberechtigten Steueranrechnung, wobei über die Konditionen der Kurssicherungsgeschäfte diese Gewinne unter den Beteiligten verteilt werden.

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