Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass alleinerziehenden, international schutzberechtigten Elternteilen mit einem Grundschulkind und einem Kind unter drei Jahren bei einer Rückkehr nach Italien keine Lebensbedingungen drohen, die als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta einzustufen wären. Damit können Asylanträge dieser Personengruppe in Deutschland gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden.
Hintergrund des Falls
Die Klägerinnen, eine alleinerziehende Mutter und ihre beiden minderjährigen Kinder, sind nigerianische Staatsangehörige, die in Italien als international Schutzberechtigte anerkannt wurden. Nachdem sie Italien verlassen und in Deutschland Asyl beantragt hatten, wurden ihre Anträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Es wurde ihnen die Rückkehr nach Italien auferlegt. Die Klagen gegen diese Entscheidungen blieben in den Vorinstanzen erfolglos.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte geurteilt, dass den Klägerinnen auch als vulnerablen Personen bei einer Rückkehr nach Italien keine unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen drohen. Dabei wurde eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit angesetzt, wie sie die Rechtsprechung für derartige Fälle fordert.
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision der Klägerinnen zurück und bestätigte die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Es stellte fest, dass es nach der aktuellen Erkenntnislage nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer extremen materiellen Notlage kommen werde, die es den Klägerinnen unmöglich mache, ihre grundlegenden Bedürfnisse nach Unterkunft, Nahrung und Hygiene zu befriedigen.
Die Beurteilung orientiert sich an den Kriterien des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Entscheidend ist, ob die Rückkehrer in der Lage sind, ihre elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum hinweg zu befriedigen.
Unterstützungsleistungen in Italien
Nach den Feststellungen des Gerichts können die Klägerinnen bei einer Rückkehr zunächst für ein Jahr in einer familien- und kindgerechten Einrichtung des Zweitaufnahmesystems (SAI) untergebracht werden. In dieser Einrichtung sind ihre Grundbedürfnisse gesichert, einschließlich einer medizinischen Basisversorgung. Darüber hinaus werden dort Unterstützungsleistungen angeboten, die eine Integration erleichtern, wie Hilfe bei der Suche nach Unterkunft, Arbeit und Kinderbetreuung.
Auch nach Ablauf der einjährigen Unterbringung sieht das Gericht keine hohe Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Verelendung, da die unterstützenden Maßnahmen darauf ausgelegt sind, den Schutzberechtigten ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.
Weitere Verfahren anhängig
Das Bundesverwaltungsgericht verwies darauf, dass noch weitere Verfahren anhängig sind, die ebenfalls die Lebensbedingungen von vulnerablen Schutzberechtigten in Italien betreffen. Diese Revisionen könnten die unterschiedliche Einschätzung der allgemeinen Lage durch verschiedene Oberverwaltungsgerichte klären.
Aktenzeichen und Vorinstanzen
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 3.24 – Urteil vom 19. Dezember 2024
Vorinstanzen:
VGH München, Urteil vom 21. März 2024 (VGH 24 B 23.30860)
VG Regensburg, Urteil vom 25. April 2023 (VG RO 14 K 21.31471)
Mit diesem Urteil stärkt das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssicherheit bei der Anwendung von EU-Asylrecht und Abschieberegelungen für international Schutzberechtigte innerhalb der Europäischen Union.
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