Die Diskussion über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland hat in jüngster Zeit an Fahrt gewonnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte jedoch bei einem Bürgergespräch der „Thüringer Allgemeinen“ klar, dass die Bundesregierung keine Wiedereinführung der Wehrpflicht in ihrer früheren Form plane. Er widersprach damit Gerüchten, wonach entsprechende Pläne von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eingedampft worden seien, und betonte, dass Pistorius nie eine solche Absicht gehabt habe.
Stattdessen gehe es darum, mehr junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen und deren Einbindung zu stärken. Hierfür gebe es verschiedene Modelle, von denen Pistorius ein konkretes vorstellen werde, so Scholz. Der Verteidigungsminister habe zu keinem Zeitpunkt vorgeschlagen, zu einer Wehrpflichtarmee wie in den 1980er-Jahren zurückzukehren.
Die Geschichte der Wehrpflicht in Deutschland reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde die allgemeine Wehrpflicht für Männer ab 1956 wieder eingeführt. Sie galt für alle männlichen Staatsbürger im Alter von 18 bis 45 Jahren und sah eine Dienstzeit von zunächst 12, später 9 Monaten vor. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die Wehrpflicht schrittweise verkürzt und schließlich zum 1. Juli 2011 ausgesetzt.
Seitdem besteht die Bundeswehr aus freiwillig dienenden Soldatinnen und Soldaten. Die Aussetzung der Wehrpflicht erfolgte vor dem Hintergrund veränderter sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen und eines gewandelten Aufgabenspektrums der Streitkräfte. Zudem war die Wehrpflicht zunehmend gesellschaftlich umstritten, auch aufgrund der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sowie möglicher negativer Auswirkungen auf Ausbildung und Beruf der Wehrdienstleistenden.
Angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen, wie der russischen Aggression gegen die Ukraine, und Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr wird nun erneut über Möglichkeiten diskutiert, mehr junge Menschen für den Dienst in den Streitkräften zu gewinnen. Dabei stehen neben einer möglichen Reaktivierung der Wehrpflicht auch Modelle wie ein freiwilliger Dienst, eine allgemeine Dienstpflicht oder Anreize für den freiwilligen Wehrdienst im Raum.
Es bleibt abzuwarten, welches konkrete Modell Verteidigungsminister Pistorius vorstellen wird, um mehr junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht in ihrer früheren Form scheint jedoch angesichts der Äußerungen von Bundeskanzler Scholz und der gesellschaftlichen Debatte unwahrscheinlich.
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