Am 5. Juli 2024 hat der Bundesrat einen bahnbrechenden Gesetzentwurf verabschiedet, der darauf abzielt, Persönlichkeitsrechte vor den zunehmenden Gefahren durch sogenannte Deepfakes strafrechtlich zu schützen. Diese Initiative, die auf einen Vorstoß des Freistaats Bayern zurückgeht, markiert einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die missbräuchliche Nutzung fortschrittlicher Technologien und künstlicher Intelligenz.
Deepfakes, ein Kunstwort aus „Deep Learning“ und „Fake“, beschreiben täuschend echt wirkende Medieninhalte, die mittels hochentwickelter Computertechnologie und KI-Algorithmen erzeugt werden. Diese Technologie ermöglicht es, Videos, Bilder und Tonaufnahmen so zu manipulieren oder komplett neu zu erschaffen, dass sie von echten Aufnahmen kaum zu unterscheiden sind. So können beispielsweise Personen in Videomaterial eingefügt werden, die in Wirklichkeit nie am gezeigten Ort waren, oder es können mittels „Voice-Cloning“ täuschend echte Audioaufnahmen von Äußerungen erstellt werden, die die betreffende Person nie getätigt hat.
Die Gefahren, die von solchen Deepfakes ausgehen, sind vielfältig und schwerwiegend. Sie reichen von massiven Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte Einzelner bis hin zur Bedrohung demokratischer Prozesse. Besonders alarmierend sind Fälle, in denen Frauen und Mädchen Opfer von sexualisierter Gewalt werden, indem ihre Bilder oder Videos in pornografische Kontexte gesetzt werden. Die psychologischen Auswirkungen für die Betroffenen sind dabei oftmals genauso verheerend wie bei der Verbreitung echter intimer Aufnahmen. Auch im politischen Bereich bergen Deepfakes enormes Schadenspotenzial, indem sie zur Diskreditierung von Personen des öffentlichen Lebens eingesetzt werden können. Nicht zuletzt stellen sogenannte „Schock-Anrufe“ mit künstlich imitierten Stimmen von Angehörigen eine neue Form des Betrugs dar, die insbesondere ältere Menschen gefährdet.
Angesichts dieser vielfältigen Bedrohungen sieht der Bundesrat die Notwendigkeit, das bestehende Strafrecht zu erweitern. Die bisherigen Gesetze decken das Phänomen der Deepfakes nur unzureichend ab. Daher sieht der Entwurf die Schaffung eines neuen Straftatbestands vor: die „Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch digitale Fälschung“. Wer demnach computertechnisch hergestellte oder veränderte, aber wirklichkeitsgetreu wirkende Aufnahmen verbreitet und dadurch das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt, soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden können. Bei besonders schwerwiegenden Fällen, etwa bei öffentlicher Verbreitung oder Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, ist sogar eine Höchststrafe von fünf Jahren vorgesehen.
Doch der Bundesrat geht in seinem Vorstoß noch weiter. In einer begleitenden Entschließung fordert er die Bundesregierung auf, Programme zur Erkennung und Kennzeichnung von Deepfakes zu initiieren und zu fördern. Dies unterstreicht das Bewusstsein dafür, dass neben der strafrechtlichen Verfolgung auch technologische Lösungen nötig sind, um der Deepfake-Problematik Herr zu werden. Zudem wird eine regelmäßige Evaluierung der Gesetze zu künstlicher Intelligenz angeregt, um mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen: Der Bundesrat schlägt die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle vor, die diese Unternehmen in Fragen der Deepfake-Erkennung und -kennzeichnung berät und unterstützt.
Mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs durch den Bundesrat ist ein wichtiger erster Schritt getan. Nun geht der Entwurf an den Bundestag, der darüber beraten und entscheiden wird. Zuvor hat die Bundesregierung noch die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Es gibt keine gesetzlichen Fristen, die den Bundestag zu einer schnellen Behandlung des Entwurfs verpflichten, doch angesichts der Dringlichkeit des Themas ist mit einer zügigen Bearbeitung zu rechnen.
Dieser Gesetzentwurf markiert einen entscheidenden Moment im Umgang mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Er zeigt, dass der Gesetzgeber gewillt ist, auf die rasanten technologischen Entwicklungen zu reagieren und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger an die neuen Realitäten anzupassen. Gleichzeitig wirft er wichtige Fragen auf: Wie kann ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und der Freiheit künstlerischen und technologischen Schaffens gewahrt werden? Wie können Gesetze flexibel genug gestaltet werden, um mit dem Tempo des technologischen Fortschritts Schritt zu halten?
Die kommenden Debatten im Bundestag und in der Öffentlichkeit werden zeigen, wie diese komplexen Fragen beantwortet werden. Eines steht jedoch fest: Mit diesem Gesetzentwurf hat der Bundesrat ein klares Zeichen gesetzt, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist, der sich die Politik mit Nachdruck stellen muss.
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