Das Oberverwaltungsgericht hat heute Normenkontrollanträgen der Kreise Viersen und Wesel sowie der Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen stattgegeben, die sich gegen die Anhebung der Versorgungs- und Fortschreibungszeiträume für Rohstoffe um jeweils fünf Jahre im Landesentwicklungsplan richteten, und die Planaussagen für unwirksam erklärt.
Im Koalitionsvertrag 2017 hatten CDU NRW und FDP NRW vereinbart, die Ausweisung von Versorgungs- und Reservezeiträumen für die Rohstoffsicherung zu verlängern. Im Februar 2019 beschloss die Landesregierung, die Versorgungszeiträume für die Sicherung und den Abbau oberflächennaher Bodenschätze (wie den insbesondere am Niederrhein vorkommenden Kies) von 20 auf 25 Jahre anzuheben. Hinsichtlich der Verpflichtung der Regionalplaner, diese Zeiträume fortzuschreiben, wurde der Zeitraum von 10 auf 15 Jahre erhöht. Die Gemeinden und Kreise haben dagegen eingewandt, dies werde voraussichtlich zu einem höheren Flächenbedarf führen und damit dazu, dass die ‑ den Landesentwicklungsplan umsetzende – Regionalplanung auf ihrem Gebiet weitere Kies-Abgrabungsbereiche festlegen werde. Damit erhalte die Rohstoffsicherung zu Unrecht Vorrang vor anderen Belangen wie dem Umweltschutz, dem Städtebau oder der Land- und Forstwirtschaft.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollanträgen stattgegeben. Zur Begründung hat der 11. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Bei den angegriffenen Planaussagen handelt es sich um verbindliche Ziele der Raumordnung, die für nachgeordnete Planungsbehörden verbindlich und einer Abwägung nicht mehr zugänglich sind. Die Antragsteller sind als Behörden befugt, dagegen mit Normenkontrollanträgen vorzugehen. Denn sie müssen die verbindlichen Ziele der Raumordnung bei der Landschafts- und Bauleitplanung beachten. Dabei ist es unerheblich, dass es sich bei den streitigen Zielbestimmungen lediglich um textliche Festlegungen handelt, die einer weiteren sachlichen und räumlichen Konkretisierung durch die Träger der Regionalplanung bedürfen. Denn einerseits ist die Notwendigkeit entsprechender Veränderungen dem Grunde nach durch die Zielbestimmungen verbindlich vorgegeben, andererseits ergeben sich hieraus auch bereits räumliche Konsequenzen, jedenfalls im Hinblick auf die schon bisher regionalplanerisch festgelegten Abgrabungsbereiche. Außerdem kann die Klärung der Gültigkeit der angegriffenen Ziele im Landesentwicklungsplan dazu führen, dass keine weiteren Rechtsstreitigkeiten, wie etwa spätere Normenkontrollverfahren gegen die die verbindlichen Ziele umsetzenden Regionalpläne, geführt werden müssen.
Die geänderten Planaussagen verstoßen gegen das Abwägungsgebot. Für die Anhebung der Versorgungs- und Fortschreibungszeiträume um jeweils fünf Jahre fehlt es bereits an einer hinreichenden Ermittlung der hierdurch berührten gegenläufigen Belange als wesentliche Grundlage für die Abwägung. Das beklagte Land hat seiner Abwägung tragend zugrunde gelegt, dass die maßvolle Verlängerung der Zeiträume eine bessere Planungssicherheit für die abbauenden Betriebe ermögliche. Tatsächliche Erkenntnisse zum Bedarf für die Verlängerung liegen aber nicht vor. Konkrete Sachverhaltsermittlungen fehlen auch, soweit die Änderung mit mehr Sicherheit für die Rohstoffversorgung der Bevölkerung begründet worden ist. Weder aus der Abwägungsentscheidung selbst noch aus dem Abwägungsmaterial ergeben sich eindeutige Informationen, welche “durch den Rohstoffabbau ausgelösten Konflikte“ in der Entscheidung berücksichtigt worden sind. Zu den von den Antragstellern geltend gemachten Befürchtungen einer erhöhten Flächeninanspruchnahme und zu den durch die Planänderungen betroffenen Umweltbelangen fehlen ebenfalls Ermittlungen oder sind jedenfalls unzureichend. Auch wenn beides auf der Ebene der Landesplanung noch nicht mathematisch genau bzw. gebietsscharf ermittelt werden kann, war eine Verortung der Betroffenheit, heruntergebrochen auf konkrete Teilräume des Landes Nordrhein-Westfalen, möglich. Schließlich sind die vorhandenen Abgrabungsbereiche für Kies bekannt, wie sich aus einem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom Mai 2019 ergibt, der ausdrücklich auf “Niederrhein“ als “besonders belasteten Teilraum“ hinweist.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dies kann durch Beschwerde angefochten werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 11 D 109/19.NE, 11 D 2/20.NE und 11 D 135/20.NE
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