Entgegen der Klagebegründung hält die Kammer den § 8 Abs. 1 Satz Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, vereinbar.
Zwar greift die Vorschrift insbesondere in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs.1 Grundgesetz) ein. Dieser Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck der Suchtprävention, wobei es sich um einen gewichtigen Allgemeinwohlbelang handelt. Die Regelung ist geeignet, diesen Zweck zu fördern. Der Gesetzgeber geht für die Kammer nachvollziehbar davon aus, dass aufgrund der verpflichtenden Mindestabstände von Wettvermittlungsstellen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor einer Gewöhnung von Kindern- und Jugendlichen an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld geschützt werden. Die Kammer hat die Regelung auch als erforderlich und angemessen angesehen. Insbesondere hätte das Verbot von Außenwerbung, die Anpassung von Betriebszeiten und ähnlichem keinen gleichen Effekt, da die Sportwettvermittlungsstellen dann trotzdem an Kinder- und Jugendeinrichtungen heranrücken könnten und für diese vulnerablen Personengruppen ohne weiteres verfügbar wären.
Die Kammer hält § 8 Abs. 3 Satz des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für europarechtskonform. Zwar greift die Vorschrift in die Grundfreiheiten, namentlich die Dienst- und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ein. Dieser Eingriff ist aber europarechtlich gerechtfertigt. An die Rechtfertigung entsprechender Eingriffe stellt der Europäische Gerichtshof besondere Anforderungen. Insbesondere darf eine restriktive mitgliedsstaatliche Regelung im Bereich der Glücksspielregulierung nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstoßen. Dieser Grundsatz besagt, dass der Staat einen bestimmten Glücksspielsektor nicht unter dem Deckmantel der Suchtprävention zu Lasten Privater restriktiv reglementieren darf, um dann unter diesem Deckmantel eine expansive Glücksspielpolitik in diesem Bereich zu betreiben. Außerdem darf die liberale Regulierung eines Sektors nicht dazu führen, dass restriktive Regulierungen anderen Glücksspielsektoren ihre Wirksamkeit verlieren. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstößt. Es werden staatlicherseits in diesem Bereich keine fiskalische Interessen verfolgt. Zwar bieten auch staatliche Stellen in Niedersachsen Sportwetten an. Das Angebot ist allerdings mit dem Angebot von privaten Wettanbietern sowohl hinsichtlich der Attraktivität als auch hinsichtlich der von diesem Spiel ausgehenden Suchtgefahren nicht vergleichbar, was sich im aktuellen Umsatz privater Sportwettanbieter entsprechend niederschlägt. Zum anderen fügt sich die Sportwettenregulierung in die Regulierung der übrigen Glücksspielsektoren in Niedersachsen noch konsistent ein. Zwar gibt es in der Regulierung des Spielhallensektors keine mit § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsicshen Glücksspielgesetzes vergleichbare Regelung. Dies führt aber aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht dazu, dass das Regulierungsregime der Sportwettvermittlungsstellen unwirksam wird. Denn es steht nicht zu erwarten, dass es aufgrund dieser Regelung zu beachtlichen Spielerwanderungen vom Sportwettenspiel zum Automatenspiel kommt.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg zugelassen.
Urteil vom 14.03.2023
Az. 10 A 4968/21
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