Die Klägerin wurde im Jahr 1993 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität promoviert.
Im Januar 2019 wurde ihr der verliehene Doktorgrad im Wesentlichen mit der Begründung entzogen, dass sie diesen durch Täuschung erlangt habe. In ihrer Dissertation habe sie über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung getäuscht, weil sie in erheblichem Umfang Textpassagen aus anderen Quellen übernommen habe, ohne diese als Zitate oder auf andere geeignete Weise kenntlich zu machen. Über weite Strecke sei einfach nur von anderen Quellen abgeschrieben worden, so dass letztendlich der gesamte Text aus einer Art Collagentechnik bestehe.
Die Klägerin hat hiergegen die verwaltungsgerichtliche Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass bei Anfertigung der Dissertation im Jahr 1993 nicht die gleichen strengen Regeln aus der wissenschaftlichen Praxis herangezogen werden könnten, wie sie in den Jahren 1998 und 2012 aufgestellt worden seien. Die von ihr verwendete Form der Nachweise der genutzten Literatur habe der im Jahre 1993 üblichen Praxis entsprochen. Darüber hinaus habe die beklagte Universität auch nicht hinreichend den nunmehr 25-jährigen Zeitablauf seit Annahme der Dissertation berücksichtigt. Die Arbeit der Klägerin betreffe thematisch rechtliche Aspekte der Eingliederung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in das Europäische Gemeinschaftsrecht. Da sich die politischen Umstände seit 1993 erheblich verändert hätten, komme der Arbeit der Klägerin zum heutigen Zeitpunkt für den wissenschaftlichen Diskurs auch keine Bedeutung mehr zu.
Die Klage wurde mit gestern zugestelltem Urteil abgewiesen.
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main erachtet den Entzug des Doktorgrades als rechtmäßig. Nach dem Hessischen Hochschulgesetz diene eine Promotion dem Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit. Es müsse ein eigener Beitrag zum Wissenschaftsprozess erbracht werden. Fremde Beiträge dürften nicht als eigene Beiträge in einer wissenschaftlichen Abhandlung ausgegeben werden. Übernahmen aus Arbeiten anderer Autoren müssten durch Zitate der Originalquellen vollständig offengelegt werden. Dies sei im Fall der klägerischen Dissertation in vielfachem Umfang nicht geschehen. Die wissenschaftlichen Standards seien nicht eingehalten. Die Johann Wolfgang Goethe-Universität habe eine Vielzahl von Fremdtextübernahmen ohne anforderungsgerechte Quellenangaben festgestellt.
So habe die Beklagte in tabellarischer Form auf 21 Seiten die Fremdtextübernahmen, die fehlerhafte Zitierweise oder die Nichtzitierung anderer Quellen aufgeführt. Diese unzulänglichen Quellenangaben erstreckten sich über die gesamte Arbeit der Klägerin, so dass von einer bloßen Nachlässigkeit oder vereinzelten Defiziten bei der Bearbeitung nicht mehr ausgegangen werden könne. Aufgrund der Vielzahl der Plagiatsstellen und ihres Anteils am Gesamtumfang der Arbeit habe die Klägerin über die eigenständige wissenschaftliche Leistung bei Abfassung der Dissertation getäuscht.
Obwohl die Verleihung des Doktortitels mehr als 25 Jahre zurückliege, sei die Entziehung gerechtfertigt. Das Gericht führt aus, dass im Ergebnis dem Grundsatz der Redlichkeit der Wissenschaft eine überragende Bedeutung zuzumessen sei und es weiterhin zu berücksichtigen sei, dass mit dem Doktorgrad eine Befähigung bescheinigt werde, die tatsächlich nicht nachgewiesen worden sei.
Auch die Änderung wirtschaftlicher, politischer oder gesellschaftlicher Verhältnisse, die möglicherweise dazu führten, dass der Dissertation der Klägerin für den heutigen tagesaktuellen wissenschaftlichen Diskurs keine Bedeutung mehr zukomme, könne nicht dazu führen, einen zu Unrecht verliehener Doktorgrad aufrecht zu erhalten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzulegen.
Az.: 4 K 3919/19.F
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