Kleidung tauschen, verkaufen oder verschenken“ – das ist die Mission von „Kleiderkreisel“. Doch die Online-Plattform ist auch verlockend für Betrüger. Wie beim Auktionsportal eBay lassen sich bei „Kleiderkreisel“ Klamotten, Ketten und Kosmetik mit Fotos präsentieren – nur kostenlos. Das Motto: „Mach mit und kämpfe stilvoll gegen Verschwendung“. Täglich wechseln über die Börse rund 30.000 mal Hose und Hemd, Schuh und Shirt die Besitzerin. Die Kleider kreiseln recht einfach: Verkäufer anmailen, online den Preis aushandeln, Adresse gegen Kontodaten tauschen, Geld überweisen und warten, bis der Paketbote klingelt.
Doch auf den warten viele vergebens. Denn Kleiderkreisel ist verlockend für so manchen Betrüger. Etwa für „Lina2020“ (Nicknamen geändert). Sie stellte verführerische Lock-Angebote auf dem virtuellen Flohmarkt online: trendige Nike Schuhe in weiß-rosa für knapp 45 Euro und selbstgenähte Kleider im Rockabilly-Stil für je 40 Euro. Dutzende Frauen verloren ihr Geld. Eigentlich sollten solche Mehrfachverkäufe auf Kleiderkreisel gar nicht möglich sein. Denn die Internetseite will den privaten Verkauf ankurbeln – und nicht den gewerblichen. Problem nur: Interessenten können nicht erkennen, ob ein Artikel schon einmal oder gar mehrmals vertickt wurde. Sicher: „Lina2020“ gibt es überall. Laut Kleiderkreisel geht lediglich bei einem Prozent aller Transaktionen etwas schief, das wären rund 300 täglich. Auf eine andere Quote kommt jedoch Sabine Schulz (Name geändert). Die 25-jährige Kölnerin kreiselt seit einem Jahr und erlebte bei zwei von sechs Käufen einen Reinfall. Auch ihre privat gestartete Facebook-Umfrage zeigte: Von rund 60 Kleiderkreisel-Frauen fühlte sich jede vierte schon mindestens einmal übers Ohr gehauen.
Fakes im Bewertungssystem
Im Forum der Plattform fordern viele Userinnen vehement Veränderungen. Hauptärgernis ist das Bewertungssystem. Das nämlich lädt geradezu ein zum Faken: Kommentare darf jeder unabhängig von einem Deal schreiben. So irritierten „Zwetschke14“ die Zeilen einer ihm unbekannten „whiti99“: „Netter Kontakt! Top Ware! Kauft alle bei ihm ein“. Sowas putzt das Profil zwar ganz ungemein, aber nicht das Gewissen redlicher Verkäufer. Deshalb konterte „Zwetschke14“ harsch: „Was soll das? Brauche keine Fake-Bewertungen.“ Doch die sind mittlerweile für manchen eine Art Währung auf Kleiderkreisel. User, die Fake-Bewertungen verteilen, hoffen darauf, dass sie positive Fake-Kommentare zurückbekommen. Es geht noch dreister. „Tausche eine super nette und lange Bewertung gegen ein Teil aus deinem Katalog.“ Solche Nachrichten lösten nicht nur bei „Holly-Wood9“ Kopfschütteln aus. Kreislerin „promimaus“ wiederum beschwerte sich über ein unmoralisches Ansinnen, nachdem sie einen Kauf negativ beurteilt hatte. Die Abgewertete hätte drei positive Bewertungen von Freundinnen angeboten, wenn das Verdikt gelöscht würde.
Dass solche Merkwürdigkeiten keine Einzelfälle sind, weiß auch Susanne Richter. Sie gehört zum sogenannten Kleiderkreisel-Kommando, das sich aus über einem Dutzend Mitarbeitern zusammensetzt. „Es passiert häufiger, dass das System missbraucht wird und Bewertungen gefaked werden“, bekennt Richter. Ein „Kaufen-Button“ könnte den Missbrauch erheblich erschweren. Mit dem nämlich könnte eine Bewertung nur nach einem Kauf abgegeben werden. Doch anders als das Auktionsportal eBay finanziert sich Kleiderkreisel nicht durch Verkaufsprovisionen, sondern bislang allein durch Werbung. Vor allem deshalb lasse der technisch aufwendigere Button auf sich warten. So lange das gilt, haben Abzocker leichtes Spiel. Selbst schlechte Bewertungen sind für sie kein Hindernis. Es reicht einfach, den Account zu löschen und sich unter anderem Nickname zu registrieren: mit neuer weißer Weste. Merkwürdig, aber irgendwie passend: Bewertungen, die unter dem alten Account abgegeben wurden, bleiben auf den Profilen der anderen User unter „Unbekannt“ erhalten. Da verwundert es nicht, dass Kleiderkreisel in seinen „rechtlichen Hinweisen“ ausdrücklich „keine Haftung für gescheiterte Transaktionen“ übernehmen mag.
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