Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil (Az. 7 K 642/16.F) die Rechtsauffassung der BaFin bestätigt, dass das Pfandleihprivileg nicht die Beleihung von Inhaberpapieren umfasst. Die BaFin wird Pfandleihern, die Inhaberpapiere beleihen, dies somit auch künftig untersagen und die Abwicklung der entsprechenden Pfandleihdarlehen aufgeben.
In dem konkreten Fall bot ein Pfandleihhaus Darlehen gegen die Verpfändung von Inhabergrundschuldbriefen an. Die Kunden sollten dazu eine erstrangige Grundschuld an einem ihnen gehörenden Grundstück bestellen und diese verbriefen lassen. Der Grundschuldbrief sollte auf den Inhaber ausgestellt und gegen Auszahlung des Darlehens an das Pfandleihaus übergeben werden. Darüber hinaus belieh das Unternehmen auch Inhaberaktien. Die BaFin stufte die Beleihung von Inhaberpapieren in dem zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren als erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft ein.
Pfandleihprivileg
Nach § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Kreditwesengesetz (KWG) ist die gewerbsmäßige Vergabe von Darlehen ein Bankgeschäft, für das der Betreiber eine Erlaubnis der BaFin benötigt. Auch Pfandleiher vergeben gewerbsmäßig Darlehen, die sie durch Faustpfänder besichern. Üblicherweise handelt es sich bei diesen Faustpfändern um geringwertige Gegenstände, insbesondere um Schmuck. An sich unterlägen die Pfandleiher damit der Erlaubnispflicht nach dem KWG. Dank des Pfandleihprivilegs, festgeschrieben in § 2 Absatz 1 Nr. 5 und Absatz 3 KWG, sind sie hiervon jedoch ausgenommen und unterliegen für das Pfandleihgeschäft nur der Zulassung und laufenden Aufsicht durch die örtlichen Gewerbeämter. Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass Pfandleiher lediglich in begrenztem Umfang jeweils geringe Summen verleihen. Unterdessen haben sich aber über die Jahre einige Pfandleiher neue Geschäftsfelder erschlossen. So kann man heute auch Autos, Jachten, hochwertige Luxusgüter und Kunstwerke versetzen. Zudem werben neuerdings einzelne Pfandleiher damit, auch Inhabergrundschuldbriefe zu beleihen, jedoch in aller Regel, ohne die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach dem KWG zu erfüllen.
Faustpfand: Nur Sachen – keine Rechte
Inhaberpapiere sind keine Faustpfänder im Sinne des Pfandleihprivilegs. Die amtliche Begründung zum Kreditwesengesetz (KWG) verdeutlicht, dass der Gesetzgeber hierunter nur bewegliche Sachen verstand. Inhaberpapiere sind dagegen Rechte, die lediglich wie Sachen übertragen und verpfändet werden. Das wird auch an den vielfältigen gewerberechtlichen Pflichten der Pfandleiher zur Lagerung und Versicherung der angenommenen Pfänder deutlich. Diese setzen durchgehend voraus, dass ein physischer Gegenstand mit einem eigenen Material-, Gebrauchs- oder künstlerischen Wert vorhanden ist. So hat der Pfandleiher die Pfänder in geeigneten Räumen zu lagern, gegen Feuer- und Wasserschäden sowie gegen Diebstahl zu versichern.
Da das Inhaberpapier nur ein Recht verbrieft, dessen Wert sich aus einem anderen Gut ableitet, kann der Pfandleiher diesen Wert auch nicht durch eine optimale Lagerung und Versicherung der Schuldurkunde erhalten. So hat der Pfandleiher bei Inhaberaktien keinen Zugriff auf die Aktiengesellschaft, die diese emittiert hat. Ebenso verhält es sich bei Inhabergrundschuldbriefen: Der Zustand der Urkunde ist für die Wirksamkeit der in ihr verbrieften Grundschuld unerheblich, während der Zustand des Gebäudes, das sich auf dem Grundstück befindet, ganz maßgeblich den Wert des Grundstücks beeinflusst und damit auch den Marktwert der Grundschuld. Bei beweglichen Sachen ist demgegenüber der Pfandgegenstand dem Zugriff des Pfandgebers entzogen, da er beim Pfandleiher gelagert wird.
Kein typisches Pfandleihgeschäft
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das Pfandleihprivileg dadurch eingeschränkt, dass es sich bei den ausgenommenen Geschäften um „eigentümliche Geschäfte“ der Pfandleiher handeln muss, also um Geschäfte, die für die Branche typisch sind (§ 2 Absatz 3 KWG).
Unabhängig davon, dass es sich bei Inhabergrundschuldbriefen nicht um „Faustpfänder“ handelt, ist die Beleihung von Inhaberpapieren jedoch nicht branchentypisch, so dass das Pfandleihprivileg auch aus diesem Grund nicht greift.
Schattenbanken
Gerade weil nur ein Recht beliehen wird, steigert diese Geschäftsidee in erheblichem Maße das Risiko der Entstehung von Schattenbanken. Dabei kommen mehrere Faktoren zusammen.
Zunächst wird der Wert eines Grundstücks in aller Regel den eines typischen Faustpfands um ein Vielfaches übersteigen. Damit liegen auch die Volumina der ausgereichten Darlehen weit über dem Rahmen üblicher Pfandkredite, wie sie der Gesetzgeber vor Augen hatte. Pfandleiher könnten so Millionenkredite vergeben, ohne sich an die Bestimmungen für die Vergabe von Millionen- und Großkrediten halten zu müssen, die – wie der gesamte Regulierungsrahmen für Banken – für sie nicht gelten. Wegen der Höhe der einzelnen durch Inhabergrundschuldbriefe abgesicherten Darlehen ist auch nicht mehr davon auszugehen, dass diese schon nach drei Monaten zurückgezahlt werden, wie im Pfandleihgewerbe üblich. Das steigert gleichzeitig das Ausfallrisiko des Pfandleihers erheblich.
Außerdem wird der Umfang des Geschäfts nicht mehr durch die Lagerkapazitäten des Pfandleihers begrenzt. Denn Pfandleiher müssen alle Faustpfänder bei sich einlagern. So reduziert sich normalerweise mit jedem Vertrag die zur Verfügung stehende Lagerfläche. Ist diese belegt, kann der Pfandleiher keine Kredite mehr ausreichen, bis ältere Pfänder entweder ausgelöst oder verwertet, also zum Beispiel versteigert wurden. Wenn aber in einem Aktenordner Grundschuldbriefe in Millionenhöhe aufbewahrt werden können, greift dieser Mechanismus nicht mehr.
Schließlich werden Pfandleiher Darlehen in solcher Höhe kaum noch durch ihr eigenes Geschäft finanzieren können, sondern am Finanzmarkt Anlegergelder einwerben. Das Risiko, dass Darlehen nicht mehr zurückgezahlt werden und die verpfändeten Inhabergrundschuldbriefe wertlos sind, tragen dann die Anleger. Die Gewerbeämter könnten das Risiko aufgrund ihrer örtlich begrenzten Zuständigkeit nicht überblicken. Geriete ein Pfandleihhaus aufgrund solcher Geschäfte in Schieflage, würde dies das Vertrauen in die Stabilität des Finanzmarkts nachhaltig gefährden.
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