Die Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Xempus AG für das Geschäftsjahr 2023 offenbaren einige interessante Entwicklungen, die Anleger kritisch betrachten sollten. Während das Unternehmen Umsatzwachstum verzeichnet, bleiben erhebliche Herausforderungen im Bereich der Ertragslage, der Liquidität und der Kapitalstruktur bestehen. Die folgende Analyse beleuchtet diese Aspekte genauer:
1. Vermögenslage: Rückgang des Umlaufvermögens und steigende Abhängigkeit vom Anlagevermögen
Positive Entwicklungen:
- Das Anlagevermögen stieg von 27,6 Mio. EUR auf 35,5 Mio. EUR (+28,6 %). Dies ist vor allem auf den Erwerb der 100%-Beteiligung an der eVorsorge Systems GmbH zurückzuführen. Hier zeigt sich eine strategische Investition in die Erweiterung der Geschäftstätigkeiten.
Kritische Punkte:
- Das Umlaufvermögen reduzierte sich drastisch um 53,2 % von 40,4 Mio. EUR auf 18,9 Mio. EUR. Insbesondere die flüssigen Mittel (Kassenbestand und Festgeld) sanken von 37,6 Mio. EUR auf 14,9 Mio. EUR (-60 %). Dies könnte auf eine hohe Mittelverwendung für Investitionen und laufende Verluste hindeuten, stellt aber zugleich ein Risiko für die Liquidität dar.
2. Ertragslage: Anhaltende Verluste trotz Umsatzwachstum
Positive Entwicklungen:
- Die Umsatzerlöse stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 18,7 % von 12,3 Mio. EUR auf 14,6 Mio. EUR. Dieses Wachstum ist insbesondere auf die starke Nachfrage nach Softwarelösungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) zurückzuführen.
Kritische Punkte:
- Der Jahresfehlbetrag betrug 18,0 Mio. EUR (2022: 18,5 Mio. EUR). Trotz Umsatzsteigerung konnte das Unternehmen die Verluste nur minimal verringern.
- Die Abschreibungen stiegen signifikant um 29 % auf 4,2 Mio. EUR, was die Rentabilität zusätzlich belastet.
3. Liquiditätslage: Schrumpfende Mittelbestände und Abhängigkeit von Fremdkapital
Positive Entwicklungen:
- Die Gesellschaft sicherte sich eine neue Fremdkapitallinie in Höhe von 21 Mio. EUR mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Dies verschafft Xempus einen Puffer, um Liquiditätsengpässe kurzfristig zu vermeiden.
Kritische Punkte:
- Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit war erneut negativ mit -17,1 Mio. EUR (2022: -14,9 Mio. EUR).
- Die Gesamtliquidität (Kassenbestand + Festgeld) sank drastisch von 37,6 Mio. EUR auf 14,9 Mio. EUR (-60,3 %). Dies zeigt, dass das Unternehmen seine Mittel für Investitionen und operative Verluste aufgebraucht hat.
4. Kapitalstruktur: Hohe Verluste belasten das Eigenkapital
Positive Entwicklungen:
- Das gezeichnete Kapital stieg leicht von 121.628 EUR auf 122.642 EUR, und die Kapitalrücklage erhöhte sich um 2,0 Mio. EUR auf 112,3 Mio. EUR.
Kritische Punkte:
- Die Verlustvorträge und der Jahresfehlbetrag drücken das Eigenkapital erheblich. Der kumulierte Verlustvortrag beträgt 58,6 Mio. EUR, während der Jahresfehlbetrag weitere 18 Mio. EUR hinzufügt. Dadurch sank das Eigenkapital um 30,8 % auf 35,9 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote reduzierte sich entsprechend von 75,9 % auf 65,5 %.
5. Strategische Entscheidungen: Investitionen und Bilanzierungsänderungen
Positive Entwicklungen:
- Der Erwerb der eVorsorge Systems GmbH könnte langfristig neue Geschäftsfelder eröffnen. Allerdings zeigt deren Bilanz zum Erwerbszeitpunkt einen Verlust von knapp 1 Mio. EUR, was ein erhebliches Risiko birgt.
Kritische Punkte:
- Die Entscheidung, das Aktivierungswahlrecht für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände nicht mehr auszuüben, führte zu einer Reduzierung der Gesamtleistung und des Anlagevermögens. Zwar mag dies steuerliche Vorteile haben, erhöht aber gleichzeitig den Jahresfehlbetrag um einen mittleren einstelligen Millionenbetrag.
6. Risiko- und Chancenbewertung: Licht und Schatten
Risikofaktoren:
- Liquiditätsrisiko: Die schrumpfende Liquidität und der anhaltend hohe Cashburn stellen ein erhebliches Risiko dar, falls die Umsätze nicht stärker steigen.
- Abhängigkeit von Kapitalgebern: Die Finanzierung über Fremdkapital und Kapitalrücklagen ist essentiell für die Fortführung der Geschäftstätigkeiten.
- Operative Risiken: Die stark steigenden Personalkosten und der wachsende Bedarf an spezialisierten Mitarbeitern könnten den Cashflow weiter belasten.
Chancen:
- Die Digitalisierung der Versicherungsbranche bietet weiterhin Wachstumspotenzial, insbesondere bei der betrieblichen Alters- und Krankenversicherung.
- Neue Produkte wie die betriebliche Arbeitskraftabsicherung und die Expansion in verwandte Versicherungssparten könnten langfristig die Ertragskraft stärken.
Fazit und Bewertung aus Anlegersicht
Die Xempus AG steht vor einem herausfordernden Balanceakt: Einerseits kann sie im boomenden Markt der digitalen Versicherungsdienstleistungen wachsen, andererseits sind die Verluste und der Mittelabfluss alarmierend.
Für Anleger bleibt Xempus ein spekulatives Investment mit hohem Risiko. Die Abhängigkeit von Fremd- und Eigenkapitalzuführungen sowie der anhaltend negative Cashflow stellen ernsthafte Herausforderungen dar. Positiv zu vermerken ist das zweistellige Umsatzwachstum, jedoch reichen die Maßnahmen bislang nicht aus, um die Verluste nachhaltig zu reduzieren. Anleger sollten daher sorgfältig prüfen, ob sie das Potenzial der Marktstellung von Xempus höher einschätzen als die Risiken eines möglicherweise unausgeglichenen Geschäftsmodells.
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