Österreich und die Niederlande haben gemeinsam mit 15 weiteren EU-Ländern die Europäische Kommission dazu aufgerufen, die bestehende EU-Rückführungsrichtlinie zu überarbeiten. Ihr Ziel ist es, die Rückführung von Migrantinnen und Migranten, die keinen legalen Aufenthaltsstatus in der EU haben, zu erleichtern und zu beschleunigen. In einem von der niederländischen Regierung veröffentlichten „Non-Paper“ – einem informellen Diskussionspapier – fordern sie eine Reform des Rechtsrahmens, die klare Verpflichtungen für Migranten ohne Schutzstatus schafft und Rückkehrverfahren effizienter gestaltet.
Forderungen im Detail
Die Initiatoren fordern einen „Paradigmenwechsel“ im Rückführungsprozess, der mehr Verbindlichkeit und weniger Spielraum für juristische Auslegungen bietet. Konkret soll der neue Rechtsrahmen klare Pflichten für Drittstaatsangehörige ohne Bleiberecht definieren. Migranten, die zur Rückkehr verpflichtet sind, sollen stärker in die Verantwortung genommen werden und die Nichtkooperation soll sanktioniert werden. Dies sei, laut Österreichs Innenminister Gerhard Karner, ein notwendiger Schritt, um ein „gerechtes und glaubwürdiges Asylsystem“ zu gewährleisten.
Bereits im Vorfeld des Treffens der EU-Innenminister sorgte das Papier für kontroverse Diskussionen, insbesondere da die Frage der Migration und Rückführung in der EU politisch hochsensibel ist. Dass diese Vorschläge in einigen Ländern auf Zustimmung stoßen, überrascht nicht – viele EU-Staaten, besonders an den Außengrenzen der Union, stehen unter hohem Druck, die Zahl der irregulären Migranten zu kontrollieren. Doch ob der Vorstoß tatsächlich Erfolg haben wird, bleibt ungewiss.
Chancen des Vorstoßes
Während Österreich und die Niederlande klar auf eine Verschärfung der Rückführungsregelungen drängen, sind die Erfolgsaussichten dieser Initiative fraglich. Hier einige Gründe für Skepsis:
- Widerstand von Mitgliedstaaten: Migration ist ein extrem polarisierendes Thema in der EU, und während Länder wie Österreich und die Niederlande verstärkte Maßnahmen fordern, gibt es auch viele EU-Staaten, die restriktive Rückführungsregelungen ablehnen. Insbesondere südeuropäische Länder wie Italien, Griechenland und Spanien, die regelmäßig die Hauptlast bei der Aufnahme von Migranten tragen, könnten gegen zu rigide Regelungen sein, da sie befürchten, dass die Umsetzung solcher Maßnahmen die humanitäre Situation weiter verschärfen könnte. Auch Länder wie Deutschland oder Schweden könnten sich eher zurückhaltend zeigen, da in der Vergangenheit eher ein ausgewogenes, menschenrechtlich orientiertes Vorgehen bevorzugt wurde.
- Praktische Umsetzung: Selbst wenn ein neuer Rechtsrahmen verabschiedet würde, bleibt die praktische Umsetzung einer strikteren Rückführungspolitik eine Herausforderung. Viele Herkunftsländer kooperieren nicht oder nur unzureichend bei der Rücknahme von Staatsangehörigen, die illegal in die EU eingereist sind. Ohne funktionierende Rücknahmeabkommen ist eine effizientere Rückführung schwer umsetzbar, egal wie streng die Richtlinien gestaltet sind. Länder wie Afghanistan, Syrien oder Eritrea – wo oft keine sicheren Rückführungsbedingungen bestehen – wären ohnehin ausgenommen. Das Haupthindernis liegt also nicht allein in den EU-Verfahren, sondern in den diplomatischen Beziehungen zu den Herkunftsländern.
- Rechtliche Hürden und Menschenrechte: Ein weiterer Stolperstein ist das europäische und internationale Menschenrechtssystem. Jeder Migrant, der in Europa angekommen ist, hat das Recht, gegen eine Rückführung zu klagen. Solche Verfahren können Monate oder gar Jahre dauern. Darüber hinaus könnten striktere Regeln von internationalen Organisationen wie dem UNHCR oder Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert werden, wenn sie die Rechte der Betroffenen einschränken oder unangemessene Sanktionen vorsehen.
- Innerer Konsens in der EU: Migration ist nicht nur ein Thema, das zwischen Mitgliedstaaten unterschiedliche Meinungen hervorruft – auch innerhalb einzelner Länder gibt es große Differenzen. Selbst in den Ländern, die diesen Vorstoß unterstützen, könnte es innenpolitische Konflikte geben. Regierungen, die auf eine Balance zwischen Härte und Humanität setzen müssen, könnten es schwer haben, solch rigide Rückführungsgesetze innenpolitisch zu rechtfertigen. Dies könnte die Dynamik in den nationalen Parlamenten weiter verschärfen und den internen EU-Konsens schwächen.
Einschätzung
Es ist klar, dass die derzeitige Migrationspolitik der EU unter Druck steht und in vielen Bereichen reformbedürftig ist. Der Vorschlag von Österreich und den Niederlanden mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, insbesondere für Länder, die die Kontrolle über ihre Außengrenzen verbessern wollen. Doch die praktischen und politischen Hürden für eine solche Reform sind immens.
Die EU ist bekannt für langwierige Entscheidungsprozesse, insbesondere bei sensiblen Themen wie Migration, die das Potenzial haben, die Einheit der Union zu gefährden. Ein „Paradigmenwechsel“ in der Rückführungspolitik würde eine starke politische Einigkeit voraussetzen, die derzeit in der EU nicht vorhanden ist. Zudem könnten Länder mit einer weniger restriktiven Migrationspolitik oder solchen, die sich in der Vergangenheit gegen schärfere Maßnahmen gestellt haben, den Vorschlag blockieren oder verwässern.
Ohne eine klare und effiziente Strategie zur Kooperation mit den Herkunftsländern und unter Berücksichtigung menschenrechtlicher Verpflichtungen wird der Vorstoß höchstwahrscheinlich auf Widerstand stoßen. Insofern scheint es unwahrscheinlich, dass die vorgeschlagenen Reformen in ihrer derzeitigen Form eine breite Unterstützung finden werden.
Die Debatte um die EU-Rückführungsrichtlinie ist somit ein weiteres Beispiel für den anhaltenden Kampf um eine kohärente und gerechte Migrationspolitik in Europa – eine Herausforderung, die nicht so schnell gelöst werden dürfte.
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