Die deutsche Automobilbranche, einst Aushängeschild der Industrie, steckt aktuell in einer tiefen Krise. Besonders Volkswagen (VW), eines der größten Unternehmen Deutschlands, steht vor enormen Herausforderungen. Schlechte Verkaufszahlen, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, drohen zu Werksschließungen und Massenentlassungen zu führen. Während der Staat diskutiert, wie er unterstützen kann, gibt es einen breiten Konsens, dass die Autoindustrie ihre Probleme weitgehend selbst lösen muss. Doch was kann und muss die deutsche Autoindustrie, und speziell VW, tun, um wieder auf die Beine zu kommen?
1. Versäumnis bei der Elektromobilität: Zu spät auf den Zug aufgesprungen
Ein Hauptproblem, das VW und die gesamte deutsche Autoindustrie belastet, ist das verschlafene Umsteigen auf die Elektromobilität. Wie der Wirtschaftsexperte Moritz Schularick treffend feststellt, hat die deutsche Autoindustrie zu lange gezögert, sich konsequent auf Elektrofahrzeuge auszurichten. Die Konkurrenz aus China und den USA ist bei Elektrofahrzeugen weit voraus. Tesla bietet günstige und technologisch fortschrittliche Modelle an, während chinesische Hersteller mit preiswerten E-Autos den Markt dominieren.
VW hat es bisher nicht geschafft, ein konkurrenzfähiges E-Auto unter 20.000 Euro auf den Markt zu bringen. Das günstigste Modell kostet aktuell rund 37.000 Euro – weit entfernt von einer massentauglichen Lösung. Wenn VW und die deutsche Autoindustrie wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen sie massiv in Forschung und Entwicklung von kostengünstigen, leistungsstarken Elektroautos investieren. Dies könnte auch durch verstärkte Kooperationen mit ausländischen Technologiepartnern gelingen, wie Schularick vorschlägt.
2. Kostenreduktion und Produktionsanpassung
Mit drohenden Werksschließungen und Stellenstreichungen sendet VW ein deutliches Signal an die Politik und die Öffentlichkeit: Der Konzern ist zu groß, um zu scheitern. Dennoch ist klar, dass VW seine internen Strukturen verschlanken muss, um wettbewerbsfähiger zu werden. Die hohen Produktionskosten in Deutschland, kombiniert mit einer ineffizienten Produktionsstruktur, machen den Konzern verwundbar.
Anstatt Werksschließungen ins Auge zu fassen, sollte VW auf eine Modernisierung der Produktionsprozesse setzen. Automatisierung und Digitalisierung der Werke könnten die Effizienz erheblich steigern und Kosten reduzieren, ohne zwingend Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Gleichzeitig könnte eine gezielte Fortbildung der Mitarbeiter zur Anpassung an die neuen Technologien der Elektromobilität erfolgen, um die Belegschaft auf die Zukunft vorzubereiten.
3. Staatliche Unterstützung: Anreize statt Subventionen
Während sich der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bisher zurückhaltend gegenüber direkten Staatshilfen für VW zeigt, gibt es durchaus Möglichkeiten, wie der Staat der gesamten Autoindustrie helfen kann, ohne in direkte Subventionen zu verfallen. Eine Neuauflage der E-Auto-Prämien könnte kurzfristig zu einem Nachfrageschub führen, ist jedoch langfristig problematisch, wie auch der Experte Frank Schwope anmerkt. Prämien verzerren den Markt und führen nach ihrem Auslaufen oft zu Einbrüchen bei den Verkäufen.
Stattdessen könnte die Bundesregierung andere, nachhaltigere Maßnahmen in Erwägung ziehen. Eine Senkung der Strompreise, wie sie Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies fordert, könnte die Produktionskosten für Elektrofahrzeuge senken und die E-Mobilität attraktiver machen. Gleichzeitig könnte der Staat in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investieren, um die Reichweitenangst der Verbraucher zu verringern und die Akzeptanz von E-Autos zu erhöhen.
4. Offenheit für ausländische Investoren und Technologien
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Innovationsfähigkeit der deutschen Autoindustrie. In vielen Bereichen – insbesondere bei Batterietechnologie und Software – hinken deutsche Hersteller hinterher. Hier könnte eine verstärkte Öffnung für ausländische Investoren und Technologien helfen, den Rückstand aufzuholen. Kooperationen mit führenden Technologieunternehmen oder Joint Ventures mit ausländischen Herstellern könnten den Zugang zu moderneren Technologien ermöglichen.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um solche Kooperationen zu fördern. Das bedeutet, dass Hürden für ausländische Investoren abgebaut und Innovationsprojekte durch gezielte Förderung unterstützt werden sollten.
5. Fokus auf Nachhaltigkeit und Zukunftstechnologien
Ein weiteres zukunftsweisendes Handlungsfeld für die deutsche Autoindustrie liegt in der Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und alternative Technologien. Der globale Trend geht nicht nur in Richtung Elektromobilität, sondern auch zu anderen umweltfreundlichen Mobilitätsformen, wie Wasserstofftechnologie und Carsharing-Modellen. Hier könnte VW, statt sich nur auf den klassischen Autoverkauf zu konzentrieren, in neue Geschäftsmodelle investieren.
Zum Beispiel könnten Investitionen in Wasserstofftechnologie oder die Entwicklung von Fahrzeugen für Carsharing-Plattformen neue Einnahmequellen erschließen. Nachhaltigkeit ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit, da immer mehr Verbraucher Wert auf umweltfreundliche Produkte legen.
6. Marktorientierung und Flexibilität
Ein entscheidender Punkt ist die Marktanpassung. VW muss flexibler auf die sich verändernden Marktbedingungen reagieren. Der chinesische Markt, der bislang eine wichtige Säule des VW-Geschäfts war, stagniert. Hier muss VW entweder seine Präsenz diversifizieren oder neue Absatzmärkte erschließen. In diesem Zusammenhang könnte auch eine stärkere Anpassung der Fahrzeugmodelle an regionale Vorlieben und Anforderungen notwendig sein. Während in Europa das E-Auto als Zukunftstechnologie angesehen wird, setzen andere Märkte noch stark auf Verbrenner oder Hybridfahrzeuge. Flexibilität und marktspezifische Strategien könnten helfen, Umsatzeinbrüche abzufedern.
Fazit: Was VW und die Autoindustrie tun müssen
Die Krise der deutschen Autoindustrie und speziell von VW ist komplex, aber nicht unlösbar. VW muss proaktiv handeln und sich auf die Herausforderungen der Elektromobilität, der Digitalisierung und der Marktanpassung einstellen. Hierzu gehört eine umfassende Modernisierung der Produktionsprozesse, die Investition in neue Technologien und eine stärkere Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.
Gleichzeitig sollte die Politik unterstützende Rahmenbedingungen schaffen, die den Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilitätswirtschaft fördern, ohne den Markt zu verzerren. Staatliche Eingriffe sollten sich auf gezielte Anreize wie die Senkung der Strompreise und den Ausbau der Infrastruktur konzentrieren, anstatt den Konzernen direkte Hilfen zu gewähren. Langfristig muss die deutsche Autoindustrie ihre Innovationskraft zurückgewinnen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – sowohl auf dem heimischen Markt als auch international.
Kommentar hinterlassen