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Kritisches Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zu Daytrading-Angeboten

Tumisu (CC0), Pixabay
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Frage: Herr Reime, es gibt vermehrt Angebote, die versprechen, dass man mit Daytrading in wenigen Minuten schnelle Gewinne erzielen kann, wie das Beispiel von Michael Sturm. Was halten Sie von solchen Werbeaussagen?

Jens Reime: Solche Angebote klingen oft verlockend, besonders für Menschen, die nach schnellen und einfachen Wegen suchen, Geld zu verdienen. Allerdings sollte man bei solchen Versprechen extrem vorsichtig sein. Daytrading ist hochriskant und erfordert in der Regel viel mehr Wissen und Erfahrung, als solche Werbungen suggerieren. Die Behauptung, man könne „in nur 5 Minuten“ das Daytrading meistern, ist nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich. Es erweckt den falschen Eindruck, dass es sich um eine einfache Methode handelt, um kontinuierlich Gewinne zu erzielen, was nicht der Fall ist.

Frage: In der Werbung heißt es, dass man ohne Vorkenntnisse schnelles Geld verdienen kann. Wie realistisch ist das?

Jens Reime: Das ist höchst unwahrscheinlich. Daytrading erfordert ein tiefes Verständnis der Finanzmärkte, Analysesoftware und der Psychologie des Marktes. Selbst erfahrene Trader, die jahrelang an den Märkten aktiv sind, haben Schwierigkeiten, kontinuierliche Gewinne zu erzielen. Für Anfänger ohne Vorkenntnisse birgt Daytrading große Risiken, und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie Geld verlieren. Leider verschweigen viele dieser Werbungen die erheblichen Risiken, die mit Daytrading verbunden sind.

Frage: Was sagen Sie zu den Erfahrungsberichten in solchen Werbungen, in denen Leute behaupten, Tausende von Euro durch wenige Trades verdient zu haben?

Jens Reime: Erfahrungsberichte in solchen Werbungen sind oft selektiv und können irreführend sein. Sie zeigen nur die Erfolgsgeschichten, aber die Realität ist, dass viele Trader Geld verlieren – besonders Anfänger. Es gibt auch keine Garantie, dass diese Testimonials authentisch sind. Selbst wenn jemand kurzfristig Gewinne erzielt, kann dies eine Ausnahme sein und nicht die Regel. Langfristige Gewinne beim Daytrading sind äußerst schwer zu erzielen, und viele Trader verlieren letztlich mehr, als sie gewinnen.

Frage: Der Disclaimer warnt vor spekulativen Risiken. Warum sind solche Warnhinweise notwendig, und welche Bedeutung haben sie?

Jens Reime: Der Disclaimer ist aus rechtlicher Sicht notwendig, um sich gegen mögliche Ansprüche abzusichern, falls Kunden durch das Daytrading Geld verlieren. Er weist darauf hin, dass der Handel mit Finanzinstrumenten spekulativ ist und erhebliche Verluste verursachen kann. Allerdings werden solche Warnungen oft in den Hintergrund gerückt oder klein gedruckt, sodass sie von den potenziellen Kunden leicht übersehen werden. Diese Warnungen sind aber extrem wichtig, weil sie klarstellen, dass Daytrading ein riskantes Unterfangen ist und nicht die garantierte Einnahmequelle, die in der Werbung suggeriert wird.

Frage: Viele Menschen suchen nach alternativen Einkommensquellen, besonders in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten. Welche Risiken sollten sie bei Angeboten wie „Daytrading in 5 Minuten“ besonders beachten?

Jens Reime: Das größte Risiko ist, dass unerfahrene Anleger viel Geld verlieren, oft ihr gesamtes Kapital. Daytrading setzt voraus, dass man schnelle Entscheidungen unter großem Druck trifft, was zu emotionalem Handeln und impulsiven Trades führen kann. Gerade Anfänger neigen dazu, Geld zu verlieren, da sie den Marktmechanismen nicht ausreichend vertraut sind. Zudem kann der ständige Drang nach schnellen Gewinnen dazu führen, dass man höhere Risiken eingeht, was zu noch größeren Verlusten führen kann. Man sollte nie Geld investieren, das man nicht bereit ist zu verlieren, und auf solche Angebote mit großen Versprechungen eher skeptisch reagieren.

Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Menschen, die durch solche Daytrading-Angebote viel Geld verloren haben?

Jens Reime: Zunächst einmal hängt es davon ab, wie transparent das Angebot war und ob die Risiken ordnungsgemäß kommuniziert wurden. Wenn Kunden nachweisen können, dass sie durch irreführende oder falsche Versprechungen zum Handel verleitet wurden, könnten sie rechtliche Schritte gegen den Anbieter in Erwägung ziehen, z. B. durch Schadensersatzansprüche. Das kann allerdings schwierig sein, da in den meisten Fällen die Anbieter durch ihre umfassenden Disclaimern abgesichert sind. Betroffene sollten sich in jedem Fall rechtlichen Rat einholen, um ihre Möglichkeiten zu prüfen.

Frage: Was würden Sie Menschen raten, die sich für Daytrading interessieren?

Jens Reime: Ich würde jedem empfehlen, sich ausführlich zu informieren und zu lernen, bevor er oder sie mit Daytrading beginnt. Das bedeutet, sich nicht nur auf Werbeversprechen zu verlassen, sondern sich ernsthaft mit den Risiken auseinanderzusetzen. Es gibt viele Bildungsressourcen, die seriös und realistisch auf die Herausforderungen von Daytrading hinweisen. Zudem sollten Menschen niemals Geld investieren, das sie sich nicht leisten können zu verlieren. Vorsicht ist hier das oberste Gebot, denn die Realität sieht oft anders aus als das, was in der Werbung versprochen wird.

Frage: Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Reime.

Jens Reime: Gern geschehen.


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