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Kritisches Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zu den Vertriebskosten der DEGAG Kapital GmbH

Tumisu (CC0), Pixabay
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Moderator: Herr Rechtsanwalt Reime, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Die DEGAG Kapital GmbH und andere Gesellschaften des DEGAG-Konzerns weisen in ihren Jahresabschlüssen teils exorbitante Vertriebskosten auf. Beispielsweise hat die DEGAG Kapital GmbH allein im Jahr 2021 rund 4,24 Millionen Euro an Vertriebskosten ausgewiesen. Wie bewerten Sie diese Höhe der Vertriebskosten?

Reime: Vielen Dank für die Einladung. Die Höhe der Vertriebskosten ist tatsächlich alarmierend. 4,24 Millionen Euro für den Vertrieb sind in Relation zu den generierten Zinserträgen von rund 6,17 Millionen Euro ausgesprochen hoch. Wenn fast 69 Prozent der Erträge in Vertriebskosten fließen, ist das ein erhebliches Problem, das die Rentabilität und die wirtschaftliche Stabilität der Gesellschaft massiv beeinträchtigt. Solche Kostenstrukturen sind aus meiner Sicht nicht nachhaltig und werfen die Frage auf, ob hier der Vertrieb nicht wesentliche Mitverantwortung für die angespannte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft trägt.

Moderator: Würden Sie sagen, dass die wirtschaftliche Schieflage der DEGAG Kapital GmbH auch auf den Vertrieb zurückzuführen ist?

Reime: Absolut. Die Vertriebskosten sind eine zentrale Stellschraube für den wirtschaftlichen Erfolg. In diesem Fall haben wir es mit einem Vertriebsmodell zu tun, das von Anfang an mit sehr hohen Fixkosten belastet ist, insbesondere durch die Provisionszahlungen für die Vermittlung der Genussrechte und die Bestandsprovisionen. Diese Kosten fallen unabhängig davon an, wie effizient das Geschäftsmodell der Gesellschaft tatsächlich ist. Selbst in Phasen, in denen weniger Zinserträge erzielt werden, bleibt die Provisionslast konstant hoch, und das bringt die Gesellschaft in eine prekäre Lage.

Es ist klar, dass der Vertrieb hier eine Mitverantwortung trägt. Wenn ein erheblicher Teil der Mittel, die durch Anleger eingesammelt werden, in Provisionen für Vermittler fließt, statt in ertragreiche Investitionen, leidet die Substanz der Gesellschaft. Diese Struktur ist langfristig nicht tragfähig.

Moderator: Die DEGAG Kapital GmbH begründet die hohe Kostenbelastung unter anderem mit Bestandsprovisionen, die aus der Verwaltung der bereits emittierten Genussrechte entstehen. Halten Sie diese Argumentation für stichhaltig?

Reime: Teilweise ja, aber sie greift zu kurz. Es ist nachvollziehbar, dass Bestandsprovisionen für die Verwaltung der Genussrechte anfallen. Das allein rechtfertigt jedoch nicht die Höhe der Vertriebskosten. Bestandsprovisionen in Millionenhöhe sind keine Naturgewalt – sie sind das Ergebnis von Verträgen, die die Gesellschaft mit den Vermittlern abgeschlossen hat. Hier stellt sich die Frage, ob diese Verträge und die damit verbundenen Provisionsmodelle angemessen und marktüblich sind.

Wenn ich sehe, dass die Vertriebskosten nahezu unverändert hoch bleiben, obwohl sich die Gesellschaft bereits in der Rückzahlungsphase der Genussrechte befindet, dann drängt sich der Verdacht auf, dass die Gesellschaft oder der Konzern es versäumt hat, die Provisionsstruktur rechtzeitig anzupassen. Das ist ein schwerwiegendes Versäumnis, das dem Vertrieb anzulasten ist.

Moderator: Könnte man den Vertrieb also auch juristisch zur Verantwortung ziehen?

Reime: Das hängt von den Umständen ab. Juristisch wäre es möglich, den Vertrieb in die Verantwortung zu nehmen, wenn nachweisbar ist, dass die Provisionsstrukturen überhöht waren oder Anleger nicht ausreichend über die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Kosten informiert wurden. Anleger müssen wissen, wie viel von ihrem investierten Kapital tatsächlich in die geplanten Investitionen fließt und wie viel in die Taschen der Vermittler.

Sollte sich herausstellen, dass ein Großteil der eingeworbenen Mittel lediglich für den Vertrieb verwendet wurde, könnte dies als unangemessen oder gar als fehlerhafte Kapitalverwendung eingestuft werden. In solchen Fällen wäre eine Haftung des Vertriebs denkbar, insbesondere wenn nachgewiesen werden kann, dass Anleger nicht ordnungsgemäß über diese Sachverhalte aufgeklärt wurden.

Moderator: Aber müsste nicht auch die Geschäftsführung der DEGAG Kapital GmbH stärker in die Verantwortung genommen werden? Schließlich haben sie die Verträge mit dem Vertrieb abgeschlossen.

Reime: Selbstverständlich. Die Hauptverantwortung liegt immer bei der Geschäftsführung. Sie ist verpflichtet, die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft und der Anleger zu schützen. Dazu gehört auch, Verträge mit dem Vertrieb so zu gestalten, dass die Kosten im Rahmen bleiben und die Mittel effizient verwendet werden.

Die DEGAG Kapital GmbH hat hier offensichtlich Fehler gemacht, indem sie ein Vertriebsmodell zugelassen hat, das den Großteil der Erträge auffrisst. Aber die Verantwortung der Geschäftsführung entbindet den Vertrieb nicht von seiner eigenen Verantwortung. Wenn der Vertrieb bewusst hohe Provisionen durchgesetzt hat, die die Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft gefährden, könnte dies ebenfalls problematisch sein.

Moderator: Glauben Sie, dass die Anleger ausreichend über die hohen Vertriebskosten informiert wurden?

Reime: Das ist ein zentraler Punkt. Viele Anleger wissen nicht, wie viel ihres Geldes tatsächlich in den Vertrieb fließt. Wenn ich als Anleger erfahre, dass fast 70 Prozent der Zinserträge allein in Vertriebskosten gehen, dann würde ich das Geschäftsmodell sofort infrage stellen. Es gibt klare rechtliche Vorgaben, dass Anleger über sämtliche Kosten, die mit ihrer Investition verbunden sind, transparent informiert werden müssen.

Sollte sich herausstellen, dass die DEGAG Kapital GmbH oder der Vertrieb hier nicht vollständig oder sogar irreführend informiert haben, könnten daraus Ansprüche der Anleger resultieren. Es liegt eine erhebliche Informationspflichtverletzung vor, wenn Anleger nicht verstehen konnten, wie hoch die Provisionsbelastung tatsächlich ist.

Moderator: Was raten Sie Anlegern, die jetzt von der wirtschaftlichen Schieflage der DEGAG Kapital GmbH betroffen sind?

Reime: Ich rate betroffenen Anlegern, ihre Ansprüche genau prüfen zu lassen. Das gilt insbesondere für die Frage, ob sie beim Erwerb der Genussrechte vollständig über die Kostenstruktur und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt wurden. Wenn dies nicht der Fall war, könnten Schadensersatzansprüche gegen die DEGAG Kapital GmbH, den Vertrieb oder sogar einzelne Vermittler bestehen.

Außerdem sollten Anleger darauf drängen, dass die Gesellschaft klare Maßnahmen zur Kostenreduktion ergreift. Es kann nicht sein, dass Vertriebskosten in Millionenhöhe weiterlaufen, während die wirtschaftliche Substanz der Gesellschaft schwindet. Hier sind Transparenz und ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Anlegergeldern gefragt.

Moderator: Herr Reime, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.

Reime: Vielen Dank. Ich hoffe, dass dieses Gespräch Anlegern hilft, die richtigen Fragen zu stellen und ihre Rechte wahrzunehmen.

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