Lebensversicherer und Pensionskassen dürfen Nachranggläubiger nicht besserstellen als die Begünstigten aus den Versicherungsverträgen.
Die BaFin formuliert ihre Erwartungen strikter, wie Solvency-II-Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen mit und ohne Sanierungsklausel die Bedingungen von Nachrangdarlehen und sonstigen nachrangigen Verbindlichkeiten ausgestalten müssen.
Viele Versicherer nehmen Nachrangdarlehen auf bzw. begeben nachrangige Schuldverschreibungen, um ihre Eigenmittelausstattung zu stärken. In wirtschaftlich unauffälligen Zeiten ist das kein Umstand, der eines besonderen Augenmerks der Versicherungsaufsicht bedarf. Das ändert sich, wenn Entwicklungen auf dem Markt zu erkennen sind, die ein Handeln der Aufsicht zum Schutz der Begünstigten aus den Versicherungsverträgen erforderlich machen. Aus Sicht der BaFin ist dieser Punkt nunmehr erreicht.
Derzeit: Privilegierung von Nachranggläubigern gegenüber Begünstigten
Auslöser der Überlegungen der BaFin ist, dass bei vielen derzeit im Markt gebräuchlichen Nachrangbedingungen der Nachranggläubiger regelmäßig erst im Insolvenzfall in Anspruch genommen werden kann. Das unterscheidet ihn von den Begünstigten aus den Versicherungsverträgen.
Um deren Belange zu wahren, kann die Aufsicht die Insolvenz bei Lebensversicherern und Pensionskassen dadurch abwenden, dass sie Leistungskürzungen nach § 314 Absatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) anordnet oder Leistungskürzungen aufgrund der Sanierungsklausel zustimmt. Im Ergebnis führt das bei den Begünstigten zu finanziellen Einbußen.
Gleichzeitig verhindert dieser Schritt bei solchen Verträgen, dass auch Nachranggläubiger in Anspruch genommen werden. Diese Privilegierung der Nachranggläubiger ist aber mit dem gesetzlichen Auftrag der BaFin, die Belange der Begünstigten aus den Versicherungsverträgen zu schützen, nicht vereinbar.
Die Situation verschärft sich, wenn Versicherer Nachrangkapital deutlich über dem aktuell am Kapitalmarkt zu erzielenden durchschnittlichen Zinsniveau verzinsen. Begründet wird eine höhere Verzinsung von den Vertragsparteien üblicherweise sowohl mit dem in der Regel fehlenden Rating des Nachrangschuldners sowie dem höheren Ausfallrisiko, das der Nachrangabrede immanent sei.
Insbesondere das zweite Argument ist aus Sicht der BaFin nicht tragfähig: Es läuft vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Nachranggläubiger bei Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen privilegiert sind, ins Leere. Insoweit entfällt regelmäßig faktisch kein Teil der höheren Verzinsung auf eine Risikokomponente. Vielmehr erzielt der Nachranggläubiger eine Überrendite.
Formulierung bei Lebensversicherern und Pensionskassen ohne Sanierungsklausel
Die BaFin erwartet daher zukünftig, dass die Gläubiger von Nachrangkapital von Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen bereits vor Eintritt der Insolvenz in Anspruch genommen werden können.
In neuen Bedingungen für die Aufnahme von Nachrangkapital durch Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen ohne Sanierungsklausel erwartet die Aufsicht daher die folgende Formulierung, die bei nachrangigen Schuldverschreibungen entsprechend anzupassen ist:
„Der Gläubiger des Nachrangdarlehens haftet bereits vor Eintritt der Insolvenz, wenn die BaFin ansonsten eine Leistungskürzung nach § 314 Absatz 2 VAG anordnen würde. Die BaFin informiert den Nachrangdarlehengläubiger über den Eintritt des die Haftung auslösenden Ereignisses. Der Höhe nach haftet der Nachrangdarlehengläubiger so, wie er haften würde, wenn in diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. Spätestens mit Anordnung einer Leistungskürzung fällt der Gläubiger des Nachrangdarlehens vollständig aus.“
Formulierung bei Pensionskassen mit Sanierungsklausel
Bei Pensionskassen mit Sanierungsklausel wird folgende Formulierung erwartet:
„DER GLÄUBIGER DES NACHRANGDARLEHENS HAFTET BEREITS VOR EINTRITT DER INSOLVENZ, WENN DIE BAFIN ANSONSTEN EINER VON DEM UNTERNEHMEN VORGESCHLAGENEN LEISTUNGSKÜRZUNG ZUSTIMMEN ODER DIESE NACH § 314 ABSATZ 2 VAG ANORDNEN WÜRDE. DIE BAFIN INFORMIERT DEN NACHRANGDARLEHENGLÄUBIGER ÜBER DEN EINTRITT DES DIE HAFTUNG AUSLÖSENDEN EREIGNISSES. DER HÖHE NACH HAFTET DER NACHRANGDARLEHENGLÄUBIGER SO, WIE ER HAFTEN WÜRDE, WENN IN DIESEM ZEITPUNKT DAS INSOLVENZVERFAHREN ERÖFFNET WORDEN WÄRE. SPÄTESTENS MIT ANORDNUNG EINER LEISTUNGSKÜRZUNG FÄLLT DER GLÄUBIGER DES NACHRANGDARLEHENS VOLLSTÄNDIG AUS.“
Bei nachrangigen Schuldverschreibungen ist die Klausel entsprechend anzupassen.
Ferner ist sicherzustellen, dass es keinen Widerspruch zwischen der Satzung und der genannten Klausel gibt.
Vorgehen bei Neu- und Altverträgen
Die BaFin weist darauf hin, dass sowohl Lebensversicherungs-unternehmen als auch Pensionskassen die Bedingungen für Nachrangverbindlichkeiten künftig vorab im Entwurf vorzulegen haben.
Um prüfen zu können, ob der vereinbarte Zinssatz einem Dritt-Vergleich standhält, müssen die Unternehmen der BaFin nachvollziehbar darlegen, wie sie ihn ermittelt haben. Entsprechende Unterlagen müssen sie zusammen mit dem Entwurf der Nachrangbedingungen rechtzeitig vor dem geplanten Abschluss bzw. der geplanten Emission vorlegen.
Die BaFin wird mit den Unternehmen in Kontakt treten, die bereits Nachrangdarlehen aufgenommen bzw. nachrangige Schuldverschreibungen begeben haben und auf eine entsprechende Änderung hinwirken, sollten die Bedingungen Nachranggläubiger privilegieren.
Eine solche aufsichtlich veranlasste Änderung wirkt sich nicht auf einen etwaig bestehenden Bestandsschutz nach § 234 g Absatz 3 Satz 1 i.V.m. § 214 Absatz 8 VAG für Pensionskassen bzw. § 345 VAG für Solvency-II-Lebensversicherungsunternehmen für zu ändernde Altverträge aus.
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