Jedes Gerät ein Testsieger! Diesen Eindruck bekommen Verbraucher, wenn Hersteller und Handel ihre Technik-Ware anpreisen. Abertausende Siegel von Hunderten verschiedenen Testern und Instituten bescheinigen scheinbare Spitzenqualität.
Doch die Verbraucherzentrale NRW warnt vor fragwürdigen Empfehlungen ohne Transparenz.
Die meisten Kunden orientierten sich bei ihrer Kaufentscheidung an Testergebnissen und -logos. Ein gutes Urteil kann den Absatz einer Ware massiv nach oben puschen. Die Folge: Eine Flut von Signets überschwemmt den Markt. Kaum ein Technik-Produkt bleibt da außen vor – ob Flachbildfernseher oder Beamer, ob Digital-Kamera oder Handy.
Die Konkurrenz unter den Testern ist groß. Benotungen kommen von der Stiftung Warentest, von Ökotest und Testmagazin. Eigene Siegel verbreiten Fachzeitschriften wie Chip, Connect oder Computerbild. Auch weniger Bekannte sind mit ihren Logos am Start: vom Onlinemagazin Au-Ja.de bis zur Hochglanz-Zeitschrift SFT. Insgesamt seien, so schätzen Kenner der Szene, weit über 500 unterschiedliche Prüfer am Werk.
Die Werbung mit Testsiegeln hat bereits das höchste Gericht erreicht. Erste Mindestanforderungen hat der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 50/07) im Januar dieses Jahres gesetzt. Es sei ein Gebot der Sorgfalt, dass die Fundstelle jedes Tests eindeutig und leicht zugänglich angegeben werde. Verbraucher müssten stets die Möglichkeit erhalten, testbezogene Werbung zu überprüfen und im Gesamtzusammenhang zu bewerten.
Doch die Praxis sieht oft anders aus. Das zeigen Beobachtungen der Verbraucherzentrale NRW. So ist der Sieger-Bericht der Zeitschrift SFT über einen Drucker vom November 2009 laut SFT-Leserservice „nicht mehr lieferbar“ – weder online noch als Printversion.
Fehlanzeige auch bei Chip. Der per Siegel ausgewiesene und vielfach beworbene „Testsieg“ einer beliebten Spiegelreflexkamera (Canon EOS 500D), angeblich im Februar in der Onlineausgabe erstritten, lässt sich ein halbes Jahr später, so die Auskunft der Redaktion, „nirgendwo belegen“.
Dass Chip die Übersicht verliert, verwundert nicht. Beispiel gefällig: Die Amazon-Seite für den „HP Officejet 6000“. Diesen Drucker schmückten dort gleich ein Dutzend Leistungsorden. Allein elf kommen aus dem Testlabor vom Chip-Verlag. Dessen Ableger Test & Kauf feiert den Drucker insgesamt neunmal als „Testsieger“ oder für „Platz 1“, Chip wiederum bejubelt ein „sehr gut“ sowie einen zweiten Platz.
Der Verlag hat durchaus noch mehr im Angebot: etwa die Logos „Preistipp“ , „Kauftipp“ oder „Energietipp“. Obendrein hält ein so genanntes „dynamisches Testverfahren“ die rege Plaketten-Produktion in Schwung. Dabei wandern die einzelnen Testergebnisse zu einem Produkt in eine zentrale Datenbank. Dort können sie jederzeit neu ausgewertet werden: auch unter neuer Schwerpunktsetzung und Gewichtung.
Das hat Folgen. Eine Kamera beispielsweise, die nie einen Vergleichs-Check gewonnen hat, kann Monate später plötzlich die aktuelle Chip-„Bestenliste“ einer Produktreihe anführen und damit doch noch „Test-Sieger“ werden.
Auch der Verlag Weka Media Publishing beherrscht das „dynamische“ Testen, das die im Internet angezeigten Bestenlisten stets neu mischt. Immerhin verzichtet der Verlag laut eigener Aussage dabei auf die Vergabe von Siegeln. Unternehmen werden es verschmerzen, bei all den „Tipp“- und „Sieger“-Auszeichnungen, die von Fachzeitschriften wie Connect und Colorfoto, wie PC-Magazin, Stereoplay und Video Home Vision verteilt werden.
So schaffen es die fleißigen Tester, dass Hersteller ihre Kundschaft mit Spitzen-Urteilen zu ihren Produkten geradezu bombadieren können. Die Firma Canon beispielsweise präsentierte im Oktober auf ihren Internetseiten neun aktuelle Spiegelreflexkameras: Acht davon waren reichlich mit Siegeln verschiedenster Prüfer verziert, teilweise mit bis zu 15 pro Modell.
Das ganze System besteht aus Geben und Nehmen. Hersteller liefern das Gros der Testgeräte und dürfen im Gegenzug kostenlos (Computerbild/Weka) oder gegen eine Servicepauschale von 75 Euro pro Siegel (Chip) mit Logos und Benotungen werben.
Die Zeitschrift Testmagazin verlangt je Signet 400 Euro. Soll der komplette Testbericht auf einer Webseite veröffentlicht werden, sind 1750, fürs Erscheinen auf mehreren Seiten 11.500 Euro fällig: jeweils ohne Mehrwertsteuer.
Auch die Stiftung Warentest (500 Euro) und Ökotest (300 Euro) kassieren für die Verwendung ihrer Logos. Beide beschaffen Geräte anonym auf eigene Rechnung und verzichten auf kreative Siegelvermehrung.
Kompakt vereint finden sich die Logos auf den Internetseiten spezieller Testsammler. Dazu zählen etwa AlaTest.de und Testberichte.de, Testeo.de und Testsieger.de; dazu zählen Preissuchmaschinen wie Guenstiger.de und Idealo.de. Mal locken die Portale mit einem Fundus von 330.000 (Testberichte.de), mal mit elf Millionen (AlaTest.de) Einkaufshilfen. Alles auf Abruf: Einfach das Produkt in die Suchmaske eingeben.
Bei beliebten Geräten der Unterhaltungselektronik, bei Kameras und Handys werden dem Kunden oft Dutzende Tests angezeigt, in der Spitze können es durchaus fast 100 aus der ganzen Welt sein – wohlgemerkt: pro Produkt.
Wichtig dabei ist die Addition der einzelnen Testurteilen zu einer neuen Gesamtnote. Für deren Gewichtung und Relevanz hat jedes Portal seinen eigenen Bewertungsschlüssel. Da unterscheidet der eine Betreiber „Top-Quellen“ von weniger wichtigen, da fließen bisweilen gar „Käufermeinungen zu 25 Prozent“ in den Portal-Score ein.
Verständlich daher, dass der mit Vorsicht zu genießen ist. Denn zumeist pendelt die Mixtur aus Qualitäts- und Möchte-gern-Tests umgerechnet nahe der Schulnote „2“. Und mit dieser guten Note kann dann – oft wieder gegen Siegel-Bezahlung – tüchtig die Reklametrommel geschlagen werden.
Merkwürdig nur: Oftmals finden sich auf einem Sammel-Portal fürs selbe Gerät die unterschiedlichsten Bewertungen. Ein Tintenstrahldrucker etwa, den die Zeitschrift PC Go als „sehr gut“ feierte, schnitt bei PC Welt nur „ausreichend“ ab.
Ein MP3-Spieler zählt mal zur „Oberklasse“, mal bekommt er gerade noch ein „ausreichend“. Ein Mini-Camcorder wiederum wird mit Noten zwischen 1,6 und 4,0 gelistet.
Auffällig auch: Immer wieder weichen die Benotungen der renommierten Stiftung Warentest von anderen Prüfern deutlich ab. Während die Zeitschrift SFT ein MP3-Portable aufgrund seines „farbstarken Bildschirms“ mit „sehr gut“ zum Testsieger kürte, monierte Stiftung Warentest nur einen Monat später ein „mäßiges Bild“ – und urteilte mit „ausreichend“.
Für Verbraucher, die sich nur flüchtig informieren, ist all das schwer zu durchschauen. Wer sich allein von den vielen Sieger-Logos auf den Hersteller- und Händler Seiten blenden lässt, dem drohen Reinfälle. Wichtig vor dem Kauf ist es deshalb, an erster Stelle Tests von unabhängigen Prüfinstituten zu berücksichtigen.
Zudem sollten die Logo-Vergeber zur Vermeidung von irreführender Werbung auf die Einhaltung von Nutzungsregeln achten.Firmen, die dagegen verstoßen, drohen etwa bei der Stiftung Warentest und Computerbild „Abmahnung und gerichtliche Schritte“.
Quelle: VBZ NRW
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