Das Land Nordrhein-Westfalen hat es in zwei Fällen zu Recht abgelehnt, Fleischverarbeitungsunternehmen eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass diese Mitarbeiter weiter bezahlt hatten, die sich nach Corona-Ausbrüchen im Betrieb im Frühjahr 2020 in häuslicher Quarantäne befanden. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit heute verkündeten Urteilen in zwei Musterverfahren entschieden und damit Urteile der Verwaltungsgerichte Minden und Münster aufgehoben.
Die Klägerinnen setzten als Subunternehmen ihre Arbeitnehmer bei großen fleischverarbeitenden Betrieben in Rheda-Wiedenbrück und Coesfeld ein. Dort kam es im Mai bzw. Juni 2020 zu SARS-CoV-2-Ausbruchsgeschehen. Die Behörden schlossen daraufhin die Betriebe und ordneten gegenüber dort tätigen Arbeitnehmern der Klägerinnen die Absonderung in häusliche Quarantäne an. Die Klägerinnen gingen davon aus, ihre Arbeitnehmer hätten deshalb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes einen Anspruch auf Entschädigung wegen Verdienstausfalls und zahlten diese ‑ entsprechend der gesetzlichen Grundkonzeption – für die zuständige Behörde an ihre Arbeitnehmer aus. Die sodann von den Klägerinnen gestellten Anträge auf Erstattung dieser Entschädigungen lehnte das Land ab. Die Verwaltungsgerichte Minden und Münster gaben den Klagen statt. Die dagegen gerichteten Berufungen des beklagten Landes waren nun erfolgreich.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende des 18. Senats aus: Eine Erstattung gezahlter Verdienstausfallentschädigungen kommt nur dann in Betracht, wenn die jeweiligen Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung des Arbeitslohns gegen ihren Arbeitgeber haben. Ein solcher Anspruch besteht indes in beiden Fällen. Entscheidend ist insofern nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch im Wesentlichen, ob der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmer ihre Quarantäne verschuldet haben. Die Ausfallzeiten betreffen mit jeweils weniger als sechs Wochen jedenfalls bei – wie hier – unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnisse außerhalb der Probezeit eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Das Gericht knüpft dabei an eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einem vergleichbaren Fall an, der sich an der 6-Wochen-Frist für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall orientiert hatte.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung jeweils die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Aktenzeichen: 18 A 563/22 (I. Instanz: VG Minden 7a K 424/21), 18 A 1460/22 (I. Instanz: VG Münster 5a K 854/21)
Hinweis:
Bei den Verwaltungsgerichten Münster und Minden sind noch rund 7.000 Klagen aus diesem Themenkomplex anhängig.
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