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Landgericht Berlin: Vorlagebeschluss Lignum Gruppe wegen Prospekthaftung

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Landgericht Berlin

Az.: 11 OH 7/17 KapMuG

Vorlagebeschluss

In Sachen

der/des
vom Kammergericht nach § 9 Abs. 2 KapMuG zu bestimmenden
Musterklägerin/ Musterklägers

Prozessbevollmächtigte:
TILP Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H., Einhornstr. 21, 72138 Kirchentellinsfurt

gegen

1)

Dr. Andreas Nobis, ul. Kiril i Metodiy Nr. 4, Pet Kladenci 7119, Bulgarien

2)

Alexander Nobis, Etage 1, Kurfürstenstraße 21, 10785 Berlin

3)

Andreas Rühl, Bruckäckerweg 15, 72770 Reutlingen

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Schukran, Schudnagies & Krüger, Schlüterstraße 42, 10707 Berlin

Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte v. Einem & Partner mbB, Schlachte 3 – 5, 28195 Bremen

Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte Wüterich, Breucker, Charlottenstraße 22, 70182 Stuttgart

hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 11 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Gollan, die Richterin Dr. Mengelkoch und den Richter am Landgericht Dr. Mazzante am 25.03.2019 beschlossen:

Dem Kammergericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele zur Durchführung eines Musterverfahrens vorgelegt:

I. Feststellungsziele:

1.)

Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen ,,NobilisPriva“ in der Fassung vom 01.11.2012, 01.11.2013, 20.01.2015 und/oder 15.10.2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/ oder unvollständig ist, da er – jeweils und/oder –

a)

auf ein bestehendes Totalverlustrisiko nicht hinweist,

b)

die Werthaltigkeit der dinglichen Sicherheit fehlerhaft darstellt, indem der Prospekt nicht darauf hinweist, dass das bulgarische Pfandrecht nach Art. 30 Abs. 2 Gesetz über das besondere Pfandrecht vom 08.11.1996 alle fünf Jahre im Register erneuert werden muss und es andernfalls hinfällig wird,

c)

keine Ausführungen zum Schlüsselpersonenrisiko enthält,

d)

keine Ausführungen zur Tätigkeit des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der insolventen Torc-Bau GmbH enthält,

e)

keinen Hinweis auf die nicht vorhandene KWG-Genehmigung nach § 32 KWG enthält.

2.)

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) wegen ihrer Funktion als Organ der Vertragsgesellschaften der Rundholzkäufer der Lignum Gruppe für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich sind.

3.)

Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1 aufgeführten Prospektmängel für die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) erkennbar waren.

II. Lebenssachverhalt:

Die jeweiligen Kläger haben auf Basis der genannten Prospekte einen Kaufvertrag über den Kauf von europäischem Edelholz geschlossen, wobei der Kaufpreis sogleich nach Vertragsschluss fällig war, die Lieferung aber erst viele Jahre später folgen sollte und sich die Vertragspartnerin, eine Gesellschaft der Lignum Gruppe, verpflichtete, im jeweiligen Lieferjahr das Holz zum aktuellen Marktpreis zu verkaufen und den Erlös den Klägern zukommen zu lassen.

Die Beklagten zu 1) bis 3) waren Vorstände bzw. Geschäftsführer der Gesellschaften der Lignum Gruppe, deren Obergesellschaft die Lignum Holding AG war. Der Beklagte zu 1) war zunächst Vorstand der Lignum Holding AG, aufgrund Gesellschafterbeschluss vom 17.06.2013 formwechselnd umgewandelt in Lignum Holding GmbH. Der Beklagte zu 2) wurde am 06.04.2011 als Vorstand der Lignum Holding AG im Handelsregister eingetragen und war außerdem Geschäftsführer verschiedener anderer mit ihr verbundener Gesellschaften. Der Beklagte zu 3) war Vorstand der Lignum Edelholz Investitionen AG, später firmierend als Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG und wiederum später als Lignum Sachwert Edelholz AG.

Die Kläger machen geltend, der Beratung und Zeichnung habe einer der angeführten Prospekte zugrunde gelegen. Dieser sei aus den oben genannten Gründen fehlerhaft, was für die Beklagten auch erkennbar gewesen sei. Wäre der Prospekt vollständig und richtig gewesen, hätten sich die Kläger gegen den Abschluss des Kaufvertrages entschieden, weshalb die Beklagten den Kaufpreis zu erstatten hätten.

Gründe:

I.

Das Landgericht Berlin ist für die Entscheidung über die Musterverfahrensanträge nach § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig, weil hier ausweislich des Klageregisters der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde.

II.

Es ist gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG eine Entscheidung des Kammergerichts über die veröffentlichten Feststellungsziele herbeizuführen, weil zehn gleichgerichtete Musterverfahrensanträge im Klageregister veröffentlicht wurden:

11 O 95/17 11 OH 1/17 KapMuG
11 O 117/17 11 OH 7/17 KapMuG
11 O 77/18 11 OH 11/18 KapMuG
11 O 286/18 11 OH 48/18 KapMuG
11 O 287/18 11 OH 47/18 KapMuG
11 O 296/18 11 OH 17/18 KapMuG
11 O 292/18 11 OH 19/18 KapMuG
11 O 302/18 11 OH 44/18 KapMuG
11 O 298/18 11 OH 34/18 KapMuG
11 O 306/18 11 OH 28/18 KapMuG

Es sind zudem allein bei dieser Kammer folgende weitere gleichgerichtete Musterverfahrensanträge anhängig, von deren Veröffentlichung gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG abgesehen wurde:

11 O 291/18 11 OH 21/18 KapMuG
11 O 294/18 11 OH 36/18 KapMuG
11 O 295/18 11 OH 18/18 KapMuG
11 O 299/18 11 OH 37/18 KapMuG
11 O 305/18 11 OH 49 /18 KapMuG
11 O 314/18 11 OH 45/18 KapMuG
11 O 325/18 11 OH 64/18 KapMuG
11 O 326/18 11 OH 77/18 KapMuG
11 O 334/18 11 OH 55/18 KapMuG
11 O 340/18 11 OH 75/18 KapMuG
11 O 342/18 11 OH 60/18 KapMuG
11 O 345/18 11 OH 57/18 KapMuG
11 O 351/18 11 OH 62/18 KapMuG
11 O 368/18 11 OH 1/19 KapMuG

Die Anträge sind ungeachtet des Umstandes, dass sie teilweise Prospekte zum Gegenstand haben, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten herausgegeben wurden, deshalb als gleichgerichtet im Sinne des § 6 Abs. 1 KapMuG anzusehen, weil jeweils der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Das prospektierte Angebot ist im Kern unverändert über Jahre hinweg aufgelegt worden.

Es ist auch unschädlich, dass das in § 6 Abs. 1 KapMuG bestimmte Zeitfenster nicht gewahrt worden ist, weil die der ersten Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrages am 11. Juni 2018 nachfolgende Veröffentlichung gleichgerichteter Musterverfahrensanträge nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgte. Auch die nachfolgend veröffentlichten Musterverfahrensanträge lagen dem Gericht nämlich schon innerhalb der in § 6 Abs. 1 bestimmten Frist vor und konnten nur aus gerichtsinternen Gründen nicht innerhalb der in § 3 Abs. 3 KapMuG bestimmten Frist veröffentlicht werden.

Die im Tenor genannten Feststellungsziele fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG und der zugrunde liegende Rechtsstreit hängt gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG von den geltend gemachten Feststellungszielen ab. Sofern in dem Musterverfahren festgestellt würde, dass die gerügten Prospektfehler vorliegen und die Beklagten dies hätten erkennen müssen, käme eine Haftung der Beklagten als Prospektverantwortliche in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.

 

Gollan                Dr. Mengelkoch                Dr. Mazzante

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