Landgericht HamburgAz.: 318 OH 1/18 Beschluss– In der Sache Musterkläger (gem. § 9 Abs. 2 KapMuG vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu bestimmen) – Antragsteller –Prozessbevollmächtigte: gegen
– Antragsgegnerin –
– Antragsgegnerin –
– Antragsgegner –Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3: – beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 18 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Gravesande-Lewis, den Richter am Landgericht Rüther und den Richter am Amtsgericht Serra-Kleineidam am 05.09.2018: –
– Gründe:– I.Die Antragsteller in den unter Ziffer II. 3. genannten Verfahren begehren die Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Schiffsfonds im Wege des Schadensersatzes aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung von den Antragsgegnern als Gründungskommanditisten einer Publikums-KG. Die Antragsteller zeichneten jeweils über die HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH als Treuhandkommanditistin eine mittelbare Beteiligung an der Beteiligungsgesellschaft Rudolf Schepers Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS „Johannes-S.“. Grundlage des Beteiligungsangebots war der am 31. August 2007 von der HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, aufgrund einer formwechselnden Umwandlung seit 2012 firmierend als HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, aufgestellte und am 19.09.2007 veröffentlichte Emissionsprospekt HCI Johannes S. Das Fondskonzept sah den Erwerb und Betrieb eines Containerschiffes der Größenklasse 2.500 TEU vor. Gemäß § 3 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages (Seite 82 des Prospekts) waren die Antragsgegner Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft. Die Antragsgegner zu 2) und 3) waren/sind zugleich Kommanditisten der Antragsgegnerin zu 1). Die Antragsteller tragen vor, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft, weil er in erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend sei und insbesondere die in den tenorierten Feststellungszielen aufgeführten Mängel aufweise. Sie sind der Ansicht, die Antragsgegner hafteten ihnen gegenüber nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Die Antragsteller beantragen,
Die Antragsgegner beantragen,
Sie tragen vor, der Musterverfahrensantrag sei unzulässig. Die Antragsteller hätten nicht hinreichend dargetan, dass der Emissionsprospekt als Kapitalmarktinformation die Grundlage für ihren Beitritt zur Fondsgesellschaft gewesen sei. Sie hätten nicht belegt, dass sie die von ihnen zu erbringenden Einlagen geleistet hätten. Wegen der ihrerseits erhobenen Einrede der Verjährung fehle es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Feststellungsanträge. Die Verjährung sei insbesondere mangels hinreichender Vollmacht nicht durch den bei der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter mit anwaltlichem Schriftsatz durch die jetzigen Klägervertreter eingereichten Güteantrag gehemmt worden. II.1. Das Landgericht Hamburg für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG nicht gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind bis zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses keine gleichgerichteten Musterverfahrensanträge bekannt gemacht worden. 2. Der Musterverfahrensantrag ist in seinen Feststellungszielen statthaft, denn die geltend gemachten Anträge fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Es werden vorliegend insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG musterverfahrensfähig sind. Bei den Angaben aus dem Emissionsprospekt „HCI Johannes S“ handelt es sich um eine öffentliche Kapitalmarkinformation i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 KapMuG. 3. Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Bekanntmachung der einzelnen Musterverfahrensanträge im Klageregister abgesehen, weil die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bereits vorliegen. Es liegen bei der Kammer mindestens 17 anhängige Verfahren mit gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen mit folgenden Aktenzeichen vor: 318 O 39/18 (zuerst anhängiger Musterfeststellungsantrag) 318 O 40/18 318 O 41/18 318 O 42/18 318 O 43/18 318 O 44/18 318 O 45/18 318 O 46/18 318 O 51/18 318 O 57/18 318 O 103/18 318 O 144/18 318 O 146/18 318 O 147/18 318 O 150/18 318 O 151/18 318 O 153/18 4. Die Musterverfahrensanträge sind mit ihren geltend gemachten Feststellungszielen zulässig, denn die Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten hängt von den Feststellungszielen ab (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG). a) Die Feststellungsziele zu Ziffer I. des Tenors sind nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Insbesondere ist das Feststellungsziel der Haftung der Antragsgegner wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Es betrifft die Frage, ob sie für Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne haftbar gemacht werden können, was zulässig ist. b) Die Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten ist von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängig. Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dies nicht der Fall sei, weil nicht hinreichend dargetan worden sei, dass der Emissionsprospekt überhaupt die Grundlage für den Beitritt zu Fondsgesellschaft gewesen sei. Die Antragsteller haben unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Prospekt den Anlagevermittlern/Beratern jedenfalls als Arbeitsgrundlage gedient habe. Dies wäre ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 17.04.2018 – II ZR 265/16, Rn. 23 ff., zitiert nach juris). Zudem sind die Antragsgegner dem nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Die Antragsgegner können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsteller nicht dargetan hätten, dass sie die von ihnen zu erbringenden Einlagen geleistet hätten. Zwar belegt das jeweils vorgelegte Zertifikat nur die Höhe der Beteiligung an der Fondsgesellschaft, nicht auch die Einzahlung der Beteiligungssumme, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Zertifikate teilweise noch gar nicht fällig war. Die Antragsteller haben – unstreitig – Ausschüttungen erhalten, woraus sich ergibt, dass sie ihre Einlagen vollständig geleistet haben. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die Fondsgesellschaft Ausschüttungen an (mittelbare) Kommanditisten leistet, wenn diese ihre Einlage noch nicht erbracht haben. Das pauschale Bestreiten der Antragsgegner ist daher unbeachtlich. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner sind etwaige Schadensersatzansprüche der Antragsteller auch nicht verjährt. Die Kammer folgt der Auffassung der Antragsgegner nicht, dass aufgrund der Übersendung der Schreiben vom 29.10.2009 (Anl. B 02) und 03.12.2010 (Anl. B 03) nebst Anlagen gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB „sämtliche“ Schadensersatzansprüche verjährt seien, da der Anleger durch die Schreiben über die negative Entwicklung des Schiffsmarkts informiert worden sei (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 02.07.2015 – III ZR 149/14, Rn. 14, zitiert nach juris). Für die Beurteilung der Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den seinen Anspruch begründenden Umständen gemäß § 199 Abs. 1 BGB ist jeder vorgetragene Prospektfehler getrennt zu prüfen und jede darauf beruhende Pflichtverletzung verjährungsrechtlich selbständig zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2017 – III ZR 139/15, Rn. 19, zitiert nach juris). Von welchen (behaupteten) Prospektfehlern/Pflichtverletzungen die Antragsteller durch die Schreiben vom 29.10.2009 und 03.12.2010 Kenntnis erlangt haben sollen, tragen die Antragsgegner jedoch nicht im Einzelnen vor. Auch liegt keine kenntnisunabhängige Verjährung gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor. Die Verjährung ist jeweils durch den mit anwaltlichem Schriftsatz bei der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter eingereichten Güteantrag des jeweiligen Antragstellers wirksam gehemmt worden. Ob die den Güteanträgen beigefügte Vollmacht der Prozessvertreter der Antragsteller auch die Bevollmächtigung zur Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens gegen die Antragsgegner umfasst, bedarf keine Entscheidung. Um die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen, muss der Güteantrag die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden (BGH, Beschluss vom 04.05.2016 – III ZR 100/15, Rn. 3, zitiert nach juris). Nach § 3 Abs. 1 S. 9 der von der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter erlassen Verfahrensordnung (Stand 04/2014) ist bei anwaltlicher Vertretung die schriftliche Vollmacht beizufügen oder auf Antrag nachzureichen. Die Regelung ist dahingehend auszulegen, dass bei anwaltlicher Vertretung des Antragstellers – in Parallele zu §§ 80, 88 ZPO – eine Prüfung der Vollmacht regelmäßig nur auf „Antrag des Antragsgegners“ erfolgt (BGH, a.a.O., Rn. 5 ff, zitiert nach juris). Es wäre daher unschädlich, wenn die den Güteanträgen beigefügte Vollmacht nicht auch die Bevollmächtigung zur Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens gegen die Antragsgegner beinhaltet, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Antragsgegner einen Mangel der Vollmacht gegenüber der Gütestelle geltend gemacht haben. Dass die jetzigen Klägervertreter von den Antragstellern auch tatsächlich mit der Einleitung und Durchführung der Güteverfahren beauftragt wurden, haben die Antragsteller unter Beweisantritt vorgetragen. RechtsbehelfsbelehrungDer Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG.
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