Landgericht Hamburg
Az.: 333 OH 1/20
● Beschluss
In der Sache
der vom Hanseatischen Oberlandesgericht nach § 2 KapMuG zu bestimmenden Musterkläger
– Antragsteller –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Reimer Wirtschaftskanzlei, Lübecker Straße 101, 22087 Hamburg
gegen
1) NORDCAPITAL Emissionshaus GmbH & Cie. KG, vertreten durch ihre Geschäftsführung, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg
– Antragsgegnerin –
2) NORDCAPITAL Shipping GmbH & Cie.KG, vertreten durch ihre Geschäftsführung, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg
– Antragsgegnerin –
3) NORDCAPITAL Treuhand GmbH & Cie. KG, vertreten durch ihre Geschäftsführung, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg
– Antragsgegnerin –
4) NORDCAPITAL Beteiligungen GmbH & Cie. KG, vertreten durch ihre Geschäftsführung, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg
– Antragsgegnerin –
Prozessbevollmächtigte zu 1 – 4:
Rechtsanwälte Ebner, Stolz, Mönning, Bachem, Ludwig-Erhard-Straße 1, 20459 Hamburg
beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 33 – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Stolzenburg, die Richterin am Landgericht Lübbe und die Richterin am Landgericht D. Bornmann am 19.02.2020:
I.
Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Beteiligungsangebotes NORDCAPITAL Offshore Fonds 4 GmbH & Co. KG in der Fassung vom 23. Februar 2009 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er (jeweils und/oder)
1. die historischen Zeitcharterraten für große PSV, aufgrund derer die künftige Charterprognose erstellt wurde, auf den Seiten 45 und 46 des Verkaufsprospektes unzutreffend, irreführend und unvollständig dargestellt sind, indem in unzureichender Weise für Plattformversorgungsschiffe in der Größe der Fondsschiffe lediglich historische Zeitcharterraten ab dem Jahr 2006 in der Nordsee zugrunde gelegt wurden,
a. obwohl auch in den Jahren vor 2006 valide Daten bezüglich der erzielten Charterraten für Schiffe der Größenordnung der Fondsschiffe Vorlagen bzw. bei Analysehäusern ohne weiteres hätten erfragt werden können,
b. ohne darauf hinzuweisen, dass auch für die Jahre vor 2006 separates Datenmaterial für Schiffe der Größenordnung der Fondsschiffe grundsätzlich vorlag, also (entgegen den Darstellungen im Verkaufsprospekt) ohne Vermengung mit einer Vielzahl von Charterabschlüssen von mittelgroßen PSV.
2. bei der Fondslaufzeit von mindestens 18 Jahren deutlich mehr als nur die letzten drei Jahre der historischen Zeitcharterraten vor Prospekterstellung zugrunde legen musste. Ein Rückblick auf lediglich drei Jahre lässt die Prognose nicht auf sorgfältig ermittelte Tatsachen beruhen, wie es vom BGH in gefestigter Rechtsprechung gefordert wird. Die (lediglich) letzten drei Jahre vor Prospekterstellung waren auch nicht vertretbar, um eine vorsichtige Kalkulation vorzunehmen. Denn diese drei Jahre waren ausgerechnet die Jahre mit den höchsten Charterraten. Also ausschließlich anhand dieser drei Höchstwerte eine Prognose für den langen Zeitraum von 18 Jahren in einem stark volatilen Markt abzuleiten, ist verfehlt. Von einem Prospektherausgeber ist bei Prognosen über einen langen Zeitraum zu erwarten, dass er die Prognosen aus den Erfahrungen in der Vergangenheit für die Zukunft vorsichtig kalkuliert. Dazu allerdings muss der Blick in die Vergangenheit um weit mehr Jahre als lediglich drei gerichtet werden, um die Schwankungen bestmöglich in der Prognose abzubilden.
3. die Prognose lediglich anhand von Nordseedaten aufstellt. Damit erweckt der Verkaufsprospekt den Eindruck, dass ausschließlich die Werte der Nordsee für dieses Beteiligungsangebot relevant seien.
4. nicht darauf hinweist, dass die auf den Seiten 45 und 46 des Verkaufsprospektes zugrunde gelegten Charterraten nur exemplarisch dargestellt wurden.
5. keine historischen Charterraten anderer potenzieller Einsatzgebiete – insbesondere Westafrika – abbildet und der Prognose zugrunde legt.
6. nicht darstellt, wie die kalkulierten Schiffsbetriebskosten auf Seite 64 des Verkaufsprospektes zustande kommen. Die Herleitung bzw. Zugrundelegung des prospektierten Ausgangswertes von USD 8.750,00 ist nicht nachzuvollziehen.
7. für die Kalkulation der Schiffsbetriebskosten anstatt USD 8.750,00 einen anfänglichen Wert in Höhe von USD 9.940,00 hätte zugrunde legen müssen.
8. mit deutlich zu niedrigen Dockungsreserven kalkuliert. Der Verkaufsprospekt kalkuliert mit einer Reserve für die Dockungen in den ersten fünf Jahren pro Schiff in Höhe von rund USD 700.000. Tatsächlich aber beliefen sich in den Jahren 2007- 2009 die durchschnittlichen Dockungskosten von großen PSV in der Nordsee auf USD 940.000,00 pro Schiff. Nimmt man sogar den Durchschnitt der Gebiete Nordsee, Gran Canaria, Westafrika und Brasilien, so gelangt man zu durchschnittlichen Dockungskosten in Höhe von USD 947.500 pro Schiff.
II.
Die auf die Herbeiführung eines Musterentscheides gerichteten Anträge zu 1.2, 2. und 3. werden zurückgewiesen.
III.
Der Vorlagebeschluss und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.
Gründe:
I.
Die Antragsteller nehmen als Kläger/innen in den Ausgangsverfahren (333 O 243,244,245,246,247,248,249,250,251,253,254/18 und 333 O 9/19 die Beklagten auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch.
Die Kläger/innen der Ausgangsverfahren und hiesigen Antragsteller/innen zeichneten im Jahr 2009 jeweils eine „Beitrittserklärung Nordcapital Offshore Fonds 4“, mit der sie die Beklagte zu 3) als Treuhänderin beauftragten, für sie jeweils einen Kommanditanteil an der Beteiligungsgesellschaft zu erwerben.
Die Antragsteller beteiligten sich in folgender Höhe:
Az.: 333 O | Beteiligung in Höhe von | Agio | Streitwert |
243/18 | 20.000,00 | 1.000,00 | 21.000,00 |
244/18 | 15.000,00 | 750,00 | 15.750,00 |
245/18 | 20.000,00 | 20.000,00 | |
246/18 | 20.000,00 | 20.000,00 | |
247/18 | 20.000,00 | 1.000,00 | 21.000,00 |
248/18 | 30.000,00 | 1.500,00 | 31.500,00 |
249/18 | 15.000,00 | 750,00 | 15.750,00 |
250/18 | 25.000,00 | 1.250,00 | 26.250,00 |
251/18 | 50.000,00 | 2.500,00 | 52.500,00 |
253/18 | 40.000,00 | 2.000,00 | 42.000,00 |
254/18 | 10.000,00 | 500,00 | 10.500,00 |
9/19 | 15.000,00 | 750,00 | 15.750,00 |
Außerdem sind 15 weitere identische Klagen von Anlegern bei der Kammer anhängig.
252/18 | 20.000 | 1.000 | 21.000 |
10/19 | 20.000 | 20.000 | |
11/19 | 20.000 | 1.000 | 21.000 |
12/19 | 15.000 | 15.000 | |
25/19 | 15.000 | 300 | 15.300 |
26/19 | 20.000 | 20.000 | |
34/19 | 15.000 | 750 | 15.750 |
38/19 | 15.000 | 15.000 | |
56/19 | 15.000 | 750 | 15.750 |
57/19 | 15.000 | 750 | 15.750 |
82/19 | 20.000 | 1.000 | 21.000 |
84/19 | 30.000 15.000 |
375 | 45.375 |
103/19 | 20.000 | 1.000 | 21.000 |
107/19 | 200.000 | 200.000 | |
108/19 | 400.000 | 400.000 |
Über das Beteiligungsangebot wurde ein Emissionsprospekt „Nordcapital Offshore Fonds 4“ vom 23. Februar 2009 herausgegeben.
Das Fondskonzept der Beteiligungsgesellschaft sah vor, dass diese sich an zwei Plattformversorgungsschiffen und zwar an den Schiffen MS „E.R. Athina“ und an der MS „E.R. Georgina“ beteiligt. Die Schiffe waren dafür bestimmt, Zulieferdienste für Bohr- und Fördereinheiten auf See (Offshore) zu leisten.
Die Antragsgegnerinnen/Beklagten sind Gründungsgesellschafterinnen der Beteiligungsgesellschaft, vgl. Seite 89 ff des Prospektes. Die Beklagte zu 1) war darüber hinaus Anbieterin der Beteiligung, die Beklagte zu 2) hatte das Beteiligungsangebot konzipiert und die Beklagte zu 3) war die Treuhandgesellschaft, über welche die Anleger mittelbar an der Gesellschaft beteiligt waren.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass der Prospekt fehlerhaft sei und die in ihren (jeweils gleichlautenden) Anträgen aufgeführten Mängel aufweisen würden. Sie machen geltend, sie hätten sich an der Anlage auf der Grundlage des von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Emissionsprospekts „Nordcapital Offshore Fonds 4 “ vom 4. Februar 2009 beteiligt. Die Beklagten hätten ihre Aufklärungspflichten gegenüber den Anlegern durch Verwendung dieses erkennbar fehlerhaften Prospektes verletzt.
Die Antragsgegner haben in den Ausgangsverfahren, sowie in dem vorliegenden Verfahren das Vorliegen von Prospektfehlern bestritten. Im Übrigen seien die Ansprüche der Antragsteller verjährt. Es greife die 3-jährige kenntnisunabhängige Verjährung ab Veröffentlichung des Prospekts nach § 13 Abs.1 Nr. 3 VerkProspG a.F., § 46 BörsG a.F. i.V.m. § 32 Abs.2 S. 1 VermAnlG. Dies gelte auch für etwaige Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne, die durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung in ihrem Anwendungsbereich verdrängt werde (BGH Beschl. v. 23.10.2018, Az. XI ZB 3/16). Überdies seien etwaige Ansprüche verwirkt, da die Klagen erst erhoben worden seien, nachdem die Liquidation der Beteiligungsgesellschaft am 31. Juli 2018 abgeschlossen gewesen und diese am 7. August 2018 aus dem Handelsregister gelöscht worden sei.
Die Antragsgegner sind ferner der Ansicht, dass jedenfalls die Feststellungsziele zu 1.2., 2. und 3. unzulässig seien.
II.
Die gestellten Musterverfahrensanträge sind dem Hanseatischen Oberlandesgericht mit den aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Feststellungszielen vorzulegen.
1. Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über die Musterverfahrensanträge gem. § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig, weil beim Landgericht Hamburg der erste Musterverfahrensantrag gestellt worden ist. Ausweislich des Klageregisters zum KapMuG sind bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine gleichgerichteten Anträge bekannt gemacht worden.
2. Die Entscheidung des zugrundeliegenden Rechtsstreits hängt von den geltend gemachten Feststellungszielen zu Ziff. 1.1. bis 1.8. ab.
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG sind insbesondere Ansprüche musterverfahrensfähig, welche sich auf falsche oder irreführende Kapitalmarkt-Informationen stützen. Um solche Ansprüche handelt es sich vorliegend, da die Antragsteller ihre Klagen auf Prospekthaftung im weiteren Sinne (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) stützen und die geltend gemachten Pflichtverletzungen der Antragsgegner gerade damit begründen, dass der Emissionsprospekt falsch, unvollständig und irreführend sei. Die Anträge sind nicht deshalb unzulässig, weil die Antragsteller sich zur Begründung auf ihren bisherigen Vortrag bezogen haben. Die Antragsteller haben insbesondere auf die Ausführungen in Ziffer 3 bis 5 ihres Schriftsatzes vom 3.6.2019 (Seite 2 bis 21 des Schriftsatzes) verwiesen. Eine Kopie dieses Vortrags in dem Schriftsatz, mit dem der Kapitalanlagemusterverfahrens-Antrag gestellt worden ist, war nicht erforderlich.
a) Der Rechtsstreit ist nicht wegen Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche der Antragsteller/-innen unabhängig vom Ausgang des Musterverfahrens im Sinne einer sachlichen Abweisung der Klagen entscheidungsreif.
Etwaige Ansprüche der Anleger sind nicht verjährt, insbesondere finden die Vorschriften der § 13 Abs.1 Nr. 3 VerkProspG a.F., § 46 BörsG a.F. i.V.m. § 32 Abs.2 S. 1 VermAnlG die eine kenntnisunabhängige Verjährung von 3 Jahren regeln, keine Anwendung. Eine Prospekthaftung im engeren Sinne wird hier nicht geltend gemacht, so dass die für dieses Institut geltenden Verjährungsvorschriften keine Anwendung finden. Hier wird aus der gesellschaftsrechtlich und damit vertraglich bestehenden Verbundenheit der Parteien ein Anspruch gegen die nicht nur kapitalistisch beigetretenen Gründungsgesellschafter aus weiter Prospekthaftung geltend gemacht. Bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, bestehen, auch wenn die Parteien nicht unmittelbar miteinander in Kontakt getreten sind, (vor-)vertragliche Beziehungen zwischen nicht nur kapitalistisch beteiligten Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll (BGH, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 211/09 -, MDR 2012, 885, Ls. und Rn. 10, juris). Dieses ist hier der Fall. Die Beklagten sind gem. § 3 Ziff. 2a) des Gesellschaftsvertrages Gründungsgesellschafterinnen der Beteiligungsgesellschaft. Nach § 4 Nr. 3 und Nr. 6 des Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 1 Nr. 7 und 11 des Treuhand- und Verwaltungsvertrages werden die der Gesellschaft mittelbar beitretenden Treugeber im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt. In einem solchen Fall gelten Sonderverjährungsvorschriften nicht, sondern es greift die Verjährung nach §§ 195, 199 BGB (vgl. BGH-Urteil vom 13.07.2006 – III ZR 361/04 m.w.N.).
Eine dreijährige kenntnisunabhängige Verjährung ist auch nicht gem. § 127 InvG a.F. gegeben. Die Beklagten beziehen sich für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.10.2018, XI ZB 3/16. Diese Entscheidung ist indessen auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar. Das InvG ist lediglich auf inländische Investmentvermögen, soweit diese in Form von Sondervermögen im Sinne des § 2 Absatz 2 oder Investmentaktiengesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 5 gebildet werden, anwendbar. Sondervermögen nach § 2 Abs.2 sind inländische Investmentvermögen in Vertragsform, die von einer Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung der Anleger nach Maßgabe dieses Gesetzes und den Vertragsbedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet werden, und bei denen die Anleger das Recht zur Rückgabe der Anteile haben. Geschlossene Fonds, wie der vorliegende Schiffsfonds, sind keine Sondervermögen im Sinne dieser Vorschrift, da die Anleger innerhalb der Festlaufzeit gerade nicht das Recht der Rückgabe ihrer Anteile haben, sondern ihre Beteiligung lediglich ggf. auf dem sog. Zweitmarkt verkaufen können. Dem von den Beklagten zitierten Beschluss des BGH lag die Klage eines Anlegers zugrunde, der einen offenen Immobilienfonds „Morgan Stanlley P2 Value“ erworben hatte.
b) Der Rechtsstreit ist auch nicht wegen Verwirkung etwaiger Schadensersatzansprüche der Anleger entscheidungsreif. Ein Recht ist verwirkt und kann daher nach Treu und Glauben nach § 242 BGB nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger von seinem Recht über einen längeren Zeitraum keinen Gebrauch gemacht hat und dadurch beim Schuldner den Eindruck erweckt hat, mit der Inanspruchnahme des Rechts werde in Zukunft nicht mehr zu rechnen sein. Die Beklagten sind der Ansicht, dass das Zeitmoment erfüllt sei, weil die Anleger ihre Rechte erst ca. 9 Jahre nach Zeichnung geltend gemacht hätten. Das Umstandsmoment läge darin, dass die Anleger mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche gewartet hätten bis die Liquidation beendet war und die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht war. Die Unternehmensgruppe der Beklagten habe darauf vertraut, dass nach der Liquidation keine Ansprüche der Anleger mehr geltend gemacht würden. So habe die Beklagte zu 3) innerhalb der Liquidation als Treuhandkommanditistin auf Vergütungen für die Jahre 2017 und 2018 in Höhe von ca. insgesamt 300.000 € verzichtet. Des Weiteren habe die persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft das Risiko der weiteren Abwicklung und nachlaufender Kosten allein übernommen. Diese Verluste bzw. Risiken hätten die Unternehmensgruppe der Beklagen nicht einseitig von ihren Mitgesellschaftern übernommen, wenn sie gewusst hätten, dass sie von den Anlegern noch in Anspruch genommen würden.
Einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass Schadenersatzansprüche gegenüber den Beklagten als Gründungsgesellschaftern nicht mehr geltend gemacht würden haben die Anleger nicht geschaffen. Die Anleger haben gegenüber den beklagten Gründungsgesellschafterinnen nie erklärt, vor Ende der absoluten 10-jährigen Verjährungsfrist auf Schadensersatzansprüche wegen weiter Prospekthaftung verzichten zu wollen. Insbesondere konnten die Beklagten einen dahingehenden Vertrauenstatbestand nicht aus dem Abstimmungsverhalten der Anleger zu der Beendigung der Gesellschaft nach dem Anlegerschreiben vom 12.7.2018 (Anlage B 17) entnehmen. Mit dieser Abstimmung sind nur Mitgliedschaftsrechte bzw. -pflichten gegenüber der Gesellschaft wahrgenommen worden, ohne dass diese einen Erklärungswert im Hinblick auf einen Verzicht von ggf. bestehenden Ansprüchen gegenüber Gründungsgesellschaftern haben konnte. Im Übrigen haben die Anleger unwidersprochen vorgetragen, dass sie ihre Ansprüche bzw. die diesen zugrundeliegenden behaupteten Prospektfehler noch nicht kannten, so dass eine Geltendmachung der Ansprüche vor der Liquidation schon aus diesen Gründen nicht möglich war. Eine Verwirkung aus dem Gesichtspunkt aus Treu und Glauben kommt schon aus diesem Grunde nicht in Betracht. Eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BGH zu vollständig abgewickelten Verbraucherdarlehensverträgen ist nicht gegeben.
c) Der Rechtsstreit ist auch nicht deswegen entscheidungsreif, weil die Klage schon wegen des Vorliegens der in der Klage gerügten Prospektfehler, die nicht Gegenstand des Musterverfahrensantrag sind, begründet wäre. Soweit die Antragsteller in ihren Klagschriften rügen, dass
|keine Berücksichtigung der Marktentwicklungen durch Fracking der USA erfolgt sei,
|die Ankaufpreise der beiden Fondsschiffe MS „E.R. Athina“ und MS „E.R Georgina“ zu hoch gewesen seien,
|die Wiederverkaufsprognose sei falsch gewesen sei,
|eine fehlerhafte Aufklärung zur Fungibilität erfolgt sei und
|bewusst irreführende Aussagen zum Fertigungsland der Schiffe erfolgt seien
liegen keine Prospektfehler vor. Auf das Urteil der Kammer vom 20.12.2018 zum Az. 333 O 113/17, welches in einer Sache eines Anlegers ergangen ist, der sich ebenfalls an dem Nordcapital Offshore Fonds 4 beteiligt hatte, vom selben Prozessbevollmächtigten vertreten worden war und die gleichen Prospektmängel gerügt hatte, wird insoweit verwiesen. Das OLG hat mit Beschluss vom 19.12.2019 zum Az. 11 U 12/19 die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Auch auf diese Entscheidung wird Bezug genommen.
3. Der Antrag zu 1.2 ist – wie die Beklagten meinen – nicht deshalb unzulässig, weil durch das Urteil vom 27.10.2009 zum Az. XI ZR 337/08 schon höchstrichterlich geklärt sei, dass eine vorsichtige Kalkulation bei der Prognose nicht erforderlich sei. Der BGH hat mit Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 75/10 –, Rn. 17, juris (unter Hinweis auf das Urteil vom 31. Mai 2010 – II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 11 ff.) entschieden, dass für eine Prognose, die – insbesondere für einen Zeitraum von 25 Jahren – mit erheblichen Risiken verbunden ist, von einem Prospektherausgeber zu erwarten ist, dass er aus den Erfahrungen in der Vergangenheit vorsichtig kalkulierend auf die Zukunft schließt.
4. Die Musterverfahrensanträge sind nicht deshalb unzulässig, weil der 11. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts den hier streitgegenständlichen Prospekt in seinem Beschluss gem. § 522 Abs.2 ZPO vom 19.12.2019 (Az. 11 U 12/19) als nicht fehlerhaft angesehen hat und die Kläger in jenem Verfahren von den gleichen Prozessbevollmächtigten vertreten worden sind. Die Entscheidung des 11. Zivilsenats entfaltet keine Rechtskraft für das hiesige Verfahren. Die Wirkung des § 22 Abs. 1 KapMuG, wonach der Musterentscheid die Prozessgerichte in allen nach § 8 Absatz 1 ausgesetzten Verfahren bindet, tritt nur nach einer rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts (bzw. des Bundesgerichtshofs) nach Durchführung eines Musterverfahrens ein. Im Übrigen ist gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Musterverfahren gem. § 20 Abs. 1 KapMuG die Rechtsbeschwerde statthaft. Die Sache hat stets grundsätzliche Bedeutung. Die Möglichkeit diesen Rechtsweg vollständig auszuschöpfen, kann den Musterklägern nicht abgeschnitten werden.
III.
Die Feststellungsziele zu 2. und 3. sind unzulässig, die entsprechenden Anträge waren daher zurückzuweisen.
1. Das Feststellungsziel zu 2. lautet:
Es wird festgestellt, dass es sich bei den unter Ziffer 1 festgestellten Prospektfehlern jeweils um wesentliche Prospektfehler handelt, die geeignet sind, die Anlageentscheidung der Anleger zu beeinflussen.
Dieser Antrag hat gegenüber dem Antrag zu 1. keinen eigenständigen Feststellungsgehalt. Wenn der Prospekt in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, handelt es sich notwendig um wesentliche Prospektfehler, die die Anlageentscheidung beeinflussen können.
2. Mit dem Feststellungsantrag zu 3. verlangen die Antragsteller:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gegenüber den beitretenden Anlegern zur Aufklärung über die in Ziffer 1 genannten Prospektfehler verpflichtet waren und diese Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt haben.
Dieser Feststellungsantrag ist unzulässig, da die grundsätzliche Passivlegitimation der Beklagten im Falle des Vorliegens von Prospektfehlern und der übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz aus weiter Prospekthaftung von den Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist.
Der Feststellungsantrag im Hinblick auf das Verschulden ist im Übrigen unzulässig, weil nur Rechtsfragen und Tatsachen zu anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzungen eines Anspruches Feststellungsziel eines Musterfeststellungsverfahrens sein können, nicht aber der Anspruch als solcher (vgl. Beschluss des BGH vom 10.06.2008, XI ZB 26/07, Rn 14, 17). Mit dem Antrag auf Feststellung, dass die Antragsgegner hinsichtlich der vorstehend in ihren Anträgen aufgeführten Prospektmängel ihre Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis zu den beigetretenen Anlegern verletzt und diese Pflichtenverletzung auch im Sinne von § 280 BGB zu vertreten haben, verlangen die Antragsteller eine Prüfung ihres Anspruches, was nicht zum Gegenstand eines Musterverfahrens gemacht werden kann. Das Vorliegen einer Pflichtverletzung lässt sich nicht ohne eine Befassung mit den konkreten Abläufen klären.
IV.
Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen Veröffentlichung der Musterverfahrensanträge nach § 3 Abs. 4 KapMuG abgesehen, weil bereits die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG vorliegen. Bei der Kammer sind 12 gleichlautende Musterverfahrensanträge zu den oben in der Liste aufgeführten Aktenzeichen gestellt worden. Das nach § 6 KapMuG erforderliche Quorum von 10 gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen liegt vor, wenn alle Musterverfahrensanträge bei einer Kammer des Landgerichts eingereicht worden sind (vgl. LG Frankfurt, Vorlagebeschluss vom 27.09.2013, Az. 2-12 OH 4/13, juris, Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Auflage, § 3, Rn 125).
V.
Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.
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