Das Landgericht Hamburg beschließt – Zivilkammer 2 – durch die Richterin am Landgericht Dr. Parameswaran-Seiffert am 16.05.2019:
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Auf Antrag der Klagepartei wird – unter Verwerfung des Antrags im Übrigen – folgender Musterverfahrensantrag im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) öffentlich bekannt gemacht:
1. Beklagte:
Sandtor Abwicklungsgesellschaft GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin HFI Hansische Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch den Liquidator David Müller-Feyen, Beim Strohhause 31, 20097 Hamburg
2. Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten:
Vierundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG
3. Bezeichnung des Prozessgerichts:
Landgericht Hamburg
4. Aktenzeichen des Prozessgerichts:
302 O 120/18
5. Feststellungsziele des Musterverfahrensantrages:
Es wird festgestellt, dass der Emissionsprospekt über die Beteiligung am Vierundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG in der Fassung vom 14.04.2008 (nachfolgend „Emissionsprospekt“) in wesentlichen Teilen unrichtig und damit insgesamt irreführend und unvollständig ist, nämlich
a) dass der Emissionsprospekt auf S. 10 die Aussage trifft, dass der vereinbarte Kaufpreis von 50,15 Mio. EUR durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt wurde, obgleich
aa) der Substanzwert der beiden Fondsobjekte dort mit nur 33,86 Mio. EUR festgestellt wurde,
bb) der in dem Bewertungsgutachten festgestellte Substanzwert im Emissionsprospekt überhaupt nicht erwähnt wird,
cc) der Geschäftsbericht für die Jahre 2014 bis 2016 vom 07.02.2018 für das deutlich größere Objekt in Haarlem nur einen Verkaufserlös von 20 Mio. EUR in Aussicht stellt,
und die Anleger dadurch unrichtig über den Wert und Wiederverkaufswert des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Gutachten
Der vereinbarte Kaufpreis und die Mieten der Immobilien wurden laut unabhängigem Gutachter CB Richard Ellis (s. „Vertragspartner“, S. 126 f.) zum Zeitpunkt der Bewertung (15.10.2007 für Arnheim und 07.03.2008 für Haarlem) für marktgerecht erklärt.“
b) dass der Emissionsprospekt auf S. 10 des Emissionsprospektes vom 14.04.2008 die Aussage trifft, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existieren, obgleich
aa) die objektfinanzierende Deutsche Genossenschafts-Hypotheken Bank AG für die Ausgabe eines Darlehens über 28 Mio. EUR, verpflichtet war, selbst ein Bewertungsgutachten einzuholen,
bb) dies auch im Hinblick auf die im Darlehensvertrag vereinbarte Loan to Value Klausel (LTV) laufend tun musste,
cc) dazu bereits am 04.03.2008 eine Besichtigung durch den Gutachter der Deutsche Genossenschafts-Hypotheken Bank AG erfolgte,
dd) –
ee) in dem Gutachten der VR Wert Gesellschaft für Immobilienbewertung mbH Bezug genommen wird auf Umweltgutachten von Hofstede und Millieuadvisseurs nach denen in beschränktem Maße (möglicherweise) asbesthaltiges Material vorgefunden wurde,
und die Anleger dadurch nicht oder unrichtig über das Bestehen von weiteren Gutachten und deren Inhalt und einen Asbestverdacht und eine leichte Boden- und Grundwasserverschmutzung informiert wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Gutachten […]
|weitere Bewertungsgutachten existieren nicht“
c) dass der Emissionsprospekt auf S. 12 und S. 44 nicht erkennen lässt, in welchem Umfang die von dem Anleger eingezahlten Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden, obwohl der so zu berechnende Anteil der Weichkosten 36,69 % beträgt und die Anleger dadurch nicht richtig über die Rentabilität des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
S. 12:
„Fondsbezogene Vorkosten in % des Eigenkapitals | 14,91 %“ |
und
S. 44:
„Kosten in der Investitionsphase – Prognose“
d) dass der Emissionsprospekt auf S. 15 die konkreten Risiken einer Weitervermietung und Verwertung unerwähnt lässt, obgleich das Gutachten der VR Wert Gesellschaft für Immobilienbewertung mbH gleichlautend darauf hinweisen, dass die Vermietbarkeit der Flächen angesichts der Größenordnung und der Lage schwierig ist und eine kleinteilige Nutzung nur mit Umbaukosten und Flächenverlusten einhergeht und mit abnehmender Restlaufzeit des Mietvertrages die Verkäuflichkeit schwieriger wird und im Zuge einer langfristigen Betrachtung die unter Vermietbarkeit genannten Aspekte (Restlaufzeit Mietvertrag, Größe des Objektes) bei der Risikoeinschätzung zu beachten sind und die Anleger dadurch unrichtig über die Möglichkeit der Weitervermietung und Verkäuflichkeit der Fondsobjekte zum Ende der Festmietzeit informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Wertentwicklung
Der Verkauf der Immobilie kann von einer Vielzahl von Faktoren negativ beeinflusst werden. Aus diesem Grunde wird im Abschnitt „Liquidationsprognose“ auf S. 50 f. dieses Prospektes eine entsprechende Bandbreite bei der Betrachtung möglicher Verkaufsszenarien dargestellt.“
e) dass der Emissionsprospekt auf S. 51 Liquidationserlöse für das Jahr 2019 prognostiziert auf Basis eines Vielfachen der Jahresnettomiete mit einem Faktor, welcher im schlechtesten Fall („worst case“) mit 14,32 und im besten Fall („best case“) mit 16,32 angegeben wird, obwohl die Annahme des Faktors 15,32 die Tatsache voraussetzt, dass der Mietvertrag noch zehn Jahre läuft, was im Jahr der Liquidation nicht mehr der Fall sein wird und die Anleger dadurch unrichtig über den Verkaufswert des Fondsobjekt informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Liquidationsprognose und Abweichungen von der Prognose in T€ vor Steuern
Verkaufsfaktor | 14,32 | 14,82 | 15,32 | 15,82 | 16,22“ |
f) dass der Emissionsprospekt auf S. 83 bei der Darstellung des Objektdarlehens mit der Deutsche Genossenschafts-Hypotheken Bank AG die zusätzliche Verpflichtung einer Loan-to-Value-Klausel unerwähnt lässt, die der Darlehensgeberin ein Recht auf Sicherheitenaufstockung, Einbehalt der Mieten oder Fälligstellung des gesamten Darlehens einräumt, wenn das Darlehen höher als 56,6 % des Immobilienwertes des Fondsobjektes valutiert und die Anleger dadurch unrichtig über die Kündbarkeit des Objektdarlehens informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Die Bank ist zur Kündigung des Darlehensvertrags berechtigt, wenn die Kreditnehmerin sich mit einem Viertel der jährlich geschuldeten Zahlungen länger als einen Monat im Verzug befindet, die Hypothek tatsächlich nicht verschafft wurde oder die Zwangsversteigerung einer der Immobilien angeordnet wird. Darüber hinaus kann sie den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen.“
g) dass der Emissionsprospekt auf S. 97 dem Fonds ein geringes Risiko bescheinigt und dadurch die Anleger unrichtig über das Risiko der Anlage informiert und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung:
„Der hier beschriebene Fonds zeichnet sich durch ein geringes Risiko und Ertragsstärke aus.“
6. Lebenssachverhalt:
Die Klagepartei nimmt die Beklagte nach der Zeichnung einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung an dem geschlossenen Fonds Vierundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fondsgesellschaft) auf Schadensersatz u.a. wegen unrichtiger, unvollständiger und irreführender Prospektangaben in Anspruch.
Die Klagepartei zeichnete am 02.06.2008 eine mittelbare Beteiligung an der Fondsgesellschaft im Nennwert von € 20.000,00, der Zedent, dessen Ansprüche die Klagepartei ebenfalls geltend macht, zeichnete am 02.06.2008 eine mittelbare Beteiligung an der Fondsgesellschaft im Nennwert von € 25.000,00. Zur Aufklärung der Klagepartei über die Kapitalanlage bediente sich die Beklagte des Emissionsprospektes vom 14.04.2008. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des Bankhaus Wölbern.
Die Klagepartei macht geltend, dass der Emissionsprospekt in mehrfacher Hinsicht unrichtig, unvollständig und irreführend sei. Die Beklagte hätte insoweit die ihr obliegenden Aufklärungs- und Informationspflichten schuldhaft verletzt. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie – die Klagepartei – die Beteiligung nicht gezeichnet.
Die Beklagte bestreitet Prospektfehler.
7. Zeitpunkt des Eingangs des Musterverfahrensantrages beim Prozessgericht:
21.09.2018, 18:30 Uhr per E-Fax
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