Auf Antrag der Klagepartei wird folgender Musterverfahrensantrag im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) öffentlich bekannt gemacht:
1. Beklagte:
a) Wölbern Treuhand GmbH i.L., vertreten durch d. Liquidator Oliver Scharenberg, Königstraße 28, 22767 Hamburg
b) IFH Geschäftsführung für Holland GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Thomas Böcher und Roman Burger, Königstraße 28, 22767 Hamburg
2. Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten:
Siebzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG
3. Bezeichnung des Prozessgerichts:
Landgericht Hamburg
4. Aktenzeichen des Prozessgerichts:
328 O 372/19
5. Feststellungsziele des Musterverfahrensantrages:
Es wird festgestellt, dass der Emissionsprospekt über die Beteiligung an der Siebzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG in der Fassung vom 20.09.2010 (nachfolgend „Emissionsprospekt“) in wesentlichen Teilen unrichtig und damit insgesamt irreführend und unvollständig ist, nämlich
a) dass der Emissionsprospekt auf S. 12 und S. 15 die Aussage trifft, dass ab dem Geschäftsjahr 2012 Auszahlungen in Höhe von 6,00 % p.a. über die prospektierte Fondslaufzeit prognostiziert, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um die Rückzahlung des Eigenkapitals handelt und die Anleger dadurch unrichtig über die erwirtschafteten Gewinne informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung auf S. 12:
„Auszahlungen
Ab dem Jahr 2012 werden Auszahlungen in Höhe von 6,00 % p.a. über die prospektierte Fondslaufzeit prognostiziert. Für das Jahr 2011 erfolgt eine anteilige Auszahlung an den Anleger in Höhe von 2,75 % p.a. ab Übernahme der ersten Immobilie.“
durch folgende Formulierung auf S. 15:
„Prognostizierte jährliche Auszahlung:
Die voraussichtliche jährliche Auszahlung beträgt ab dem Jahr 2012 6 % p.a. über die Fondslaufzeit. Für das Jahr 2011 wird eine anteilige Auszahlung von 2,75 % p.a. ab Übergabe der ersten Immobilie erfolgen.“
b) dass der Emissionsprospekt auf S. 62 nicht deutlich darauf hinweist, dass die prognostizierten Auszahlungen die Eigenkapitalrückzahlung darstellen und die Anleger dadurch unrichtig über die erwirtschafteten Gewinne informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch Verwendung der Grafik auf S. 62.
c) dass der Emissionsprospekt auf S. 36 die Aussage trifft, dass andere (laufende) Fonds der Gesellschaft über der angegebenen Prognose ausschütten, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass Ausschüttungen gerade in den Anfangsjahren keine erwirtschafteten Gewinne abbilden und Liquiditätsausschüttungen zum Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen können, sowie die Rückführung des Eigenkapitals zum Wiederaufleben der Verpflichtung, die Pflichteinlage an die Gesellschaft zu leisten führt, und die Anleger dadurch unrichtig über den Erfolg der noch laufenden Fonds informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Der Zielerreichungsgrad der 80 Fonds, die sich 2009 im Portfolio der Wölbern Fondsmanagement GmbH befanden, beträgt zum Stichtag
31.12.2009 95,04 %. Diese Kennzahl zeigt den Vergleich der im Verkaufsprospekt prognostizierten laufenden Auszahlungen und der tatsächlich geleisteten Auszahlungen an.“
und unter Verwendung der Grafiken auf S. 37.
d) dass der Emissionsprospekt auf S. 12 die Aussage trifft, dass die vereinbarten Kaufpreise von 27.2 Mio. EUR und 18.6 Mio. EUR durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt wurden, obgleich der Gutachter lediglich festgestellt hat, dass der ermittelte Wert auf Basis einer von der Emittentin vorgegeben Bruttoankaufsrendite von 6,41 % in Hoofddorp und 7,46 % in Hengelo marktgerecht ist, ohne zu prüfen, ob die angesetzte Bruttoankaufsrendite marktgerecht ist, und die Anleger dadurch unrichtig über den Wert und Wiederverkaufswert des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Der unabhängige Gutachter Jones Lang LaSalle B.V. |
(siehe „Vertragspartner“, S. 160) schätzt in seinem, im Auftrag der Wölbern Invest KG am 14.09.2010 erstellten Wertgutachten, per 01.06.2010 auf Basis einer Bruttoankaufsrendite von 6,41 % für die Immobilie in Hooffdorp einen Marktwert von € 27.200.000.
Für die Immobilie in Hengelo schätzt der Gutachter Jones Lang LaSalle B.V. in seinem am 14.09.2010 erstellten Wertgutachten per 30.06.2010 auf Basis einer Bruttoankaufsrendite von 7,46 % einen Marktwert von € 18.600.000. Die vereinbarten Kaufpreise für die Immobilien sind damit aus Sicht der Prospektverantwortlichen Wölbern Invest KG als marktgerecht einzustufen.“
e) dass der Emissionsprospekt auf S. 14 eine Bruttoankaufsrendite von 7,47 % für das Objekt in Hengelo und 6,46 % für das Objekt in Hoofddorp ausweist,
durch folgende Formulierung:
„Checkliste Hoofddop
Bruttoankaufsrendite: 6,46 % |
Checkliste Hengelo
Bruttoankaufsrendite: 7,47 %“ |
und dies im Widerspruch zu S. 40 des Emissionsprospektes steht, wo darauf hingewiesen wird, dass rückläufige Wirtschaftsdaten auch den Immobilienmarkt in den Niederlanden erfasst haben und ein deutlicher Rückgang des Investitionsvolumens zu verzeichnen ist. Bei reduziertem Preisniveau bieten sich somit gute Investmentchancen in langfristig an namhafte Vermieter vermietete Immobilien.
durch folgende Formulierung:
„Die verminderten Transaktionsvolumina haben zu einer Anpassung der Ankaufsrenditen geführt. Aktuell liegen die Spitzenrenditen in Amsterdam zwischen 5,7 % und 6,2 %, in Rotterdam zwischen 6,0 % und 6,5 %.“
f) dass der Emissionsprospekt es auf S. 43 unterlässt, darüber aufzuklären, dass die vereinbarte Jahresbüromiete im Objekt Hoofddorp bei 197 EUR/qm liegt und damit deutlich über Marktniveau, so dass eine Übermiete (Overrent) vorliegt, die eine Anschlussvermietung auf dem prognostizierten Niveau ausschließt und die Anleger dadurch über die Möglichkeit der Anschlussvermietung und Liquidation unrichtig informiert wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt, insbesondere, da dem Mieter nach Ablauf von 10 Jahren ein Mietrevisionsrecht eingeräumt ist.
g) dass der Emissionsprospekt es auf S. 49 unterlässt, darüber aufzuklären, dass die vereinbarte Jahresbüromiete im Objekt Hengelo bei 138 EUR/qm liegt und damit deutlich über Marktniveau, so dass eine Übermiete (Overrent) vorliegt, die eine Anschlussvermietung auf dem prognostizierten Niveau ausschließt und die Anleger dadurch über die Möglichkeit der Anschlussvermietung und Liquidation unrichtig informiert wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
h) dass der Emissionsprospekt auf S. 15 und S. 64 für die Steigerung der Vertragsmiete den Verbraucherpreisindex der Niederlande (CPI-Index) mit einem Prozentsatz von 2,25 ansetzt, der weder in den Jahresdurchschnitten der letzten drei, fünf oder zehn Jahre erreicht wurde und so ohne solide Tatsachengrundlage überhöht angesetzt worden ist und die Anleger dadurch unrichtig über die Rendite- und Liquidationsmöglichkeiten informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Die Mietsteigerungen basieren auf der vereinbarten Indexklausel, wobei ab dem Jahr 2012 eine Inflationsrate von 2,25 % p.a. unterstellt wird.“
i) dass der Emissionsprospekt auf S. 69 eine realitätsferne, überhöhte Liquidationsprognose für den Verkaufspreis nach 11 Jahren annimmt. Gemäß dem Bericht des Beirats aus 2018 liegt der Verkehrswert der Fondsimmobilien bei 35,50 Mio. EUR, so dass die Prognosen in allen Szenarien der Liquidationsprognose deutlich zu hoch waren und die Anleger dadurch über die erzielbaren Liquidationserlöse getäuscht werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Liquidationsprognose und Abweichungen von der Prognose in T€ vor Steuern
Verkaufsfaktor
13,54
14,04
14,54
15,04
15,54
Verkaufspreis
52.779
54.727
56.675
58.624
60.572
j) dass der Emissionsprospekt auf S. 73 eine Sensitivitätsanalyse aufstellt, die nicht erkennen lässt, dass nach Ende der Festmietzeit eine Vermietung ohne mietfreie Zeit/Mietnachlass möglich sei, obwohl es laut S. 105 üblich sei, einen Mietnachlass zu gewähren,
durch folgende Formulierung:
„Im Rahmen der folgenden fünf Szenarien werden die Auswirkungen einer Variation der Finanzierungszinsen zum Ende des Prognosezeitraums sowie der Mieterträge nach Auslaufen des jeweiligen Mietvertrages dargestellt.“
und durch folgende Formulierung:
„Die ersten vier Monate des Mietverhältnisses sind mietzinsfrei. […]. Zusätzlich kann jede Partei eine marktkonforme Mietzinsanpassung verlangen – erstmals jedoch zehn Jahre nach Übergabe der Immobilie an den Mieter und anschließend alle fünf Jahre nach der letzten
Zinsanpassung an den Marktwert.“
k) dass der Emissionsprospekt auf S. 73 eine Sensitivitätsanalyse aufstellt, die nicht erkennen lässt, dass nach Ende der Festmietzeit eine Vermietung auf dem prognostizierten Niveau nicht möglich ist, weil der Mietzins der Objekte über dem Marktniveau lag und somit eine Übermiete (Overrented-Situation) vorlag, die eine Anschlussvermietung auf gleichem Niveau ausschließt und die Anleger dadurch über die erzielbaren Liquidationserlöse getäuscht wurden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Im Rahmen der folgenden fünf Szenarien werden die Auswirkungen einer Variation der Finanzierungszinsen zum Ende des Prognosezeitraums sowie der Mieterträge nach Auslaufen des jeweiligen Mietvertrages dargestellt.“
l) dass der Emissionsprospekt auf S. 60 den Eindruck vermittelt, dass eine langfristige Finanzierung der Fondsobjekte durch die Darlehensverträge gesichert ist, obgleich die Laufzeit der Hypothekendarlehen der ING Bank bereits nach 7 Jahren endete und die Anleger dadurch widersprüchliche Informationen über die Dauer der Finanzierung erhalten und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Die Bereitstellung der langfristigen Finanzierung erfolgt auf Grundlage einer Finanzierungszusage der ING Bank N.V., Den Haag Niederlande (im Folgenden auch „ING Bank“ genannt)“.
m) dass der Emissionsprospekt auf S. 12 des Emissionsprospektes die
Aussage trifft, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existieren, obgleich
aa)
die objektfinanzierende ING Bank N.V. für die Ausgabe eines Darlehens über 24.788.200,00 EUR, verpflichtet war, selbst ein Bewertungsgutachten einzuholen,
bb)
die objektfinanzierende ING Bank N.V. dies auch im Hinblick auf die im Darlehensvertrag vereinbarte Loan to Value Klausel (LTV) laufend tun muss,
n) und die Anleger dadurch unrichtig über das Vorliegen weiterer Bewertungsgutachten informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;
durch folgende Formulierung aus S. 12:
„Gutachten […] Weitere Bewertungsgutachten existieren nicht“
o) dass der Emissionsprospekt auf S. 123 den Fonds als für Stiftungen geeignet ansieht und dadurch die Anleger unrichtig über das Risiko der Anlage informiert und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt,
durch folgende Formulierung:
„Die nachfolgenden Ausführungen verdeutlichen, dass sich auch gemeinnützige Stiftungen grundsätzliche an der Fondsgesellschaft beteiligen können. Nach Einschätzung der Anbieterin ist die Investition für diese Investoren sehr gut geeignet.“ und
„Den Grundsatz der Erhaltung des Stiftungsvermögens hat die Anbieterin bei der Auswahl der Mieter bedacht.“
6. Lebenssachverhalt:
Die Klagepartei nimmt die Beklagten nach Zeichnung einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung an dem geschlossenen Fonds Siebzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG (nachfolgend: Fondsgesellschaft) auf Schadensersatz wegen unrichtiger, unvollständiger und irreführender Prospektangaben in Anspruch.
Die Klagepartei zeichnete am 12.08.2011 eine mittelbare Beteiligung über die Beklagte zu 1) an der Fondsgesellschaft im Nennwert von € 100.000,00 zuzüglich 0 % Agio. Der Beitritt wurde angenommen. Die Aufklärung der Klagepartei erfolgte mithilfe des Emissionsprospektes vom 20.09.2010. Dieser lag der Klagepartei vor Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung vor. Die Beklagten sind Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 1) fungiert zudem als Treuhandkommanditistin.
Die Klagepartei trägt vor, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft. Sie meint, die Beklagten hätten insoweit durch die Verwendung eines fehlerhaften Prospektes die ihnen jeweils obliegenden Aufklärungs- und Informationspflichten schuldhaft verletzt. Dies sei für die Anlageentscheidung kausal gewesen.
Die Beklagten bestreiten Prospektfehler.
7. Zeitpunkt des Eingangs des Musterverfahrensantrages beim Prozessgericht:
Am 25.05.2020 per E-Fax um 15:00 Uhr.
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