Dass die EU-Kommission eine Rekordgeldbuße verhängt hat, ist bekannt, ebenso dass über die dort getroffenen Feststellungen zum Verstoß aufgrund von § 33 Abs. 4 GWB vor nationalen Gerichten nicht mehr diskutiert werden muss. Folgt man einigen anwaltlichen Verlautbarungen, so scheint es nun relativ leicht zu sein, als geschädigter Spediteur Schadensersatz zu verlangen. Teilweise wirkt es, als seien die Verjährung zu beachten und ein „wettbewerbs-ökonomisches Gutachten“ beizubringen und der Rest laufe quasi von allein. Das sind zwar wichtige Aspekte, aber die Realität der Geschädigten sieht um einiges komplizierter aus. Sie ist auch viel individueller, als dass sich ein gesammeltes Vorgehen durchsetzen oder sich der stets anders betroffene Spediteur in der allgemeinen Anwaltswerbung wiederfinden ließe. Zugegeben, es lassen sich Informationen austauschen und Vorgehen abstimmen, vielleicht auch hohe Kosten für ein Gutachten zur Frage des durch die Wettbewerbsverstöße generierten Schäden teilen. Aber am Ende steht jeder Geschädigte allein dem jeweiligen Hersteller gegenüber, mit einer eigenen Tatsachengrundlage und Schadensberechnung.
Die Schadensrealität beginnt – neben der Frage der Verjährung – bei der seinerzeitigen Vertragsverhandlung: Gab es Rabatte und wie reduzieren diese den durch den erhöhten Bruttolistenpreis verursachten Schaden? Wurden Rückkaufsvereinbarungen geschlossen und wahrgenommen? Wurden gebrauchte Maschinen erworben? Wurden Maschinen des einen Kartellanten bei einem anderen in Zahlung gegeben? Handelte es sich um einen Mietkauf, eine Finanzierung? Sodann kann relevant werden, wie die Buchhaltung aussieht, die älter als zehn Jahre ist, was aus steuerlicher Sicht das richtige Vorgehen wäre, wie es um etwaige Folgeschäden und ihre Darlegung bestellt ist, wie die derzeitige wirtschaftliche Situation des Spediteurs ausfällt und sich daraus ergebende Notwendigkeiten. Weitere konkrete Punkte sind, wer eigentlich genau die Person des Verkäufers oder Leasinggebers war, in welcher Eigenschaft er handelte bzw. mit welcher Verantwortung und ggf. Verantwortlichkeit, ob unter Umständen eine Rechtswahl bei internationalen Verträgen getroffen wurde, welcher Gerichtsstand sich ergibt, ob eine Gesamtschuld besteht, wie die Verjährung weiter am besten zu hemmen ist.
Daneben stellt sich für die meisten – nicht insolventen – Spediteure die tatsächliche Frage, mit welcher Summe als Schadensausgleich sie denn leben könnten und wollen, wo sie doch (notgedrungen) bereits mit den erhöhten Preisen wirtschaften konnten. Rein praktisch und unabhängig von der Rechtslage ist der jetzige Schadensersatz, bezogen auf beispielsweise sieben Jahre alte Transaktionen, ein gewisses unerwartetes Zubrot im Cashflow. Hier sollte jeder Geschädigte abwägen, ob er tendenziell eher einen längeren Rechtsstreit führen will oder eine möglichst einfache außergerichtliche, noch einvernehmliche Lösung versucht. Beides ist legitim. Die Kartellanten wissen ebenso, wo die Stromschnellen in der Verhandlung mit dem jeweiligen Geschädigten sind und wo nicht. Dies sollte jeder Spediteur beachten, unabhängig davon, welchen Anwalt er beauftragt. Unkompliziert sind die einzelnen Schadensfälle jedenfalls nicht, erst recht nicht in einer streitigen Auseinandersetzung.
Daniel Blazek, BEMK Rechtsanwälte, August 2016.
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