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Lockender Reichtum-Strukturvertrieb

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Strukturvertriebe produzieren nichts, sondern sind reine Vertriebsorganisationen, zum Beispiel für Versicherungen, Kosmetika oder Gold. Ihre Außendienstler arbeiten auf eigene Rechnung und gelten als Drücker, Klopper, Bauernfänger. Wer reichlich Umsatz macht und viele Leute anwirbt, die wieder Leute anwerben, der verdient an deren Provisionen mit und steigt auf.

Ein wichtiges Merkmal aller Strukturvertriebe ist daher wie bei einer Sekte das Rekrutieren frischer Adepten. Wer ganz oben landet, kann fünfstellige Summen im Monat verdienen. Die Leute werden mit der Vision gelockt: Du kannst alles erreichen, egal ob du Professor oder Straßenfeger bist. Doch die letzten beißen die Hunde. Für den früheren Studenten Peter Martin begann die Struktur-Karriere mit einem Telefonanruf. Anschließend traf er sich mit einem Herrn, der im BMW und gutgekleidet erschien. „27 Jahre alt, ein dickes Auto, Goldketten und teure Klamotten der mußte gewaltig Kohle verdienen“, dachte Weghorn. Mehr als zwei Stunden hörte er sich an, was der Mann ihm zu bieten hatte: Chancen aufs große Geld, Aufstiegsmöglichkeiten bis zum „Topmanager“. Trotz der Skepsis besuchte er das „Grundseminar“.
In diesen Werbemeetings springen Mitarbeiter auf und sagen: „Ich war Bauarbeiter, jetzt verdiene ich 2000 Euro die Woche, und vor der Tür steht mein BMW!“ Wer dann in seinem Bekanntenkreis ein paar Lebensversicherungen oder Kosmetika verkauft, beginnt zu glauben, daß in der Firma tatsächlich viel Geld zu machen sei. Viele Neulinge steigen bald hauptberuflich ein. Sie merken aber schnell, daß auf den unteren Stufen wenig zu verdienen ist, denn die Strukturhöheren kassieren immer mit. Die Wahrscheinlichkeit, ganz oben mitzuspielen, ist fast gleich Null.

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  • AFA – Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit

    Im Zuge einer Studie über den Umgang von Unternehmen mit Bewerbern, testete ich das Unternehmen AFA AG.AFA bedeutet Allgemeine Finanz Assekuranz, wobei der Begriff Assekuranz nichts weiter als Versicherung bedeutet. Die AFA AG ist eine Gesellschaft, welche Finanzdienstleistungen aller Art vermittelt, ähnlich wie die OVB, AVG, Deutsche Vermögensberatung und Bonnfinanz um hier nur einige zu nennen.

    Das Unternehmen AFA wurde 1993 in Cottbus, einer Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern im südlichen BL Brandenburg, von Herrn Sören Patzig, einem ehemaligen Schlosser, gegründet. Die Rechtsform der Unternehmung ist eine Aktiengesellschaft, entsprechend AktGes. nach Vorstand und Aufsichtsrat unterteilt. Aufsichtsratsvorsitzender ist Herr Sören Patzig.

    Kontaktdaten:
    AFA AG Cottbus, Zentrale, Ostrower Straße 4a, 03046 Cottbus.
    Vertiefende Informationen bieten die Websites:
    http://www.afa-ag.de/de/

    In Deutschland gibt es etwa 110 Außenstellen (Geschäftsstellen), der größte Teil der Mitarbeiter ist als Handelsvertreter nach § 84 ff. des HGB (Versicherungsvertreter) tätig.
    Handelsvertreter nach HGB sind Personen, welche in fremden Namen, auf fremde Rechnung aber auf eigenes Risiko ihren Lebensunterhalt sichern.
    Das Unternehmen ist als Strukturvertrieb aufgebaut, das heißt dass die Provision eines vermittelten Finanzdienstleistungsproduktes auf die gesamten Mitarbeiter einer Vetriebsstruktur aufgeteilt wird.

    Zur besseren Verdeutlichung des Begriffes „Strukturvertrieb“ habe ich hier als Beispiel einen Autohändler gewählt.
    Geschäftsziel ist der Verkauf von Neuwagen, es arbeiten dort fünf Mitarbeiter im Strukturvertrieb. Mitarbeiter Nummer 1 ist der Chef und thront im Büro, Mitarbeiter Nummer 2 ist der Buchhalter, Mitarbeiter Nummer 3 ist Verkaufstrainer und Mitarbeiter Nummer 4 beaufsichtigt Mitarbeiter Nummer 5, welcher Autos verkauft.
    Jetzt verkauft Mitarbeiter Nummer 5 (der unterste MA in der Autohändlerstruktur) ein Auto für 15.000 Euro. Die Verkaufsprovision beträgt 10%, das sind 1500 Euro. Dieses Geld wird nun auf ALLE Mitarbeiter des Autohauses aufgeteilt. Der Chef (Mitarbeiter Nummer1) erhält davon 800 Euro, der Buchhalter (Mitarbeiter Nummer 2) 400 Euro, Mitarbeiter Nummer 3 erhält 150 Euro, Mitarbeiter Nummer 4 erhält 100 Euro und Mitarbeiter Nummer 5 (das letzte Glied in der Kette) lediglich 50 Euro. Mitarbeiter Nummer Fünf, welcher viel Ehrgeiz, Kraft, Mühe und Engagement aufwandte, um dass Auto zu verkaufen, erhielt den geringsten Anteil am Provisionsertrag. Aber er war der Einzigste in der Vertriebsstruktur, welcher eine Wertschöpfung erzielte. Er verkaufte nämlich ein Auto. Die anderen vier Mitarbeiter erzielten KEINE Wertschöpfung, sie profitierten als lediglich als Sozialschmarotzer von der Arbeit Ihres Kollegen auf der untersten Ebene.

    Gelingt es nun Mitarbeiter Nummer 5 nicht, weiterhin Autos zu verkaufen (aufgrund von ihn nicht zu beeinflussender Umgebungsvariablen, wie fehlenden Kunden, geringer Einkommen oder Arbeitslosigkeit der potentiellen Kunden, Finanzkrise, etc.) dann wird er von Mitarbeiter Nummer Eins (dem Chef) auf dem Schrottplatz der Gesellschaft (Bewerbermarkt, Arbeitslosigkeit, HartzIV, etc.) entsorgt bzw. abgewrackt.
    Dieser bezeichnet ihn dann, im Gegensatz zu sich selbst, als „nicht leistungsgerecht“, „menschlicher Schrott“ oder als Sozialschmarotzer.

    ***Arbeitsweise***

    Die AFA arbeitet mit vertraglich verbundenen Versicherungsunternehmen zusammen, wie z.B. die Barmenia Krankenversicherung a.G., die Continentale Krankenversicherung WaG, die Deutsche Rechtsschutz Versicherung AG (DEURAG) und die Nürnberger Lebensversicherung AG, um nur einige aufzuzählen.
    Des Weiteren kooperiert die AFA mit der Versicherungsmaklerin B.E.S. GmbH, um sich aus dem dortigen Pool für Angebote bedienen zu können.

    In früheren Jahren war kam es mitunter vor, dass nach einem zweitägigen Gehirnwäscheseminar z.B. einem Müllmann ein Schlips um den Hals gehangen wurde, fertig war ein neuer Versicherungsvermittler. Vielen Bürgern war diese Vorgehensweise bekannt, so dass das Image der Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland lädiert war.
    Seit dem Jahr 2007 ist der Vertrieb von Finanzdienstleistungsprodukten nur noch von Personen mit entsprechender IHK-Prüfung (Sachkundenachweis) erlaubt.
    Weiterhin muss jeder Versicherungsvertreter entsprechend § 34 d Abs. 4 der Gewerbeordnung bei der Zentralen Registrierungsstelle mit einer speziellen Registrierungsnummer registriert sein. Eine Echtheitsprüfung kann man vom Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) e.V., Breite Straße 29, 10178 Berlin geführten Vermittlungsregister unter http://www.vermittlerregister.info oder http://www.vermittlerregister.org durchführen.

    Die AFA hält sich an die gesetzlichen Vorgaben, ich habe alle mir dort bekannten Personen überprüft, welche Versicherungen zu verkaufen versuchten. Sie waren alle bei der zentralen Registrierungsstelle registriert.
    Genau wie alle anderen Versicherungsvermittlungsunternehmen, sucht die AFA permanent Versicherungsvertreter. Da im Unternehmen ein permanenter „Drehtüreffekt“ unter den Versicherungsvertretern herrscht, (Mitarbeiter verlassen dass Unternehmen, neue werden mühevoll gesucht) gibt es in regelmäßigen Abständen Mitarbeiterbeschaffungsaktionen.

    Die Mitarbeiter (freie Handelsvertreter) sind in verschiedenen Stufen strukturiert. An unterster Stelle stehen die Datenerfasser, welche im Verwanden- und Bekanntenkreis Personen für einen „Vorteilscheck“ eruieren sollen. Diese Checkliste ist die Grundlage für die Versicherungsvertreter mit Sachkundenachweis (einige Stufen über dem Datenerfasser stehend) um den so neu eruierten Kunden Versicherungen zu verkaufen.
    Eine der Mitarbeiterbeschaffungsaktionen möchte ich hier beschreiben.

    ***Erster Telefonkontakt***

    Eines Tages fand ich einen Zettel in meinem Briefkasten.

    NEBENTÄTIGKEIT
    Bei 8 Stunden wöchentlich bis zu 400,00 EUR möglich
    Auch Praktikums- und Ausbildungsplätze
    0162-7199…

    Da ich für einen Nebenjob stets aufgeschlossen bin, kontaktierte ich die Nummer.Eine freundliche Frauenstimme begrüßte mich.

    Ich hinterfragte das Aufgabengebiet und die Art der Tätigkeit.
    Meine Gesprächspartnerin erwiderte: „Wir arbeiten ähnlich wie die Stiftung Warentest, eine Agentur welche Preis- und Leistungsvergleiche anstellt.
    Ich ergänzte: „Das heißt also Produkte und Artikel auf Alltagstauglichkeit testen und ein entsprechendes Statement dazu dokumentieren.
    Frau N.: „Nein, Nein, so nicht. Wir stellen die Preis- und Leistungsvergleiche im Finanzdienstleistungsbereich an.
    Meine Frage: „Was sind denn nun genau die Arbeits- und Aufgabeninhalte?“
    Frau N.: „Oh, die sind vielfältig. Sie stellen im Büro Preis- Leistungsvergleiche an und erfassen beim Kunden Daten, welche Sie dann in den PC eingeben.
    Daraufhin wiederholte ich: „Wenn ich Sie richtig verstehe, dann soll ich Verträge in den PC eingeben“.
    Frau N.: „Ja, genau. Wie schon beschrieben können Sie bei 8 Stunden Arbeit in der Woche bis zu 400 EUR im Monat verdienen.
    Ich bat meine Gesprächspartnerin um etwas Geduld: „Einen Moment. Ich rechne nur einmal schnell den Stundensatz aus.

    Der Taschenrechner krachte herunter, ein Schreibblock begleitete ihn beim Sturz auf den Boden.

    Ich weiter: „Der Taschenrechner war gerade heruntergefallen. Moment. Jetzt hab ich ihn. In einem Monat sind im Durchschnitt 4,33 Wochen enthalten, als Kalkulationsgröße. Jetzt multipliziere ich 4,33 Wochen mal 8 Stunden, das ergibt 34,64 Stunden im Monat. Nun dividiere ich die 400 EUR durch die gerade ausgerechneten 34,64 Stunden. Das ergibt einen Stundensatz von 11,55 EUR. Das ist zwar nicht viel, aber für einen Nebenjob geht das schon in Ordnung.
    Sie erhalten dafür zwar keine Bestleistung von mir, aber auch keine Minderleistung. Mittlerer Aufwand für mittleres Einkommen.
    „Ist denn die Nebentätigkeit eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit?“
    Frau N.: Ja, das ist so eine Sache. Sie erhalten ihr Einkommen durch die vereinnahmten Verträge, da zweigen wir auch etwas für Sie ab.“
    Ich fragte: „Das erscheint mir aber suspekt. Soll ich hier etwa Versicherungen verkaufen?“
    Frau N: „Nein, Nein. Das dürfen Sie gar nicht. Dafür müssen Sie eine Prüfung ablegen, das können Sie aber gern bei uns durchführen. Aber nur wenn Sie sich weiterentwickeln wollen.
    Daraufhin erwiderte ich: „Ich möchte mich lieber nicht weiterentwickeln. Da muss ich dann bloß Versicherungen verkaufen, wozu ich überhaupt keine Lust habe.
    Wie heißt denn eigentlich das Unternehmen, welches hinter Ihnen steht?
    Frau N. überlegte kurz, dann erwiderte Sie: „Das ist die AFA“.
    Ich dachte laut nach: „AFA. Einen Moment“

    Dann gab ich bei einer Verbrauchercommunity das Kürzel AFA ein.
    sogleich schnellten die Ergebnisse auf dem Bildschirm.

    Dann las ich laut vor: „Da gibt es über 122 Erfahrungsberichte. Was da alles aufgelistet ist.
    Gesunder Menschenverstand, Mit AFA in eine fragwürdige Zukunft, Gerade noch abgesprungen, AFA – Alles Fürn Arsch, versuchte Irreführung. Da steht ja eine ganze Menge über AFA. Das muss ich nachher gleich mal durchlesen. Sehr interessant“.

    Frau N. ging nicht weiter darauf ein und ergänzte: „Ich notiere Ihre Telefonnummer und werde einen Termin für das Bewerbungsgespräch mit den Chefs abklären. Am Freitag (also zwei Tage später) melde ich mich bei Ihnen“.
    Ich gab Frau N. meine Telefonnummer und wartete nun freudig auf die kommenden Dinge.

    Da Finanzvertriebsunternehmen stets händeringend Leute suchen (als Finanzvertriebsmitarbeiter will nämlich kaum jemand arbeiten), war ich der sicheren Überzeugung zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
    Mir viel im Gespräch auf, dass Frau N. kein einziges Mal nach meiner beruflichen und qualifikativen Vorraussetzungen fragt. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Helfertätigkeit, die jeder machen kann.
    Vom erfolglosen Förderschulabbrecher bis zum mehrfach promovierten Akademiker, also für jeden geeignet, so mein Eindruck vom Telefongespräch.

    Wie geplant und erwartet wurde ich zum Bewerbungsgespräch eingeladen.
    Als ich zum vereinbarten Termin beim AFA-Büro erschien, war dieses verschlossen.
    Vielleicht hatten meine Gesprächspartner das Weite gesucht oder den Termin vergessen.

    ***Zweiter Telefonkontakt***

    Ich rief die Telefonnummer einer Zeitungsanzeige mit dem gleichen Wortlaut wie beim ersten Versuch, an.
    „JA“ schnarrte eine junge Männerstimme, geschätztes Alter Ende 20, am anderen Ende des Hörers. Eine Firmen- und Namennennung nannte er nicht.
    „Ich rufe aufgrund Ihrer Zeitungsanzeige an. Um welche Art von Tätigkeit handelt es sich denn dabei?“ fragte ich meinen telefonischen Gegenüber.
    „wirsindeinepreisleistungsangentur ndführenfür“ ratterte dieser in den Hörer, als gelte es einen Schnellsprechwettbewerb zu gewinnen.
    „Entschuldigung“ rief ich dazwischen „Ich kann Sie überhaupt nicht verstehen. Sprechen Sie doch bitte etwas langsamer“ Meine Gegenüber stoppte den Schnellsprechmodus und erläuterte nun mit ruhiger Stimme:
    „Wir sind eine Preis- Leistungsagentur und führen Preisvergleiche durch“ antwortete dieser.
    Ich hinterfragte: „Können Sie mir über die vakante Tätigkeit Näheres berichten?“
    „Ja“ antwortete mein Gesprächspartner: „Sie geben lediglich Datenbögen von Kunden in einen PC ein“.
    „Also A4-Blätter in den PC einklopfen. Klimper, Klimper, auf den Tasten klimpernd Blätter abschreiben“ gab ich zurück.

    Mein telefonischer Gegenüber lachte: „Klimper, Klimper. Genauso. Allerdings handelt es sich nicht um A4-Blätter sondern um kleine Heftchen, welche Sie in den PC eingeben.“
    „Das scheint ja eine ganz einfache Sache zu sein“ erwiderte ich.

    „Ist es auch“ ergänzte der Mitarbeiter und vereinbarte mit mir einen Termin für ein persönliches Gespräch.
    „Wie heißt denn Ihr Unternehmen“ fragte ich danach. „Den Firmennamen hatte ich zu Beginn leider nicht verstanden.“ „AfA“ gab mein Gesprächspartner zurück.
    „Ihren werten Namen habe ich eingangs leider nicht verstanden. Können Sie mir diesen bitte noch einmal nennen?“
    „Däd…Däd…Däd…“ stotterte mein Gegenüber.
    „Ich frage Sie doch bloß, damit ich Sie im Unternehmen an unserem Termin besser finden kann“ unterbrach ich meinen stotternden Gesprächspartner.

    Dieser hielt mit stottern inne und nannte mir nach kurzer Überlegung seinen Namen. „Herr Sch.“

    *** Das Vorstellungsgespräch***

    Einige Tage später betrat ich die AFA-Geschäftsstelle. Nach kurzer Wartezeit luden mich meine beiden Gesprächspartner, Herr P. und Herr Sch. in einen Besprechungsraum ein.
    Beide waren businesslike gekleidet, bei Herrn Sch. hatte ich den Eindruck dass es sich um einen ehemaligen Handwerker oder Bauarbeiter handelte, welcher sich in seinem Habit nicht so recht wohl fühlte.
    Als ich ihnen erläuterte, dass mich der Nebenjob als Mitarbeiter für die PC-Eingabe von Fragebögen, sehr interessieren würde, warfen sich beide verstohlene Blicke zu.

    Herr P.: „Bei uns läuft das folgendermaßen. Wir haben heute hier ein unverbindliches Kennenlerngespräch. Am Samstag findet eine anderthalbstündige Informationsveranstaltung zum Unternehmen statt. Dann gibt es dreimal wöchentlich Mitarbeiterschulungen, wobei eine Schulung etwa zwei Stunden dauert.
    Ich stöhnte: „Soviel Aufwand und Zeit um die PC-Eingabe der Fragebögen zu erläutern. Das finde ich aber sehr aufwendig. Muss denn das sein?“
    Herr P. entgegnete: „Die Fragebögen sind äußerst komplex, die PC-Eingabe setzt eine sorgfältige Schulung voraus.“
    Ich hinterfragte: „Wie viel Fragebögen muss ich denn in einer Stunde eingeben und mit welchen Stundensatz brutto wird eine Arbeitsstunde honoriert?“
    Herr P. drehte einen Fragebogen in den Händen: „Die ersten Fragebögen dauern etwas länger, dann geht es ruck-zuck. Es gibt am Anfang 7,00 Euro die Stunde, etwas später gibt es dann 15,00 Euro pro Stunde, äh entsprechender Einheiten, so heißt das bei uns“ verbesserte sich Herr P. schnell.
    „Hört sich ja gut an, also klimper, klapper, klick, Fragebögen eintippen“ ergänzte ich schmunzelnd. Herr Sch. grinste und Herr P. nickte.
    „Was sind denn das für Fragebögen bzw. kann ich mal einen Fragebogen sehen?“ wandte ich mich an Herrn P.
    Hinter der freundlichen Fassade von Herrn P. vermeinte ich ein leises Knurren zu hören. Wortlos schob er den Fragebogen unter eine andere Unterlage. „Wir sind diejenigen, welche unserem Kunden Ersparnisse verschaffen. Würden Sie nicht auch, wenn Sie aus mehreren Produkten auswählen könnten, sich stets für das günstigste Produkt entscheiden?“ fragte mich Herr. P. mit einem feinen Schleifen in der Stimme.
    „Diese Frage kann ich nicht beantworten“ entgegnete ich: „Dazu fehlen mir Detailinformationen. Was nützt denn z. B. bei der Auswahl von Telefonanbietern der günstigste Anbieter, wenn beim vergleichbar günstigen Preis kaum eine Verbindung zustande kommt. Dann ist das Produkt bzw. der Anbieter für mich wertlos“ warf ich als Beispiel ein.
    Herr Sch. lachte laut auf, als hätte ich den Witz der Woche zum Besten gegeben. Herr P. wandte ein: „Natürlich nur wenn die Produkteigenschaften die gleiche sind. Aber so sagen Sie doch, würden Sie dann das günstigste Produkt auswählen?“
    Auch diese Suggestivfrage verfehlte ihre Wirkung. „Der niedrigste Preis ist eine entscheiderrelevante Produktspezifiktion, aber nicht die Wesentlichste. Bei der Produkt- bzw. Anbieterauswahl gilt es neben dem Preis eine Fülle weiterer Parameter zu berücksichtigen“ entgegnete ich.
    Herr P. schien unzufrieden.
    „Kann ich mir den Fragebogen anschauen. Den hatten Sie vorhin hier herunter geschoben“ ich wies mit der Hand auf die Stelle auf dem Tisch. Herrn P. presste verkrampft die Hände auf die Unterlage, als gelte es ein Kleinod vor dem bösem Blick zu bewahren, so mein Eindruck.
    Er sprach mit versteinerter Mine: „Das geht nicht. Dazu gibt es ja nächste Woche die Schulungen.“
    Ich ließ nicht locker: „Aber könnte ich nur einen kurzen Blick hineinwerfen, falls der Fragebogen dabei Schaden nehmen sollte, ersetze ich Ihnen diesen auch“.
    Herr P. blieb hart. „NEIN“.
    Jetzt hellte sich seine Mine auf: „Sie können aber gern mit Herrn Sch. einen Fragebogen über sich ausfüllen, darüber wird er sich bestimmt freuen“ Er nickte Herrn Sch. zu, welcher das Gespräch staunend verfolgte.
    Ich verneinte. „Weitere Informationen gibt es später, alles zu seiner Zeit und in kleinen Schritten“ so Herr P.
    Wir stimmten den Termin für den „Tag der offenen Tür“ am Samstag ab, Herr P. schärfte mir noch ein dort in kaufmännischer Kleidung zu erscheinen, dann verabschiedete ich mich von den Beiden.

    ***Der „Tag der offenen Tür***

    In einem Bürogebäude, in dem ein bunter Mix verschiedenster Unternehmen residierte, sollte der „Tag der offenen Tür“ stattfinden.

    Vor dem Eingang tummelten sich mehrere festtäglich gekleidete Gruppen von Menschen aller Altersklassen. Auf dem Fuß- und Radweg, kreuz und quer, standen einige PKW, wie Audi TT und BMWs der Siebenerreihe.
    Ich kam umweltschonend, den radwegig abgestellten Premiumkarossen ausweichend, mit dem Fahrrad angerollt, welches ich vorschriftsmäßig im Fahrradständer anschloss.
    Eine Gruppe junger Frauen steuerten auf das Gebäude zu. Eine der Damen, langbeinig und kurzberockt, fiel mir besonders ins Auge. Dieser folgte ich bis in den mit Menschen gefüllte Foyer, wo ich sie dann aber aus den Augen verlor. Dafür erblickte ich Herrn Sch. und kurz darauf Herrn P. welcher mir zuwinkte. Herr P. wies Herrn Sch. an, mich zu begleiten und mir einen Platz im Seminarraum zu zuweisen.

    Dieser war bereits gut gefüllt, auf einer Beamerleinwand lief ein Pop-Video einer mir unbekannten Sängerin. Ich signalisierte Herrn Sch. wo ich gern Platz nehmen wollte. „Geht nicht“ sagte dieser. Er wies mir einen Platz nahe dem Moderatorenplatz zu. „Damit die Reihen fest geschlossen sind“ bemerkte er. „Die Reihen fest geschlossen“ wiederholte er mit festem Blick und entschwand. Leise hörte ich die jemanden sagen: „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, SA marschiert…“ Das war ja das Horst-Wessel-Lied, ein Lied aus dem Dritten Reich.
    Sollte es sich hier um rechtsgerichtete Propagandaveranstaltung handeln?
    Mich beschlich ein ungutes Gefühl.

    „Hatten Sie freie Platzwahl oder wurde ihnen dieser Platz auch zugewiesen“ fragte ich meine Sitznachbarin, eine Dame Anfang 30, „Ich hatte freie Platzwahl“ antwortete meine Sitznachbarin.
    Dann startete die Veranstaltung.
    Frau S. , Herr G. und Herr H. moderierten die Firmenpräsentation der AFA. Ganz im Gegensatz wie ich anfangs befürchtete, sprachen Sie sehr ruhig und sachlich über die
    AFA. Kein lautes Getöse, Geschrei, Gebrüll, psychedelischer Zirkus, Massensuggestion und ähnliche Merkwürdigkeiten im Veranstaltungsverlauf. In der Tat, ich war ausgesprochen angenehm überrascht.
    Allerdings nannten sie auch nicht alle Informationen. Diese sollte man bei den „Betreuern“ (in meinem Fall Herr P. und Herr Sch.) oder an den Schulungstagen der nächsten Woche hinterfragen.
    Während des Referates betrachtete ich die Gäste. Zur Veranstaltung hatten sich ca. 60 Zuhörer eingefunden. Die Alterstruktur schätzte ich zwischen 18 und 60 Jahre ein.

    Bei den Herren fiel mir auf, dass einige davon neben dunklen Anzug und Krawatte, genormte Arbeitsschutzschuhe an den Füßen trugen. Das verwunderte mich nicht weiter, denn auf dem Gelände befanden sich verschiedene gewerblich-technische Unternehmen und Handwerksbetriebe. Sogar eine Entsorgungsfirma war darunter. Wahrscheinlich waren einige Gäste vorher noch arbeiten. Andere trugen zur dunklen Flanellhose mit Bügelfalte, weiße Tennissocken oder dunkle Sneakers.

    Den Worten des Referenten, einem ehemaligen Kfz-Mechaniker, entnahm ich dass die AFA eine wohltätige Organisation sei, deren Aufgabe es sei den Menschen zu helfen. Er skizzierte das Bild eines Baggers, mit dem Leitthema: „Die Abgreifer kommen“. Er sprach über die Defizitentwicklung der öffentlichen Hand, einem Überangebot sowie einer
    Unmenge von Finanzprodukten auf dem Markt, wo Durchblick sei nicht mehr möglich sei.
    Dadurch seien 80 Mill. Bundesbürger betroffen.
    Weiter ging es mit Binsenweisheiten über Beratungskompetenzen von Banken, dass jede Bank nur ihre eigenen Versicherungsprodukte verkaufen würde.
    Dem würde nur ein Versicherungscheck helfen, welche die AFA zu wohltätigen Zwecken unter der leidgeprüften deutschen Bevölkerung durchführe.
    Dazu seien heute die Gäste eingeladen wurden.

    Der Moderator sprach über das deutsche Rentenversicherungsmodell, den Generationenvertrag, die Prognose der Zukunft und dass dieses Modell in seiner bisherigen Form langfristig nicht mehr finanzierbar sei.
    Danach folgte ein Angstfilm / Witzvideo mit folgenden Inhalt:
    Der Arzt sagte zum Patienten: Mit Ihrer Konstitution werden Sie 100 Jahre alt. Der Patient seufzte daraufhin: „Meine Altersvorsorge ist nur bis zum 80sten Lebensjahr kalkuliert, länger reicht sie nicht, da bin ich stark verunsichert“.
    Der Arzt empfahl daraufhin exzessives Rauchen und jedes Wochenende richtig durchzusaufen, um die Langlebigkeit zu verkürzen. Der Patient schien erleichtert.
    Die Zuhörer lachten.

    Herr H., ein weiterer Referent, hatte dafür eine Lösung parat.
    Den Vorteilscheck. Das ist das Fragebogenheft (welches Herr P. beim „Kennenlerngespräch“ vor mir versteckte) mit welchem eine Analyse der aktuellen finanziellen Situation beim Kunden vorgenommen werden würde. Das sei dann die Grundlage für das „Versorgen“ des Kunden mit diversen Versicherungen.
    Dann stellte Herr H. die Karrierestufen in der AFA-Vetriebshierarchie vor.
    So nannte er Datenerfasser mit 300 Euro- 700 Euro, Konzeptverkäufer mit 750 Euro- 1500 Euro und Top-Verkäufer mit einem unveröffentlichten Monatseinkommen. Allerdings handelte es sich nicht um Stundenlöhne oder Gehälter sondern um die Provisionen „verkaufter Einheiten“.

    Die Datenerfasser, so wie ich, sollten Personen aus dem Verwandten-, Bekannten- und Freundeskreis animieren mit ihnen dass Fragebogen-Heft auszufüllen. Dieses wird in eine Software eingegeben, welche dann diverse Angebote ermittelt. Jetzt tritt der zertifizierte Versicherungsvermittler auf den Plan, welcher die Produkte dann „verhökert“ bzw. an den Kunden verkauft.
    Dann kam Herr H. auf die Vorraussetzungen für eine Tätigkeit bei der AFA zu sprechen.
    Hier nannte er nur die persönlichen Eigenschaften, wie positive Geisteshaltung, Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen, Fleiß und Höflichkeit.

    Fachliche Vorraussetzungen nannte er nicht. Das würde auch das Tragen der Arbeitsschuhe einiger Gäste im Anzug erklären, sowie meine Einschätzung nach dem ersten Telefonkontakt: „Für alle geeignet, vom Förderschulabrecher bis zum mehrfach promovierten Akademiker“.
    Herr H. warnte: „Nicht für jeden ist unserer Geschäft geeignet. Einige Mitarbeiter sind nichts für uns, von denen trennen wir uns natürlich“.
    Am Ende der Veranstaltung warb der Referent, Herr H. Mit den Worten:
    Die Expansion der AFA ist ein Muss, weil der Markt die AFA braucht.
    Meiner Ansicht nach bedarf der Markt die AFA nicht, aber die AFA ist zwingend auf den Markt angewiesen. Ohne Markt keine Kunden, ohne Kunden keine Provisionen.

    ***Fazit***

    Bei der AFA arbeiten fast ausschließlich selbständige Versicherungsvertreter als Handelsvertreter auf Provisionsbasis. Die Datenerfasser erhalten ebenfalls eine Provision, welche aus dem durchgeführten Folgegeschäft des erfolgreichen Versicherungsverkaufs resultiert. Somit ist der Eigennutz über dem Kundennutzen gestellt.
    Die Ursache des Übels sind somit nicht die Mitarbeiter der AFA sondern das Provisionssystem, indem sie rotieren.Eingezwängt in ein System der Fremd- und Selbstausbeutung, Existenzangst und Zielvorgaben werden diese den eigenen Einkommensnutzen über dem Kundennutzen stellen, so meine Ansicht dazu.
    Diese im Versicherungsgewerbe üblichen Strukturen lassen somit keine andere Verfahrensweise zu.Ob der unter Provisionsdruck stehende Versicherungsvertreter eine saubere, objektive, unabhängige und faire Beratung bieten kann, möge jeder selber entscheiden.

    Ich würde mich freuen wenn sie meinen Kommentar veröffentlichen

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