das hat der europäische Gerichtshof soeben entschieden. Eine Begründung und mögliche Folgen aus dem Urteil sind noch nicht bekannt. Hier soll es im Laufe des Tages weitere Hinweise und Nachrichten geben. Es geht um die Hilfen während der Corona-Pandemie. Gelder, die die Lufthansa schon zum größten Teil zurückbezahlt hat.
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Das Gericht erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig, mit dem die von Deutschland im Kontext der Covid–19–Pandemie geplante Rekapitalisierung der Lufthansa in Höhe von 6 Mrd. Euro genehmigt wurde
Der Kommission sind mehrere Fehler unterlaufen, und zwar insbesondere, indem sie erstens angenommen hat, die Lufthansa sei nicht in der Lage, sich in Höhe ihres gesamten Bedarfs Finanzmittel auf den Märkten zu beschaffen, zweitens keinen Mechanismus verlangt hat, mit dem ein Anreiz für die Lufthansa geschaffen wird, die Kapitalbeteiligung Deutschlands so bald wie möglich zurückzukaufen, drittens eine beträchtliche
Marktmacht der Lufthansa an bestimmten Flughäfen verneint hat und viertens bestimmte Verpflichtungen akzeptiert hat, die nicht gewährleisten, dass ein wirksamer Wettbewerb gewahrt wird
Am 12. Juni 2020 meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Kommission eine Einzelbeihilfe in
Form einer Rekapitalisierung in Höhe von 6 Mrd. Euro (im Folgenden: fragliche Maßnahme) an, die sie der
Deutschen Lufthansa AG (im Folgenden: DLH) gewährt hatte. Diese Rekapitalisierung, die Teil eines größeren Pakets
von Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Lufthansa Group1 war, zielte darauf ab, in der durch die Covid–19–
Pandemie hervorgerufenen Ausnahmesituation die Bilanzpositionen und die Liquidität der Unternehmen der
Lufthansa Group wiederherzustellen.
Die fragliche Maßnahme umfasste drei Elemente, nämlich eine Kapitalbeteiligung in Höhe von ca. 300 Mio. Euro,
eine nicht in Aktien umwandelbare stille Beteiligung in Höhe von ca. 4,7 Mrd. Euro (im Folgenden: stille Beteiligung I)
und eine als wandelbares Schuldinstrument konzipierte stille Beteiligung in Höhe von einer Mrd. Euro (im
Folgenden: stille Beteiligung II).
Ohne das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, stufte die Kommission die fragliche
Maßnahme als staatliche Beihilfe ein, die gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV2 und ihrer Mitteilung über den
Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von
Covid–193 mit dem Binnenmarkt vereinbar sei
Die Fluggesellschaften Ryanair DAC und Condor Flugdienst GmbH (im Folgenden: Condor) haben gegen diesen Beschluss zwei Nichtigkeitsklagen erhoben, denen die Zehnte erweiterte Kammer des Gerichts stattgibt, weil die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses mehrere im Befristeten Rahmen vorgesehene Voraussetzungen und Anforderungen missachtet hat.
Würdigung durch das Gericht Zulässigkeit der Nichtigkeitsklagen
Was die Frage betrifft, ob die Klägerinnen befugt sind, den angefochtenen Beschluss inhaltlich anzugreifen, weist
das Gericht darauf hin, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV jede natürliche oder juristische Person gegen eine nicht an
sie gerichtete Handlung in zwei Fällen Klage erheben kann, nämlich zum einen, wenn die betreffende Handlung sie
unmittelbar und individuell betrifft, und zum anderen, wenn es sich um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt, die sie unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.
Da der angefochtene Beschluss, der an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, keinen Rechtsakt mit
Verordnungscharakter darstellt, prüft das Gericht, ob die Klägerinnen von diesem Beschluss unmittelbar und
individuell betroffen sind.
Was zum einen die individuelle Betroffenheit anbelangt, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass diese Voraussetzung erfüllt sein kann, wenn die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen dartun, dass die fragliche Maßnahme geeignet ist, ihre Stellung auf dem betroffenen Markt spürbar zu beeinträchtigen. Dementsprechend haben Ryanair und Condor glaubhaft gemacht, dass sie auf zahlreichen Flugverbindungen, bei denen es sich jeweils um einen
betroffenen Markt handelt, unmittelbar mit der Lufthansa Group konkurrieren. Ryanair hat außerdem dargetan, dass sie auf dem deutschen, dem belgischen und dem österreichischen Markt unmittelbar mit der Lufthansa Group
konkurriert.
Nach dem Hinweis, dass im Stadium der Prüfung der Zulässigkeit der Klage die Feststellung genügt, dass die von
den Klägerinnen dargelegte Definition des betroffenen Marktes plausibel ist, ohne dass dies der vertieften Prüfung dieser Frage vorgreift, bestätigt das Gericht, dass die fragliche Maßnahme geeignet war, die Wettbewerbsstellung der Klägerinnen auf dem Markt für Passagierluftverkehr spürbar zu beeinträchtigen.
Aus den von den Klägerinnen vorgelegten maßgeblichen und glaubhaften Angaben ergibt sich nämlich in Verbindung mit dem angefochtenen Beschluss, dass die fragliche Maßnahme nicht nur dazu geeignet war, die Lufthansa Group in die Lage zu versetzen, die Gefahr des Verschwindens von den Märkten, auf denen sie in
unmittelbarem Wettbewerb mit den Klägerinnen stand, abzuwenden, sondern auch das Potenzial hatte, die
Wettbewerbsstellung der Lufthansa Group zu stärken.
So war die Gewährung der fraglichen Maßnahme prima facie
dazu angetan, Einnahmeausfälle oder eine weniger günstige Entwicklung als diejenige, die die Klägerinnen ohne
eine solche Maßnahme verzeichnet hätten, herbeizuführen.
Was zum anderen die unmittelbare Betroffenheit der Klägerinnen anbelangt, weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein Konkurrent des Empfängers einer Beihilfe von einem Beschluss der Kommission, der einem Mitgliedstaat die Auszahlung der Beihilfe gestattet, unmittelbar betroffen ist, wenn der entsprechende Wille des Mitgliedstaats nicht in Zweifel steht. Dies war hier der Fall.
Aufgrund all dieser Erwägungen bestätigt das Gericht, dass die Klägerinnen befugt sind, den angefochtenen Beschluss mit ihren Nichtigkeitsklagen inhaltlich anzugreifen.
Begründetheit der Nichtigkeitsklagen Vor der Prüfung der Begründetheit der verschiedenen von den Klägerinnen angeführten Nichtigkeitsgründe weist das Gericht darauf hin, dass die Kommission an die Rahmen und Mitteilungen, die sie speziell im Bereich der staatlichen Beihilfen veröffentlicht, gebunden ist, soweit sie nicht von den Vorschriften des AEUV abweichen. Folglich haben die Unionsgerichte zu prüfen, ob sich die Kommission an die Regeln gehalten hat, die sie in diesem Bereich
für sich selbst aufgestellt hat.
Das Gericht hebt außerdem hervor, dass es im Rahmen der Kontrolle, die es in Bezug auf die Würdigung komplexer
wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausübt, zwar nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen darf. Gleichwohl muss es nicht nur die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der angeführten Beweise prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.
Zudem sind die Unionsgerichte sowohl in Bezug auf Beurteilungen der Kommission, die nicht mit der Würdigung komplexer
wirtschaftlicher Gegebenheiten verbunden sind, als auch in Bezug auf rein rechtliche Fragen zu einer umfassenden
Kontrolle befugt.
A. Förderfähigkeit der DLH im Hinblick auf die angemeldete Beihilfe Nach diesen einleitenden Hinweisen prüft das Gericht zunächst die verschiedenen Rügen, mit denen die
Förderfähigkeit der DLH im Hinblick auf die angemeldete Beihilfe in Abrede gestellt wird. Insoweit haben die Klägerinnen insbesondere eine Missachtung von Rn. 49 Buchst. c des Befristeten Rahmens geltend gemacht, wonach der Beihilfeempfänger, um eine Rekapitalisierungsmaßnahme in Anspruch nehmen zu können, außerstande sein muss, sich zu erschwinglichen Konditionen Finanzmittel auf den Märkten zu beschaffen.
Im angefochtenen Beschluss heißt es hierzu, diese Voraussetzung sei erfüllt gewesen, da die DLH nicht über hinreichende Sicherheiten verfügt habe, um sich Finanzmittel in Höhe des Gesamtbetrags der Beihilfe auf den Märkten zu beschaffen.
Hierzu stellt das Gericht jedoch fest, dass der angefochtene Beschluss nicht erkennen lässt, dass die Kommission die mögliche Verfügbarkeit von Sicherheiten (wie etwa unbelastete Flugzeuge der DLH), ihren Wert und die Bedingungen etwaiger Darlehen, die auf den Finanzmärkten gegen solche Sicherheiten hätten
aufgenommen werden können, geprüft hat. Zudem beruht die Behauptung, dass die (im angefochtenen Beschluss nicht genauer bezeichneten) „Sicherheiten“ nicht ausreichen würden, um den gesamten Finanzbedarf zu decken, auf der unzutreffenden Prämisse, dass die Finanzmittel, die auf den Märkten aufgenommen werden können, unbedingt den gesamten Bedarf des Beihilfeempfängers decken müssen. Weder der Wortlaut noch der Zweck noch der Regelungskontext von Rn. 49 Buchst. c des Befristeten Rahmens stützen die Auffassung, dass der Beihilfeempfänger außerstande sein muss, sich Finanzmittel in Höhe seines gesamten Bedarfs auf den Märkten zu beschaffen.
Da die Kommission es also versäumt hat, zu prüfen, ob die DLH einen nicht unerheblichen Teil der notwendigen Finanzmittel auf den Märkten hätte aufnehmen können, gelangt das Gericht zu dem Schluss, dass sie nicht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt hat, auf die es ankam, um zu beurteilen, ob die fragliche Maßnahme mit Rn. 49 Buchst. c des Befristeten Rahmens im Einklang stand. Infolgedessen gibt das Gericht der Rüge statt, mit der Ryanair eine Missachtung dieser Randnummer beanstandet hat, und hält erst recht die Rüge für begründet, mit der Condor geltend gemacht hat, dass insoweit ernsthafte Zweifel bestanden hätten.
B. Vergütung und Ausstieg des Staates
Das Gericht wendet sich sodann den Rügen zu, mit denen geltend gemacht wird, die im Befristeten Rahmen vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf die Vergütung und den Ausstieg des Staates seien missachtet worden.
Insoweit hat Ryanair der Kommission insbesondere vorgeworfen, keinen Staffelungsmechanismus vorgesehen zu haben, nach dem sich die Vergütung des deutschen Staates in Bezug auf die Beteiligung am Kapital der DLH und die stille Beteiligung II nach ihrer etwaigen Umwandlung in Eigenkapital erhöhen würde.
Befristeten Rahmens, dass, um einen Anreiz für den Beihilfeempfänger zu schaffen, das für die staatliche
Kapitalzuführung verwendete Instrument zurückzukaufen, jede Rekapitalisierungsmaßnahme einen
Staffelungsmechanismus vorsehen muss, nach dem sich die Vergütung für den Staat erhöht. Nach Rn. 62 des
Befristeten Rahmens kann die Kommission andere Mechanismen akzeptieren, sofern sie insgesamt in Bezug auf die
Anreize für den Ausstieg des Staates zu einem ähnlichen Ergebnis führen und eine ähnliche Gesamtwirkung auf die
Vergütung für den Staat haben.
Die Beteiligung des deutschen Staates am Kapital der DLH war mit keinerlei Staffelungsmechanismus zur Erhöhung
der Vergütung im Sinne von Rn. 61 des Befristeten Rahmens verbunden; die Kommission nahm jedoch an, dass die
Gesamtkonzeption der angemeldeten Beihilfe einen alternativen Mechanismus zur Erhöhung der Vergütung im
Sinne von Rn. 62 bilde, da sie hinreichend starke Anreize für den Ausstieg des Staates aus dem Kapital der DLH
vorsehe. Zur Stützung dieser Feststellung verwies die Kommission insbesondere darauf, dass die Bundesrepublik
Deutschland die Aktien der DLH zu einem stark reduzierten Preis erworben habe, wodurch sie eine höhere
Vergütung erlange, als es bei Anwendung eines Staffelungsmechanismus der Fall gewesen wäre.
Das Gericht weist diese Argumentation jedoch zurück und stellt fest, dass der Preis der vom Staat anlässlich seiner
Beteiligung am Kapital des Beihilfeempfängers erworbenen Aktien durch Rn. 60 des Befristeten Rahmens geregelt
wird, wonach eine Kapitalzuführung durch den Staat nicht zu einem Preis erfolgen darf, der über dem
durchschnittlichen Aktienkurs in den 15 Tagen vor Beantragung der Kapitalzuführung liegt. Gegenstand und Zweck
dieser Regelung unterscheiden sich von Gegenstand und Zweck des Staffelungsmechanismus. Denn während dieser
Mechanismus einen Anreiz für den betreffenden Beihilfeempfänger schaffen soll, die staatlichen Anteile so bald wie
möglich zurückzukaufen, zielt die Regelung über den Kaufpreis der Aktien im Wesentlichen darauf ab, zu
gewährleisten, dass der Preis, zu dem der Staat Aktien erwirbt, nicht über dem Marktpreis liegt. Da der Preis der
Aktien sowohl nach oben als auch nach unten schwanken kann, ist der Kaufpreis nicht unbedingt dazu
angetan, im Lauf der Zeit den Anreiz für den betreffenden Beihilfeempfänger zu erhöhen, die staatlichen
Anteile zurückzukaufen.
Daraus folgt, dass die Höhe des Aktienpreises beim Einstieg des deutschen Staates in das Kapital der DLH
entgegen dem Vorbringen der Kommission keinen alternativen Mechanismus zur Erhöhung der Vergütung
dieses Staates bildete.
Was zweitens die stille Beteiligung II anbelangt, bei der es sich um ein hybrides Kapitalinstrument handelt, so
verlangt Rn. 68 des Befristeten Rahmens, dass, um einen Anreiz für die betreffenden Beihilfeempfänger zu schaffen,
das für die staatliche Kapitalzuführung verwendete Instrument zurückzukaufen, nach dessen Umwandlung in
Eigenkapital ein Staffelungsmechanismus gelten muss, nach dem sich die Vergütung für den Staat erhöht. Es steht
aber außer Frage, dass auch die stille Beteiligung II bei ihrer Umwandlung in Eigenkapital nicht mit einem
Staffelungsmechanismus zur Erhöhung der Vergütung oder einem ähnlichen Mechanismus verbunden ist.
Daher befindet das Gericht, dass die Kommission den Befristeten Rahmen missachtet hat, indem sie nicht verlangt
hat, dass hinsichtlich der Vergütung der Kapitalbeteiligung und der stillen Beteiligung II (bei deren Umwandlung in
Eigenkapital) ein Staffelungsmechanismus zur Erhöhung der Vergütung des Staates oder ein ähnlicher
Mechanismus vorgesehen wird.
C. Beträchtliche Marktmacht der Lufthansa Group auf den betroffenen Märkten; strukturelle Verpflichtungen
Das Gericht prüft schließlich die Rügen, mit denen ein Verstoß gegen Rn. 72 des Befristeten Rahmens beanstandet
wird, wonach, wenn es sich bei dem Empfänger einer Covid–19–Rekapitalisierungsmaßnahme, die sich auf mehr als
250 Mio. Euro beläuft, um ein Unternehmen handelt, das auf mindestens einem der relevanten Märkte, auf denen
es tätig ist, über beträchtliche Marktmacht verfügt, die Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen zur Wahrung eines
wirksamen Wettbewerbs auf diesen Märkten vorschlagen müssen.
Insoweit haben die Klägerinnen im Wesentlichen drei Gruppen von Rügen erhoben, die sich auf Folgendes beziehen:
Direktion Kommunikation
Referat Presse und Information curia.europa.eu
a) die Definition der betroffenen Märkte, b) das Bestehen einer beträchtlichen Marktmacht der Lufthansa Group auf
diesen Märkten und c) die Wirksamkeit und Zulänglichkeit der von der Kommission akzeptierten strukturellen
Verpflichtungen.
a. Definition der maßgeblichen Märkte
Was als Erstes die Definition der maßgeblichen Märkte anbelangt, so hat die Kommission im angefochtenen
Beschluss festgestellt, dass die Märkte, auf denen die Lufthansa Group tätig sei, die Märkte für Passagierluftverkehr
mit Start und Ziel an den von ihr bedienten Flughäfen seien. Somit hat die Kommission die betroffenen Märkte nach
dem Ansatz „Flughafen für Flughafen“ ermittelt. Dieser Ansatz wird von den Klägerinnen beanstandet, denen
zufolge die Kommission die Märkte für Passagierluftverkehr als Verbindungen zwischen einem Ausgangs– und
einem Zielort (im Folgenden: A&Z–Märkte) hätte definieren müssen.
Vor dem Hintergrund, dass in Rn. 72 des Befristeten Rahmens nicht festgelegt ist, nach welcher Methode die
maßgeblichen Märkte zu definieren sind, weist das Gericht darauf hin, dass die vom Befristeten Rahmen erfassten
Rekapitalisierungsmaßnahmen darauf abzielen, eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats
zu beheben, indem sie insbesondere die Rentabilität der von der Covid–19–Pandemie betroffenen Unternehmen
fördern, um ihre Kapitalstruktur auf das vor der Pandemie bestehende Niveau zurückzuführen. Somit sind diese
Beihilfemaßnahmen auf die allgemeine Finanzlage des Empfängers und, allgemeiner betrachtet, die des betroffenen
Wirtschaftssektors gerichtet.
In diesem Zusammenhang sollte die fragliche Maßnahme im Wesentlichen gewährleisten, dass die Unternehmen
der Lufthansa Group über genügend Liquidität verfügen und die durch die Covid–19–Pandemie hervorgerufenen
Störungen nicht ihre Rentabilität beeinträchtigen. Hingegen bestand das Ziel der Maßnahme nicht darin, die Präsenz
der Lufthansa Group auf bestimmten Flugverbindungen zu fördern. Folglich hat die Kommission zu Recht
festgestellt, dass die fragliche Maßnahme darauf abziele, die allgemeine Fähigkeit der Lufthansa Group zur
Erbringung von Luftverkehrsdiensten zu wahren, so dass es nicht angebracht sei, die Auswirkungen dieser
Maßnahme auf jeden einzelnen A&Z–Markt zu untersuchen.
Soweit die Klägerinnen darauf verweisen, dass die maßgeblichen Märkte im Bereich der Fusionskontrolle nach der
A&Z–Methode definiert würden, vermag ihr Vorbringen auch nicht zu überzeugen, da es den Besonderheiten des
Befristeten Rahmens und der fraglichen Maßnahme (die keinen direkteren Bezug zu bestimmten A&Z–Märkten als
zu anderen aufweist) nicht hinreichend Rechnung trägt.
Folglich konnte die Kommission bei der Anwendung von Rn. 72 des Befristeten Rahmens, ohne einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, die betroffenen Märkte nach dem Ansatz „Flughafen für Flughafen“
definieren.
Das Gericht weist auch das Hilfsvorbringen von Ryanair zurück, dass die Kommission den Ansatz „Flughafen für
Flughafen“ fehlerhaft angewandt habe, indem sie ihre Prüfung auf die Flughäfen in der Union beschränkt
habe, an denen die Lufthansa Group eine Basis habe. In dieser Hinsicht stellt das Gericht fest, dass Ryanair nicht
in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass die Lufthansa Group an Flughäfen, an denen sie keine Basis hat,
über beträchtliche Marktmacht verfügen kann, so dass die Kommission diese Flughäfen berechtigterweise von ihrer
Untersuchung ausnehmen konnte. Im Übrigen ist die Kommission im Beihilfenrecht nicht dafür zuständig, zu
prüfen, ob die Lufthansa Group an Flughäfen außerhalb der Union über beträchtliche Marktmacht verfügt.
b. Beträchtliche Marktmacht der Lufthansa Group an den maßgeblichen Flughäfen
Nachdem sämtliche Argumente der Klägerinnen in Bezug auf die Definition der maßgeblichen Märkte als
unbegründet zurückgewiesen worden sind, prüft das Gericht als Zweites die Rügen, die sich auf eine beträchtliche
Marktmacht der Lufthansa Group an den von der Kommission untersuchten Flughäfen beziehen.
Vor dem Hintergrund, dass der Begriff „beträchtliche Marktmacht“ weder im Befristeten Rahmen noch anderweitig nim Beihilfenrecht definiert wird, beginnt das Gericht mit dem Hinweis, dass dieser Begriff als im Wesentlichen mit
dem der beherrschenden Stellung im Wettbewerbsrecht gleichbedeutend zu verstehen ist. Nach ständiger
Rechtsprechung bezeichnet der Begriff der beherrschenden Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines
Unternehmens, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem
relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen
Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.
Im angefochtenen Beschluss (berichtigte Fassung) hat die Kommission ihre Prüfung, ob die Lufthansa Group an den
zehn untersuchten Flughäfen5 über beträchtliche Marktmacht verfügt, auf den Anteil ihrer Zeitnischen an diesen
Flughäfen, auf den dortigen Auslastungsgrad und auf den Anteil der Zeitnischen ihrer Konkurrenten gestützt, wobei
sie auch die Zahl der von der Lufthansa Group und ihren Konkurrenten an bestimmten Flughäfen stationierten
Flugzeuge berücksichtigt hat.
Insoweit stellt das Gericht fest, dass diese Kriterien, die im Wesentlichen mit der Flughafenkapazität
zusammenhängen und den Zugang der Fluggesellschaften zur Flughafeninfrastruktur betreffen, keine
direkten Erkenntnisse liefern, was die Marktanteile der Lufthansa Group auf dem Markt für
Passagierluftverkehr an den untersuchten Flughäfen betrifft. Da aber das Verhältnis der Marktanteile der
Lufthansa Group zu denen ihrer Konkurrenten ein gewichtiger Anhaltspunkt für das Bestehen einer beträchtlichen
Marktmacht ist, durfte die Kommission die Faktoren, aus denen sich Erkenntnisse hierzu ergeben (z. B. die Zahl der
Flüge und der Sitzplätze, die von und zu den betreffenden Flughäfen angeboten werden), nicht ignorieren. Daraus
folgt, dass die Kommission dadurch, dass sie nicht alle maßgeblichen Faktoren berücksichtigt hat, um die
Marktmacht der Lufthansa Group an den betreffenden Flughäfen zu beurteilen, einen offensichtlichen
Beurteilungsfehler begangen hat.
Überdies hat die Kommission jedenfalls einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie allein auf der
Grundlage der von ihr geprüften Kriterien zu dem Schluss gelangt ist, dass die Lufthansa Group in der
Sommersaison 2019 und der Wintersaison 2019/2020 an den Flughäfen Frankfurt und München über beträchtliche
Marktmacht verfügt habe, während dies an den anderen maßgeblichen Flughäfen nicht der Fall gewesen sei.
Insoweit stellt das Gericht fest, dass die Gesamtwürdigung anhand der von der Kommission in Bezug auf die
Flughäfen Düsseldorf und Wien in der Sommersaison 2019 geprüften Kriterien ergibt, dass die Lufthansa Group am
Flughafen Düsseldorf über einen sehr hohen und am Flughafen Wien über einen hohen Anteil der Zeitnischen
verfügte, einschließlich während der Stoßzeiten. Ferner zeigt sich, dass die Auslastung an beiden Flughäfen sehr
hoch war (in den Stoßzeiten bestand sogar nahezu Vollauslastung) und dass die Konkurrenten der Lufthansa Group
eine schwache Stellung innehatten. Folglich konnte die Kommission allein auf der Grundlage dieser Kriterien nicht
berechtigterweise schlussfolgern, dass die Lufthansa Group zumindest in der Sommersaison 2019 an den Flughäfen
Düsseldorf und Wien keine beträchtliche Marktmacht gehabt habe. Zudem unterschieden sich die Daten, anhand
derer die Kommission befand, dass die Lufthansa Group an den Flughäfen Frankfurt und München über
beträchtliche Marktmacht verfügt habe, zumindest in Bezug auf die Sommersaison 2019 kaum von den Daten zu
den Flughäfen Düsseldorf und Wien. Daher gibt das Gericht den Rügen der Klägerinnen statt.
c. Strukturelle Verpflichtungen
Als Drittes prüft das Gericht die Rügen in Bezug auf mehrere Aspekte der strukturellen Verpflichtungen, die die
Kommission gemäß Rn. 72 des Befristeten Rahmen akzeptiert hat, um einen wirksamen Wettbewerb an den
Flughäfen Frankfurt und München zu wahren.
Nach dieser Rn. 72 können die Mitgliedstaaten in ihrem Vorschlag für solche Maßnahmen strukturelle oder
verhaltensbezogene Verpflichtungen anbieten, die in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen6 vorgesehen sind
vollständig beseitigen, in jeder Hinsicht vollständig und wirksam sein und innerhalb kurzer Zeit wirksam umgesetzt
werden können. In diesem Zusammenhang obliegt es der Kommission insbesondere, alle relevanten Faktoren zu
prüfen, die die vorgeschlagene Abhilfemaßnahme betreffen (z. B. Art, Umfang und Tragweite der vorgeschlagenen
Maßnahme), und sie anhand der Struktur und der besonderen Merkmale des Marktes, auf dem Anlass zu
Wettbewerbsbedenken besteht, zu beurteilen, einschließlich der Stellung der beteiligten Unternehmen und der
anderen Marktteilnehmer.
Ferner sind die spezifischen Regelungen des Beihilfenrechts zu berücksichtigen, insbesondere der Befristete
Rahmen, in dem das Erfordernis der zusätzlichen Maßnahmen aufgestellt wird. Da die gemäß dem Befristeten
Rahmen gewährten Beihilfen zum Ziel haben, die operative Kontinuität rentabler Unternehmen während der Covid–
19–Pandemie zu gewährleisten, müssen die in dessen Rn. 72 genannten Verpflichtungen so ausgestaltet sein, dass
sie garantieren, dass der Beihilfeempfänger nach der Gewährung der Beihilfe nicht über mehr Marktmacht verfügt
als vor dem Ausbruch von Covid–19 und dass auf den betroffenen Märkten ein wirksamer Wettbewerb
aufrechterhalten wird.
Im vorliegenden Fall sah der angefochtene Beschluss als Maßnahmen, die von der Bundesrepublik Deutschland
gemäß Rn. 72 des Befristeten Rahmens angeboten wurden, u. a. vor, dass die DLH an den Flughäfen Frankfurt und
München jeweils 24 Zeitnischen pro Tag abtreten sowie weitere Vermögenswerte veräußern sollte, wie es der
Zeitnischenkoordinator verlangt hatte, um die Übertragung von Zeitnischen vornehmen zu können.
Insoweit haben die Klägerinnen u. a. das im angefochtenen Beschluss bestätigte Verfahren zur Abtretung der
Zeitnischen beanstandet, das aus zwei Phasen bestehen sollte. In der ersten Phase sollten die Zeitnischen nur
„neuen Marktteilnehmern“ angeboten werden. Falls die Zeitnischen nach einem bestimmten Zeitraum, der sich über
mehrere Saisons erstreckte, noch nicht an einen neuen Marktteilnehmer abgetreten wurden, sollten sie in einer
zweiten Phase Luftfahrtunternehmen zur Verfügung gestellt werden, die an einem der beiden Flughäfen bereits
eine Basis besaßen.
Das Gericht erinnert daran, dass die Kommission verpflichtet ist, alle relevanten Faktoren zu prüfen, die die
vorgeschlagenen Verpflichtungen betreffen, und sie anhand der Struktur und der besonderen Merkmale des
betroffenen Marktes zu beurteilen, einschließlich der Stellung der beteiligten Unternehmen und der anderen
Marktteilnehmer. Insoweit stellt das Gericht fest, dass die Kommission nicht geprüft hat, ob es angemessen war,
die Konkurrenten, die an den Flughäfen Frankfurt und München bereits eine Basis besaßen, von der ersten
Phase des Verfahrens auszuschließen. Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss keinerlei Grund genannt,
der belegen könnte, dass dieser Ausschluss geeignet und erforderlich war, um einen wirksamen Wettbewerb auf
den betroffenen Märkten aufrechtzuerhalten.
Im vorliegenden Fall war eine solche Prüfung aber umso mehr erforderlich, als die Marktstruktur an den
Flughäfen Frankfurt und München, wie im angefochtenen Beschluss selbst ausgeführt wird, dadurch
gekennzeichnet war, dass die Lufthansa Group eine Stellung innehatte, die um ein Vielfaches stärker war
als die ihrer engsten Konkurrenten, die dort bereits eine Basis hatten, so dass der Ausschluss dieser
Konkurrenten von der ersten Phase des Verfahrens die Gefahr mit sich brachte, den Wettbewerb an diesen
Flughäfen noch stärker zu fragmentieren. Diese Feststellung wird durch den Umstand, dass die engsten
Konkurrenten der Lufthansa Group – die aufgrund ihrer Präsenz an den Flughäfen Frankfurt und München eher
dafür geeignet sein könnten, das fragliche Zeitnischenpaket zu übernehmen und den Wettbewerbsdruck zu
erhöhen – in der zweiten Phase des Verfahrens zum Zuge kommen können, nicht in Frage gestellt, da diese
Möglichkeit vom Scheitern der ersten Phase abhängt.
Daher befindet das Gericht, dass die Kommission dadurch, dass sie die Konkurrenten, die an den Flughäfen
Frankfurt und München bereits eine Basis besaßen, von der ersten Phase des Verfahrens zur Abtretung von
Zeitnischen ausgeschlossen hat, nicht alle für die vorgeschlagene Verpflichtung relevanten Faktoren geprüft
und somit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.Direktion Kommunikation
Referat Presse und Information curia.europa.eu
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In Bezug auf die Abtretung der Zeitnischen, über die die DLH an den Flughäfen Frankfurt und München verfügte, hat
Condor außerdem geltend gemacht, die Kommission habe ihre Begründungspflicht verletzt, da sie nicht erläutert
habe, inwiefern die im angefochtenen Beschluss vorgesehene Anforderung, die Zeitnischen entgeltlich statt
unentgeltlich abzutreten, mit den geltenden Vorschriften vereinbar sei und dafür sorge, dass die Verpflichtungen für
einen potenziellen Erwerber hinreichend attraktiv seien.
Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Anforderung, dass die Abtretung der Zeitnischen entgeltlich erfolgen
sollte, in der Systematik des angefochtenen Beschlusses von grundlegender Bedeutung war, so dass die
Kommission hätte darlegen müssen, warum diese Anforderung ihrer Auffassung nach mit den einschlägigen
Vorschriften vereinbar war. Da sie aber in keiner Weise angegeben hat, welche Gründe sie zu der Annahme
veranlasst haben, dass die Abtretung der Zeitnischen entgeltlich statt unentgeltlich erfolgen müsse und diese
Anforderung nicht zur Folge habe, die Attraktivität der Zeitnischen und damit die Wirksamkeit der damit
zusammenhängenden Verpflichtungen zu verringern, stellt das Gericht fest, dass die Kommission ihre Pflicht zur
Begründung des angefochtenen Beschlusses verletzt hat.
Aufgrund all dieser Erwägungen gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der angefochtene Beschluss (berichtigte
Fassung) mehrere Fehler und Unregelmäßigkeiten aufweist und daher für nichtig zu erklären ist.
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