Nach mehr als einem Vierteljahrhundert hinter Gittern zeichnet sich eine bemerkenswerte Wende in der Geschichte des berüchtigten italienischen Mafia-Bosses Francesco Schiavone ab. Schiavone, der unter dem gefürchteten Spitznamen „Sandokan“ bekannt ist, scheint bereit zu sein, seine langjährige Omertà – das Schweigegelübde der Mafia – zu brechen und mit den Justizbehörden zusammenzuarbeiten. Diese Informationen wurden gestern von der Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Quellen aus der italienischen Justiz veröffentlicht.
Als ehemaliger Anführer des Casalesi-Clans, einer der mächtigsten Fraktionen innerhalb der berüchtigten neapolitanischen Mafia-Organisation Camorra, war Schiavone bis zu seiner Festnahme im Jahr 1998 eine Schlüsselfigur im organisierten Verbrechen Europas. Seine Verhaftung, die in einem dramatischen Einsatz in einem Bunker seines Heimatdorfes erfolgte, markierte das Ende einer langen und intensiven Fahndung durch die italienischen Behörden.
Die Ankündigung von Schiavones Bereitschaft zur Kooperation mit der Justiz wurde von Chiara Colosimo, der Vorsitzenden des parlamentarischen Anti-Mafia-Ausschusses, als bedeutender Durchbruch im Kampf gegen die Camorra und das organisierte Verbrechen insgesamt gewürdigt. Schiavone folgt damit dem Beispiel mehrerer Mitglieder seiner Familie, einschließlich zweier seiner Söhne, die sich in den letzten Jahren für eine Zusammenarbeit mit den Behörden entschieden haben.
Derzeit verbüßt Schiavone eine lebenslange Haftstrafe und wurde kürzlich von einem Gefängnis in Norditalien in die Justizvollzugsanstalt von L’Aquila verlegt. Sein Fall und der des Casalesi-Clans erlangten durch den Enthüllungsroman „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ von Roberto Saviano internationale Bekanntheit, der später auch verfilmt wurde und die dunklen Machenschaften der Camorra einem weltweiten Publikum vor Augen führte.
Die potenzielle Zusammenarbeit Schiavones mit der Justiz könnte nicht nur Licht in viele ungeklärte Verbrechen bringen, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Strukturen und der Funktionsweise der Camorra leisten. Dieser Schritt markiert einen möglicherweise historischen Wendepunkt im langwierigen Kampf gegen das organisierte Verbrechen in Italien.
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