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Magdeburg die Tage danach

geralt (CC0), Pixabay
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Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden, hat nicht nur Entsetzen ausgelöst, sondern auch viele Fragen über die Hintergründe des Täters und mögliche Versäumnisse der Behörden aufgeworfen. Der 50-jährige Taleb Al Abdulmohsen, ein ehemaliger Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, wurde am Tatort festgenommen. Doch wie sich herausstellt, war der Verdächtige kein Unbekannter. Eine dunkle Spur führt zurück zu jahrelangen Warnsignalen, sozialen Medien und internationalen Spannungen.

Eine Geschichte von radikaler Wandlung

Taleb Al Abdulmohsen stammt ursprünglich aus Saudi-Arabien und kam 2006 nach Deutschland. Zunächst machte er sich einen Namen als Aktivist, der Frauen und anderen Geflüchteten aus repressiven Regimen half, sichere Länder zu erreichen. Auf der Plattform „wearesaudis.net“ beriet er Menschen aus der Golfregion, wie sie der Verfolgung entkommen konnten.

Doch mit der Zeit wandelte sich seine Haltung. Ursprünglich dankbar für die Aufnahme in Deutschland, begann er, das Land zunehmend kritisch zu sehen – insbesondere seine Flüchtlingspolitik. Auf Social-Media-Plattformen wie X (ehemals Twitter) machte er keinen Hehl daraus, dass er den Islam hinter sich gelassen hatte und Sympathien für die rechtsnationale Partei AfD hegte. In seinen Beiträgen beschuldigte er Deutschland, die „Islamisierung“ voranzutreiben.

Besonders in den letzten Monaten vor dem Anschlag wurden seine Beiträge zunehmend düster und bedrohlich. In einem Tweet vom Mai 2024 schrieb er an seine fast 50.000 Follower: „Deutscher Terrorismus wird zur Rechenschaft gezogen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich dieses Jahr sterben werde, um Gerechtigkeit zu schaffen.“ Ähnliche Drohungen folgten im August, in denen er Gewalt gegen Deutschland androhte.

Frühere Warnungen und Behördenversagen

Wie nun bekannt wurde, lagen den deutschen Behörden zahlreiche Warnungen über Al Abdulmohsen vor. Bereits 2007 hatte Saudi-Arabien deutsche Stellen vor seinen radikalen Ansichten gewarnt und sogar seine Auslieferung beantragt. Doch Deutschland lehnte dies ab, da man um seine Sicherheit fürchtete, falls er nach Saudi-Arabien zurückkehren würde.

Zwischen 2007 und 2008 gab es laut Quellen mindestens vier offizielle Hinweise aus Saudi-Arabien, die an deutsche Geheimdienste und das Außenministerium weitergeleitet wurden. Diese Warnungen, sogenannte „Notes Verbal“, wurden jedoch ignoriert. Laut Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), wurde der Fall zwar untersucht, die Bedrohung erschien den Behörden jedoch „zu unspezifisch“.

Auch in Deutschland hatte Al Abdulmohsen bereits Kontakt mit den Behörden. So war er in einen Rechtsstreit mit der deutschen Organisation „Atheist Refugee Relief“ verwickelt, die Frauen unterstützte, die Saudi-Arabien verlassen hatten. Al Abdulmohsen beschuldigte die NGO, seine Arbeit zu behindern, und wurde 2019 vom Landgericht Köln aufgefordert, diffamierende Beiträge über die Organisation zu löschen.

Arbeit im Maßregelvollzug und Isolation

Seit 2020 war Al Abdulmohsen als Facharzt in einer psychiatrischen Einrichtung in Bernburg tätig, die auf die Behandlung suchtkranker Straftäter spezialisiert ist. Doch seit Oktober 2024 war er krankgeschrieben und nicht mehr zur Arbeit erschienen. Berichten zufolge war er zunehmend isoliert und zog sich in den digitalen Raum zurück, wo er seine radikalen Ansichten weiter verbreitete.

Seine wachsende Feindseligkeit gegenüber Deutschland und den Islam bezeichneten Experten als „ungewöhnlich“. Peter Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London, schrieb: „Ein 50-jähriger saudi-arabischer Ex-Muslim, der in Ostdeutschland lebt, die AfD liebt und Deutschland für seine Toleranz gegenüber Islamisten bestrafen will – das hätte ich niemals auf dem Radar gehabt.“

Der Anschlag und die Folgen

Am 20. Dezember fuhr Al Abdulmohsen mit einem Fahrzeug in die Menge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Dabei tötete er vier Frauen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren sowie einen neunjährigen Jungen. Über 200 weitere Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Die Polizei nahm ihn am Tatort fest.

Der Täter sitzt derzeit in Untersuchungshaft und wird wegen fünffachen Mordes, mehrfachen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser bezeichnete ihn als „Islamophoben“ und erklärte, dass die Ermittlungen erst am Anfang stünden.

Fragen bleiben offen

Der Fall hat eine hitzige Debatte über die Versäumnisse deutscher Sicherheitsbehörden ausgelöst. Hätten die Warnungen aus Saudi-Arabien ernster genommen werden müssen? Warum wurden seine bedrohlichen Social-Media-Posts nicht früher gestoppt?

Holger Münch vom BKA räumte am Samstag ein, dass die Rolle der Sicherheitsbehörden rückblickend geprüft werden müsse: „Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht etwas übersehen haben, was wir hätten verhindern können.“

Mit diesem Fall wird einmal mehr deutlich, wie gefährlich die Kombination aus politischer Radikalisierung, Isolation und Hasspropaganda im digitalen Raum sein kann – und wie schnell sie in tödliche Gewalt umschlagen kann. Die Angehörigen der Opfer und die Stadt Magdeburg stehen unter Schock, während Deutschland nun den schweren Weg der Aufarbeitung antreten muss.

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