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Mal was ganz Anderes

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Für viel Streit sorgte im sauerländischen Schmallenberg ein kleiner Kronkorken. Fünf Freunde wollten gemeinsam ein Wochenende verbringen und alle Kosten dafür teilen. Was die Clique nicht bedachte, war der unwahrscheinliche Fall, mit den gemeinsamen Einkäufen den Hauptgewinn in einem Gewinnspiel zu machen.

Als sich in einem der gemeinsam gekauften Bierkästen ausgerechnet eine der 111 Audi-Gewinn-Flaschen befand, war nicht die Freude groß, sondern der Streit um die Frage, wem das gewonnene Auto zusteht – vereinbart war schließlich nur, dass die Kosten für den Wochenendausflug geteilt werden.

„Mein“ Gewinn oder „unser“ Gewinn?

Vom 01.04.2015 bis 30.06.2015 veranstaltete eine Brauerei eines der vielen Gewinnspiele, bei denen die Verpackung einer bestimmten Anzahl ausgewählter Produkte mit einem Gewinncode oder Gewinnsymbol versehen wird. Landet so ein Aktionsprodukt zufällig im eigenen Einkaufswagen, hat man den entsprechenden Preis gewonnen. Bei der Krombacher Kronkorken-Aktion 2015 versah die Brauerei insgesamt 11.222 Kronkorken mit Gewinncodes. Dabei bekamen die Korken von 111 Aktionsflaschen einen Code, mit dem man einen Audi A3 gewinnen konnte. Solch eine Flasche befand sich in dem Bierkasten, den fünf – nun wohl ehemalige – Freunde zusammen für ein gemeinsames Ausflugswochenende gekauft hatten.

Der Finder, der das Gewinnsymbol auf einem der achtlos auf den Tisch geworfenen Kronkorken entdeckte, löste den Gewinn ein, fuhr einige Zeit mit dem Wagen und verkaufte ihn schließlich für 17.500 Euro. Seine damaligen Freunde fanden aber, dass es nicht sein alleiniger Gewinn gewesen sei, sondern der Gewinn vielmehr der gesamten Gruppe zugestanden hätte. Die übrigen Freunde verlangten deshalb einen Anteil an dem Kronkorken-Gewinn. Am Ende landete der Rechtstreit um die Aufteilung des Gewinns vor Gericht und löste eine juristische Debatte über die Grenzen des Besitzes aus.

Gretchenfrage: Wem gehört der Kronkorken? 

Da die Freundschaft der fünf beim Geld oder besser gesagt beim Audi A3 Sportback aufhörte, stellte sich die Frage, wem das gewonnene Auto rechtlich zustand. Entscheidend für das Gewinnrecht war nach den Bedingungen der Brauerei, wer Besitzer bzw. Eigentümer des Gewinnerkorkens gewesen ist. Diese Frage sorgt nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen, denn bereits im Jahr 2013 stellte sie sich auf einer Party im Hagener Stadtteil Boele, als ein Gast eine ähnliche Aktionsflasche öffnete. In dieser Konstellation – die nicht vor Gericht ging – stand der Gewinn aber dem Gastgeber zu, denn dieser hatte mit dem Kauf der Bierflaschen auch das Recht zu gewinnen erworben und seinen Gästen lediglich den Inhalt der Flaschen – also das Bier – zur Verfügung gestellt. Das Gewinnrecht wollte er mit Übergabe der Flasche aber gerade nicht übertragen. Deshalb gehörte der Wagen unter dem Kronkorken nicht dem Gast, der die Flasche geöffnet hatte, sondern dem Käufer der Bierkiste.

Im Fall der Freundesclique lässt sich die Frage hingegen nicht so einfach beantworten, denn sie hatten die Kosten für den Bierkasten geteilt und ihn so gemeinsam gekauft. Deshalb ist die Rechtslage in diesem Fall so verzwickt, dass der Fall dem Gerichtssprecher zufolge ideal wäre, um von Jurastudenten in einer Prüfung bearbeitet zu werden. Da sich der scheinbare Gewinner und die klagende ehemalige Freundin nicht auf einen Vergleich einließen, musste sich das Gericht am Ende mit drei unterschiedlichen Lösungsansätzen und der Frage auseinandersetzen, inwieweit sich rechtliche Konstrukte auf ganz normale Alltagssituationen übertragen lassen.

Möglichkeit 1: meine Flasche, mein Korken, mein Gewinn

Die erste Möglichkeit ist, dass der Autogewinn demjenigen gehört, der zufällig die Bierflasche erhält, zu der der Korken mit dem Gewinncode gehört. Dieser Ansicht ist zumindest der verklagte Mann, der den Korken bei der Brauerei allein eingelöst hatte. Seiner Meinung nach war das Gewinnspiel auch ein Spiel untereinander, weil der Zufall immer mit im Raum gestanden habe. Da der Gewinnerkorken zu „seiner“ Bierflasche gehört habe, sei sowohl ihm als auch allen Freunden sofort klar gewesen, dass er das Auto allein gewonnen habe. Aus diesem Grund sei der gemeinsame Umtrunk nach seiner Entdeckung schnell zu Ende gegangen, weil die anderen offensichtlich neidisch auf seinen (alleinigen) Gewinn gewesen wären. Ob dem tatsächlich so gewesen ist, konnte nicht festgestellt werden, denn die klagende Freundin schilderte den weiteren Verlauf des Abends anders und trug im Verfahren vor, dass die übrige Gruppe ihn noch am selben Abend aufgefordert habe, den Gewinn zu teilen. Der verklagte scheinbare Gewinner habe die Gespräche aber abgeblockt und die Gruppe vielmehr vor vollendete Tatsachen gestellt.

Möglichkeit 2: GbR zum Zwecke des gemeinsamen Umtrunks

Die zweite Möglichkeit ist, dass die fünf Freunde rechtlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit dem Zweck des gemeinsamen Umtrunks gegründet haben. Die GbR, auch BGB-Gesellschaft genannt, ist eine Personengesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass mehrere Personen gemeinsam einen bestimmten Zweck verfolgen. Als Gesellschaftszweck kommt grundsätzlich jeder beliebige erlaubte Zweck infrage, solange es sich nicht um ein Handelsgewerbe handelt. Da der notwendige Gesellschaftsvertrag an keine Form gebunden ist, kann eine GbR auch mündlich gegründet werden, ohne dass sich ihre Gesellschafter über diesen rechtlichen Vorgang bewusst sind. Typische Beispiele hierfür sind etwa die vielen Tippgemeinschaften beim Lotto oder Fahrgemeinschaften.

Die klagende Freundin aus der Clique war der Ansicht, dass die Freunde durch die Vereinbarung, sämtliche Kosten des Wochenendes zu teilen, eine solche stillschweigend gegründete GbR mit dem Zweck des gemeinsamen Umtrunks betrieben hätten. Die exakte Abrechnung aller Kosten für die Ferienwohnung, das Essen und die Getränke unter Berücksichtigung des Pfands würde die These der Umtrunk-GbR stützen. Daher hätte nicht der verklagte Freund, sondern die Umtrunk-GbR den Audi gewonnen mit der Folge, dass jedem Gesellschafter ein Fünftel des Autos zustehen würde.

Möglichkeit 3: Bierkasten als Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft 

Als dritte Möglichkeit könnte es sich auch um eine Bruchteilsgemeinschaft handeln, die der GbR grundsätzlich sehr ähnlich ist. Im Gegensatz zur GbR verfolgen ihre Teilhaber aber keinen gemeinsamen Zweck, sondern die rechtliche Gemeinschaft beruht darauf, dass sie Miteigentümer an einer Sache sind. Während bei der GbR das Gesellschaftsvermögen als Sondervermögen der Gesellschaft zur gesamten Hand zusteht, entsteht bei der Bruchteilsgemeinschaft kein Sondervermögen. Vielmehr verfügt jeder Teilhaber über einen eigenständigen Anteil am Eigentum, über den er frei verfügen kann. Da der Kronkorken in diesem Fall nicht dem scheinbaren Autogewinner gehörte, sondern er nur einen Miteigentumsanteil gehabt hätte, hätte er den Wagen nicht allein einlösen und im Ganzen veräußern dürfen. Demzufolge hätte er sich mit diesem Verhalten gegenüber den anderen Miteigentümern schadensersatzpflichtig gemacht und müsste ihnen entsprechend ihren Anteil auszahlen.

Niederlage für den Gewinner

Das Gericht hat sich für die dritte Variante entschieden und festgestellt, dass die Gruppe auch den Gewinn des Glückskronkorkens aufteilen musste, nachdem vereinbart worden war, dass alle Kosten der Reise geteilt werden.

Voraussetzungen einer GbR nicht erfüllt

Die von der Klägerin vorgetragene GbR sei aber nicht gegründet worden. Das Gericht prüfte dabei sowohl den Zweck einer möglichen Gewinngemeinschaft als auch einer Reisegemeinschaft. In beiden Fällen kann es zur Gründung einer GbR kommen, jedoch seien die Voraussetzungen dafür in diesem Fall nicht erfüllt. Für die Annahme einer Gewinn-GbR, wie sie bei Lotto- und sonstigen Wettspielgemeinschaften üblicherweise entsteht, müssten die Gesellschafter den Zweck verfolgen, durch die gemeinschaftliche Teilhabe am Wettspiel die Gewinnchancen zu erhöhen. Im vorliegenden Fall haben die Parteien aber unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung dahingehend geschlossen, an einem gemeinsamen Gewinnspiel teilnehmen zu wollen. Für die Annahme einer Reise-GbR fehlte es dem Gericht an einem Rechtsbindungswillen, gemeinsam einen Zweck zu verfolgen. Denn die Beteiligten haben für das gemeinsame Wochenende gerade keine gemeinsame Kasse gebildet. Deshalb werteten die Richter die vereinbarte Kostenteilung als einmaligen Abrechnungsvorgang, der nach den Umständen lediglich dazu diente, die Modalitäten des Wochenendes zu regeln. Eine GbR wurde deshalb nicht gegründet.

Stillschweigende Bruchteilsgemeinschaft 

Trotzdem durfte der scheinbare Autogewinner den Gewinn nicht allein verwerten, denn die Freunde haben stillschweigend eine Miteigentumsgemeinschaft an dem streitgegenständlichen Kronkorken begründet, weil die Bierkästen samt ihrem Inhalt für die Gemeinschaft erworben worden sind und allen Beteiligten im Rahmen eines gemeinsamen Umtrunks zugutekommen sollten und auch zugutegekommen sind. Mit der alleinigen Verwendung des aufgedruckten Gewinncodes als Schlüssel zum Gewinn hat der Beklagte deshalb die Gebrauchsrechte der jeweiligen Miteigentümer verletzt, die so von der Möglichkeit zum Mitgebrauch ausgeschlossen worden sind. Damit hat er sich schadensersatzpflichtig gemacht.

Maßgeblich für die Höhe des Schadensersatzes ist aber nicht der Listenpreis des Herstellers, weil es sich hierbei nur um eine unverbindliche Preisempfehlung des Automobilherstellers handelt, die nach den Gepflogenheiten in der Automobilbranche nicht als Preis gegenüber dem Endverbraucher genutzt wird. Da dieser im Regelfall unterhalb des Listenpreises liegt, setzte das Gericht 80 % des Listenpreises an, von dem der Klägerin ein Fünftel und damit ein Betrag von 4268 Euro zusteht.

Fazit: Die Vereinbarung, sich die Kosten für ein Ausflugswochenende zu teilen, bezieht sich im Zweifel auch auf potenzielle Gewinne. Erwirbt man gemeinsam zufällig ein Gewinnerprodukt, steht jedem ein Anteil am Gewinn zu. Dem jungen Mann aus Schmallenberg hat „sein“ gewonnener Audi A3 deshalb kein Glück gebracht, denn den Prozess um das Auto hat er verloren. Statt zu den glücklichen Gewinnern der Krombacher Kronkorken-Aktion 2015 zu zählen, hat der Mann vier Freunde weniger und muss nicht nur die knapp 4300 Euro an die klagende Frau zahlen, sondern auch einen Großteil der Gerichtskosten übernehmen und voraussichtlich die anderen ehemaligen Freunde auszahlen, die nun ebenfalls ihren Anteil einfordern bzw. einklagen können.

(LG Arnsberg, Urteil v. 02.03.2017, Az.: I-10 O 151/16)

Quelle:anwalt.de

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