Vor wenigen Wochen wurde Mark Carney, der frühere Chef der Bank of England, zum Premierminister von Kanada vereidigt. Nun steht er vor einer großen Bewährungsprobe: Am 28. April 2025 entscheiden die Kanadier in einer vorgezogenen Wahl darüber, ob Carney im Amt bleiben darf.
Carney ist ein politischer Neuling – er hatte vor seiner Wahl noch nie ein politisches Amt inne. Dennoch gewann er im März klar die Führung der Liberalen Partei und trat die Nachfolge von Justin Trudeau an. Nun wirbt er mit seiner umfangreichen Erfahrung im Umgang mit globalen Krisen und präsentiert sich als starker Gegenspieler zu US-Präsident Donald Trump, der gegen Kanada einen harten Handelskrieg gestartet hat.
Vom Nordwesten Kanadas in die Weltspitze
Geboren wurde Carney in Fort Smith in den Nordwest-Territorien Kanadas. Seine Wurzeln reichen nach Irland zurück: Drei seiner vier Großeltern stammen aus County Mayo. Neben der kanadischen besitzt er auch die irische Staatsbürgerschaft, die britische gab er 2025 auf, um ausschließlich Kanadier zu bleiben.
Carney studierte an der Harvard University, spielte dort Eishockey und promovierte später in Oxford in Wirtschaftswissenschaften. Schon früh zeigte sich seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge schnell zu erfassen – ein Talent, das ihm nun in turbulenten Zeiten helfen könnte.
Eine glänzende Karriere als Banker
Carney war zunächst in der Privatwirtschaft tätig, wechselte dann 2003 zur Bank of Canada. 2007, kurz vor der globalen Finanzkrise, wurde er Gouverneur – und half entscheidend mit, Kanada besser durch die Krise zu steuern als viele andere Länder.
Sein Erfolgsrezept: aggressive Zinssenkungen und transparente Kommunikation.
Anschließend wechselte er als erster Nicht-Brite zur Bank of England und modernisierte die traditionsreiche Institution grundlegend. Carney machte die britische Notenbank medienpräsenter und führte neue geldpolitische Instrumente wie das Konzept der Forward Guidance ein.
Seine Amtszeit war nicht ohne Kontroversen: Vor dem Brexit-Referendum warnte er vor den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts – eine Haltung, die ihn zum Feindbild der Brexit-Befürworter machte.
Politischer Aufstieg in Kanada
Nach Jahren der Spekulation über eine politische Karriere übernahm Carney Anfang 2025 schließlich die Führung der Liberalen Partei, nachdem Trudeau aufgrund sinkender Umfragewerte zurückgetreten war.
Carney positioniert sich als erfahrener Krisenmanager – und als jemand, der in Zeiten zunehmender Spannungen mit den USA besonnen und stark zugleich auftreten kann. Besonders gegenüber Trump zeigt Carney klare Kante: Nachdem Trump Kanada wiederholt als „51. US-Bundesstaat“ bezeichnete, verglich Carney ihn mit dem Harry-Potter-Bösewicht Voldemort: „Man spricht seinen Namen nicht aus.“
Wofür steht Mark Carney?
Handel und Wirtschaft:
Carney setzt auf gezielte Gegenmaßnahmen im Handelsstreit mit den USA und will Kanada wirtschaftlich unabhängiger machen. Ein zentrales Anliegen ist es, den Binnenhandel zu stärken und die Wirtschaft auf „saubere und konventionelle“ Energiequellen auszurichten.
Klima und Energie:
Als ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Klimawandel ist Carney ein überzeugter Verfechter nachhaltiger Wirtschaftspolitik. Trotz Abschaffung der von Trudeau eingeführten CO₂-Steuer will er Kanada zur „grünen Energienation“ machen – allerdings pragmatisch und ohne die Wirtschaft zu überfordern.
Immigration:
Carney unterstützt eine Begrenzung der Einwanderungszahlen, um Wohnungs- und Gesundheitsversorgung zu entlasten – eine Position, die auf breite Zustimmung trifft, nachdem Kritik an Kanadas überlastetem System laut geworden war.
Transparenz:
Um Vorwürfe von Interessenkonflikten zu entkräften, hat Carney sein Vermögen in einen Blind Trust übertragen und erklärt, alle Vorschriften zu erfüllen. Dennoch fordern politische Gegner wie die Konservativen mehr Transparenz über seine wirtschaftlichen Verflechtungen.
Chancen und Risiken
Carneys Hauptstärken sind seine internationale Erfahrung, sein ruhiges Krisenmanagement und seine Fähigkeit, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären. Doch genau hier liegt auch ein Risiko: Seine Nähe zur Finanzwelt macht ihn angreifbar – in einer Zeit, in der viele Wähler sich nach „bodenständiger Politik“ sehnen.
Hinzu kommt, dass Carney als politischer Neuling noch keine eigene Hausmacht in Partei und Parlament aufgebaut hat. Ob ihm der Sprung vom Technokraten zum Volksvertreter dauerhaft gelingt, wird sich am 28. April zeigen.
Fazit
Mark Carney ist ein außergewöhnlicher Premierminister: ein Banker, der die Weltwirtschaft mitgestaltet hat, nun aber in einem hitzigen politischen Klima bestehen muss. Sein technokratischer Stil könnte Kanada Stabilität bringen – oder ihm als elitär ausgelegt werden.
Am Ende wird entscheidend sein, ob es ihm gelingt, sowohl gegen den populistischen Druck von außen als auch gegen den politischen Gegenwind im eigenen Land zu bestehen.
Die Whl am 28. April wird zeigen, ob Kanadas Wähler ihm das Vertrauen schenken.
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