Unter dem AZ.: 388 Js 156556/14 (vormals 248 Js 156556/14) wird gegen den Angeklagten PIERUCCI Lucas, geb. am 26.10.1977, wohnhaft in 81549 München, Stadelheimer Str. 12, c/o JVA bei der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und gewerbsmäßigem Betrug geführt.
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 22.07.2013 verabredete sich der Angeklagte an einem nicht näher bekannten Ort, mit einem anderweitig Verfolgten und weiteren unbekannten Mittätern zu dem Zweck gemeinsam in Deutschland Geldautomaten zu manipulieren, um aus den so erlangten Daten von Zahlungskarten mit Garantiefunktion berechtigter Karteninhaber Kartendubletten herzustellen, die sodann missbräuchlich zu Geldabhebungen außerhalb Deutschlands eingesetzt werden sollten.
Zur Verwirklichung der Abrede brachte der Angeklagte gemeinschaftlich handelnd mit einem anderweitig Verfolgten an den Geldautomaten von Banken ein präpariertes Aufsatzlesegerät an. Dieses präparierte Aufsatzlesegerät enthielt einen Magnetkopf zum Auslesen der Magnetspur und eine Vorrichtung zum Speichern der Daten.
Um die jeweils zu den Kartendatengehörende PIN-Nummer zu erlangen, brachte der Angeklagte oder der anderweitig Verfolgte entweder eine Videoleiste über der Tastatur an, mittels derer die jeweilige rechtmäßige Eingabe der PIN durch die berechtigten Karteninhaber gefilmt wurde, oder legte über die Tastatur des Geldautomaten eine zweite Aufsatztastatur, die die Tasteneingabe speicherte, gleichzeitig aber zuließ, dass auch die Automatentastatur bedient wurde.
Der Angeklagte wusste dabei, dass er zum Abgriff der Daten nicht berechtigt war. Mit solchermaßen erlangten Daten wurden in der Folge entsprechend der vorher gefassten Absicht durch den Angeklagten oder seine Mittäter gefälschte Kredit- bzw. EC-Kartenduplikate hergestellt und zu Abhebungen von Bargeld an Geldautomaten bzw. zum Bezahlen von Waren und Dienstleistungen im Raum München und Frankfurt sowie im Ausland missbräuchlich eingesetzt.
Hierdurch sollten, wie von dem Angeklagten beabsichtigt, Täuschungen im Rechtsverkehr hinsichtlich von Zahlungskarten mit Garantiefunktion ermöglicht werden. Die Handlungen des Angeklagten bezogen sich, wie er wusste, auf Zahlungskarten, die es ermöglichen, den Aussteller im Zahlungsverkehr zu einer garantierten Zahlung zu veranlassen und die durch Ausgestaltung oder Codierung besonders gegen Nachahmung gesichert sind.
Im Einzelnen liegen dem Angeklagten folgende Taten zur Last:
1. |
Im Zeitraum vom 23.07.2013 bis 29.08.2013 verwendeten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte in Verwirklichung obiger Abrede in bewussten und gewolltem Zusammenwirken die gefälschten Kreditkartenduplikate bei verschiedenen Hotels, Fahrzeugvermietfirmen, Restaurants, UPS-Paketdienst und zur Flugbuchung im Ausland sowie im Raum München und Frankfurt in insgesamt 27 Fällen, wodurch ein Gesamtschaden von ca. EUR 25.664,19 entstand. |
2. |
Im Zeitraum August 2013 brachten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte gemäß obiger Abrede in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken auf oben beschriebene Weise Der Angeklagte und seine Mittäter brachten sich so in den Besitz der in obigen Zeiträumen abgegriffenen Kartendaten berechtigter Karteninhaber, um diese in bewussten und gewolltem Zusammenwirken gemäß obiger Abrede zum Zwecke der Fertigung von Kartendubletten zu verwenden und widerrechtliche Abhebungen in Hanoi/Vietnam zu tätigen. |
Die Staatsanwaltschaft München I führt in der vorliegenden Strafsache neben den Ermittlungen zur Strafverfolgung zugleich ein Rückgewinnungshilfeverfahren zugunsten der durch die Straftat Geschädigten durch. In diesem Zusammenhang wurden, folgende Vermögenswerte der Beschuldigten von der Staatsanwaltschaft München I gemäß §§ 111 b ff StPO aufgrund des dinglichen Arrestes des Amtsgerichts München vom 22.02.2014, AZ.: ER VI Gs 2599/14 einstweilen gesichert:
Mit Pfändungsbeschluss vom 08.10.2014 wurden die Forderungen gegenüber der Bethmann Bank AG, vertr. d. d. Vorstand, Bethmannstr. 7-9, 60311 Frankfurt am Main gepfändet. Mit Schreiben vom 13.10.2014 teilte die Drittschuldnerin mit, dass die Pfändung künftiger Forderungen vorgemerkt worden sei und eigene Ansprüche im Rang vorgehen würden. Mit Schreiben vom 02.05.2016 teilte die Drittschuldnerin mit, dass kein pfändbares Guthaben bestehe.
In Vollziehung des Arrestes erfolgte zu Gunsten des Freistaates Bayern, vertreten durch die StA München I, eine Hinterlegung in Höhe von 14.150,00 EUR unter dem AZ.: 38 HL 884/14 sowie in Höhe von EUR 6.000,00 unter dem AZ.: 38 HL 1435/15 beim Amtsgericht München/Hinterlegungsstelle, Pacellistrasse 5, 80315 München. Als mögliche Empfänger des hinterlegten Geldbetrages sind der Freistaat Bayern, vertr. d. d. Staatsanwaltschaft München I, und der Schuldner PIERUCCI Lucas verzeichnet.
Weitere Vermögenswerte konnten bisher nicht ermittelt werden.
Ziel des Rückgewinnungshilfeverfahrens ist es, den durch die Straftat betroffenen Geschädigten einen (ggf. teilweisen) finanziellen Ersatz zu ermöglichen.
Der vom Gesetz vorgesehene Ablauf sieht dabei vor, dass jeder/jede Geschädigte selbst aktiv wird. ImRegelfall muss daher jede/jeder seine/ihre eventuellen Ersatzansprüche selbst gerichtlich geltend machen und kann anschließend mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf die von der Staatsanwaltschaft sozusagen stellvertretend gesicherten Vermögenswerte Zugriff nehmen. Nur dort, wo der/dem Geschädigten unmittelbar durch die Straftat ein beweglicher Gegenstand entzogen wurde und genau dieser Gegenstand von der Staatsanwaltschaft in amtlichen Gewahrsam genommen wurde (und dieser amtliche Gewahrsam noch besteht), reicht ein einfacher Herausgabeantrag nach § 111k StPO aus.
Erfolgen keine Maßnahmen durch die Geschädigten erhält der/die Beschuldigte möglicherweise die gesicherten Vermögenswerte wieder zurück!
Die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Zivil- und Zwangsvollstreckungsverfahrens werden durch diese Nachricht nicht berührt, d.h. Sie müssen sich selbst vorab überlegen, ob sich die Beschreitung des Rechtswegs für Sie, auch unter Berücksichtigung der dabei anfallenden Kosten, überhaupt lohnt. In diesem Zusammenhang kann auch die Einschaltung eines Rechtsanwalts für Sie sinnvoll sein, durch den allerdings weitere Kosten entstehen.
Bitte bedenken Sie, dass Sie – abgesehen vom oben genannten Sonderfall nach § 111k StPO – nur im Wege der Zwangsvollstreckung auf die gesicherten Vermögenswerte Zugriff nehmen können. Dies setzt immer einen zivilrechtlichen Titel voraus. Solche Titel können Vollstreckungsbescheide, vollstreckbare Urteile oder ähnliches sein, die Vollstreckung kann, je nach Sachlage, auch aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrests möglich sein. Details hierzu müssten Sie, soweit Sie sich nicht selbst auskennen, ggf. mit einem Anwalt erörtern. Unter Umständen bedarf die Zwangsvollstreckung in das gesicherte Vermögen auch noch der Zulassung durch den Richter (§ 111g StPO) und/oder eines Rangrücktritts der Staatsanwaltschaft, zu dem wiederum eine richterliche Zulassung erforderlich ist (§ 111h StPO).
Das in der Zwangsvollstreckung herrschende Prioritätsprinzip (umgangssprachlich: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“) gilt auch in diesem Verfahren. Die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche sind daher bei einem schnellen Zugriff wesentlich höher.
Die Aufrechterhaltung der staatsanwaltschaftlichen Sicherungsmaßnahmen für die Geschädigten ist zudem zeitlich begrenzt. Da nicht absehbar ist, wie lange das befasste Gericht die auch zu Ihren Gunsten erwirkten Sicherungsmaßnahmen aufrechterhalten wird, wird Ihnen dringend empfohlen, umgehend selbst tätig zu werden.
Haben Sie bitte Verständnis, dass die Staatsanwaltschaft keine Ratschläge zum Verfahren oder Auskünfte zu Erfolgsaussichten geben kann und darf und eine weitergehende Auskunftserteilung daher nicht erfolgen wird.
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