Infolge jüngerer Ereignisse bei Anbietern von Finanzprodukten (siehe insbesondere Prokon) hat die Bundesregierung den bestehenden Rechtsrahmen zum Schutz von Anlegern vor risikoreichen Finanzprodukten überprüft und wird Maßnahmen in folgenden Regelungsbereichen ergreifen:
1. Beseitigung aufgedeckter Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten
2. Verstärkte Transparenz von Finanzprodukten und Offenlegung ihrer Risiken
3. Verbesserung des Zugangs der Anleger zu Informationen über Finanzprodukte
4. Etablierung zusätzlicher Leitplanken für den Vertrieb von Finanzprodukten
5. Flankierende Erweiterung des Aufsichtsinstrumentariums
Dadurch soll es Privatanlegern einerseits ermöglicht werden, die Erfolgsaussichten einer Anlage besser einzuschätzen zu können, und andererseits soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen staatlicher Regulierung und Eigenverantwortung des Anlegers gewahrt werden.
1. Beseitigung aufgedeckter Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten
Die umfassendsten Vorgaben zum Anlegerschutz laufen leer, wenn es dem Anbieter eines Finanzprodukts gelingt, diese zu umgehen. Aus diesem Grund soll der Katalog der nach dem Vermögensanlagegesetz geregelten Anlageformen erweitert werden und auch solche Angebote erfassen, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als gleichwertig zu den bereits erfassten Anlagen darstellen, wie partiarische Darlehen oder Nachrangdarlehen. Soweit hiervon Crowd-Finanzierungen betroffen sind, sollen Lösungen gefunden werden, die den Anliegen der mit Crowd-Investitionen finanzierten jungen Unternehmen unter Berücksichtigung der Belange des Anlegerschutzes gerecht werden.
2. Verstärkte Transparenz von Finanzprodukten und Offenlegung ihrer Risiken
Eine wesentliche Säule des Anlegerschutzes stellt auch künftig der Verkaufsprospekt dar. Der Prospekt soll dem Anleger ein umfassendes Bild von Anlagegegenstand und Anbieter vermitteln, um diesem eine zutreffende Abwägung von Vorteilen und Risiken einer Investition zu ermöglichen. Folgende Ergänzungen der Anforderungen an die Prospekte für Vermögensanlagen verschaffen den Anlegern mehr und bessere Informationen:
Die Fälligkeit bereits begebener, noch laufender Vermögensanlagen ist künftig anzugeben, um dem Anleger die Einschätzung zu erleichtern, in welchem Umfang eine Anlage dazu genutzt wird, früher eingegangene Verpflichtungen zu bedienen. Damit soll der Vorspiegelung einer nicht vorhandenen wirtschaftlichen Produktivität und entgegengewirkt werden.
Unternehmen im Anwendungsbereich des Vermögensanlagengesetzes, die zur
Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, müssen diesen zukünftig in jedem Fall in den Prospekt aufnehmen, so dass sich Anleger auch ein Bild von der finanziellen Situation des Konzerns machen und bei ihrer Anlageentscheidung etwaige Risiken in anderen Konzernbereichen berücksichtigen können.Um einen größeren Einblick in die Zahlungsströme zu gewähren und so die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Anbieters besser nachvollziehbar zu machen, haben größere Unternehmen im Anwendungsbereich des Vermögensanlagengesetzes künftig eine Kapitalflussrechnung offenzulegen.Schließlich sollen verpflichtende Angaben zu den an Begebung und/oder Vertrieb von Vermögensanlagen beteiligten Unternehmen auch personelle Verflechtungen im Umfeld des Anbieters für den Anleger transparent machen.
3. Verbesserung des Zugangs der Anleger zu Informationen über Finanzprodukte
Parallel zur Erweiterung des Kreises der in den Prospekt aufzunehmenden Angaben wird die Zugänglichkeit und Aktualität der relevanten Veröffentlichungen zur jeweiligen Vermögensanlage verbessert. Damit soll es dem Anleger ermöglicht werden, die mit der Vermögensanlage verbundenen Risiken besser einzuschätzen:
An die Stelle der bislang zeitlich unbegrenzten Gültigkeit von Verkaufsprospekten zu Vermögensanlagen tritt künftig eine maximale Gültigkeit von 12 Monaten, so wie dies bereits bei Prospekten zu Wertpapieren der Fall ist. Damit wird sichergestellt, dass den Anlegern beim Erwerb von Vermögensanlagen ausschließlich Angaben vorliegen, die nicht älter als ein Jahr sind.
Zudem werden die Vorgaben für Nachträge, die aufgrund von Entwicklungen innerhalb der Gültigkeitsdauer des Verkaufsprospekts notwendig werden, näher konkretisiert. Geschäftsvorfälle, die zumindest für das laufende Geschäftsjahr erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit des Anbieters zur Erfüllung der gegenüber den Anlegern eingegangenen Verpflichtungen haben, wie eine drohende Insolvenz, sind künftig zwingend in einem Nachtrag aufzunehmen. Zugleich werden die Möglichkeiten für die Aufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Nachtragspflicht erweitert.
Nach Beendigung des aktiven Vertriebs einer Vermögensanlage trifft den Anbieter künftig für die Restlaufzeit der Anlage die Pflicht zur Abgabe von ad hoc-Mitteilungen, in denen er alle Tatsachen veröffentlichen muss, die seine Fähigkeit zur Rückzahlung und/oder zur Zinszahlung beeinträchtigen können. Auf diese Weise haben die Inhaber von Vermögensanlagen sowie Zweiterwerber stets aktuelle Informationen zur weiteren Einschätzung des Risikos der Anlage zur Verfügung.
Sämtliche Prospektangaben sowie ergänzende Dokumente und ad hoc-Mitteilungen müssen zentral auf derselben Internetseite unter demselben Pfad zur Verfügung stehen, auch wenn die Veröffentlichung zeitlich versetzt erfolgt. Damit soll der Anleger alle relevanten Informationen gesammelt an einer Stelle finden können („Internet-Transparenz“). Nachträge sind unter Angabe des Zeitpunkts der Aktualisierung zu dem in eine konsolidierte elektronische Fassung des Prospekts einzuarbeiten, um Anlegern einen leichten Zugriff auf sämtliche aktuellen Informationen zu ermöglichen.
4. Etablierung zusätzlicher Leitplanken für den Vertrieb von Finanzprodukten
Neben erhöhter Transparenz bei der Darstellung der angebotenen Produkte werden auch für deren Vertrieb zusätzliche Vorgaben eingeführt. Damit sollen vor allem aggressive Formen der Vermarktung eingeschränkt werden. Es soll vermieden werden, dass Finanzprodukte systematisch an Anleger vertrieben werden, für die sie sich objektiv nicht eignen:
Um unerfahrene Anleger zu schützen, wird die Zulässigkeit von Werbung für Vermögensanlagen grundsätzlich auf solche Medien beschränkt, deren Schwerpunkt auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt und bei deren Leserschaft somit ein gewisses Maß an Vorkenntnissen vorausgesetzt werden kann. Darüber hinaus kann die Bundesanstalt Missständen bei der Werbung für Vermögensanlagen entgegenwirken.
Wenn bestimmte Finanzprodukte erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz begegnen, etwa aufgrund ihrer Komplexität, kann die Bundesanstalt darüber hinausgehend für bestimmte Produkte oder Produktgruppen Vertriebsverbote und Vertriebsbeschränkungen verhängen.
Flankierend werden Wertpapierfirmen bereits bei der Entwicklung eines Finanzprodukts verpflichtet, den Kreis der Endkunden zu bestimmen, auf die ein Produkt abzielt, und dabei alle relevanten Risiken für die betroffenen Anlegergruppen zu bewerten (Product-Governance). Die Kundengruppe, auf die ein Anlageprodukt abzielt, ist künftig im Informationsblatt für Wertpapiere und im Vermögensanlagen-Informationsblatt zu veröffentlichen, so dass Privatkunden sich informieren können, ob ein Produkt für sie vom Anbieter als geeignet beurteilt wird.
Für sämtliche Vermögensanlagen wird künftig eine Mindestlaufzeit eingeführt, ergänzt durch eine ausreichende Kündigungsfrist. Dadurch wird für die Anleger transparent, dass die Anlagen unternehmerische Investitionen von gewisser Dauer sind. Die Bewerbung der Finanzprodukte mit der Aussicht auf kurzfristige Rückzahlung der Einlage im Bedarfsfall ist damit nicht länger möglich. Zugleich erhöht die Maßnahme die Planungssicherheit der Anbieter.
Um sicherzustellen, dass die Anleger auch beim Direktvertrieb über die wichtigsten Eigenschaften und Risiken einer Vermögensanlage informiert sind, sollen die Anleger Informationsblatt, das einen verschärften Hinweis auf Risiken enthält, unterschreiben.
5. Flankierende Erweiterung des Aufsichtsinstrumentariums
Flankierend zu den neuen materiellen Vorgaben für Anbieter von Vermögensanlagen und Wertpapierfirmen sowie den erweiterten Prüf- und Anordnungskompetenzen der Bundesanstalt ist auch das Instrumentarium der Aufsichtsbehörden zu ergänzen:
Um die Öffentlichkeit zu informieren, erhält die Bundesanstalt in Fällen, in denen Auskunftsverlangen oder Anordnungen gegenüber dem Anbieter eines Finanzprodukts nicht befolgt werden, die Befugnis zur Veröffentlichung von Warnhinweisen. Die Bundesanstalt kann künftig aufsichtsrechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die sie im Rahmen der Bekämpfung von Verstößen gegen das Vermögensanlagegesetz ergreift, auf ihrer Internetseite bekannt machen. Ist die aufsichtsrechtliche Maßnahme noch nicht bestandskräftig, wird die Veröffentlichung mit dem Hinweis „diese Entscheidung ist noch nicht bestandskräftig“ versehen. Ferner sollen verhängte Bußgelder künftig – in Vorwegnahmen entsprechender EU-Vorgaben – zu veröffentlichen sein.
Die BaFin erhält die Möglichkeit, einen externen Wirtschaftsprüfer mit einer Sonderprüfung des Jahresabschlusses zu beauftragen, wenn dazu Anlass bei einem Emittenten des „grauen“ Kapitalmarkts besteht, insbesondere bei Hinweisen Dritter, etwa des Finanzmarktwächters oder der Schlichtungsstellen auf bestehende Missstände. Zugleich wird die bisherige Obergrenze, bis zu der das Bundesamt für Justiz bei verspäteter Vorlage von Rechnungslegungsunterlagen Ordnungsgelder verhängen kann, für Unternehmen im Anwendungsbereich des Vermögensanlagengesetzes sowie für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften von 25.000 Euro auf 250.000 Euro erhöht. Im Zuge der Umsetzung der Transparenzrichtlinie wird die Obergrenze auf 10 Mio. Euro heraufgesetzt werden.
Quelle.BMFI
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