Die „Washington Post“ hat also beschlossen, diesmal keine Wahlempfehlung abzugeben – und das rein zufällig, nachdem ihr Eigentümer Jeff Bezos sich mit republikanischen Kandidaten auf Kaffeekränzchen und Plaudereien trifft. Schließlich darf man sich zukünftige Geschäfte mit einem Präsidenten Trump nicht verbauen! Der demokratiebegeisterte Slogan „Democracy Dies in Darkness“ wirkt hier also fast ironisch, insbesondere, wenn Kritiker von einem „vorauseilenden Gehorsam“ sprechen. Ach, und gleich 18 Kolumnisten? Ja, die haben in einem eigenen Statement mal eben erklärt, dass sie das Ganze einen „schrecklichen Fehler“ nennen. Scheinbar hat das Management das nicht beeindruckt.
Aber Bezos ist nicht allein auf dieser „Neutralitätswelle“. Die „Los Angeles Times“ springt gleich mit ins Boot und verweigert ebenfalls eine Wahlempfehlung. Überraschung: Auch dort war es nicht etwa die Redaktion, sondern der Eigentümer, Milliardär Patrick Soon-Shiong, der dieses „Zeichen der Unparteilichkeit“ gesetzt hat. Immerhin wissen wir jetzt, dass Unparteilichkeit neuerdings bedeutet, lieber still zu bleiben, wenn es ungemütlich wird.
Dann noch das Treffen zwischen Bezos‘ Raumfahrtunternehmen Blue Origin und Trump: Firmengeschäftsführer David Limp und andere Führungskräfte nutzten die Gelegenheit, um mit Trump in Austin zu plaudern. Schließlich möchte man als aufstrebender Raumfahrtakteur nicht ins Abseits geraten – da könnte ein Präsident Trump ja eventuell hilfreich sein. Welcher Journalist hatte nochmal gesagt, das Treffen fand zufällig nach der Ankündigung der Nicht-Empfehlung statt? Ach ja, das war David Kagan von der „Washington Post“, der am Freitag noch schnell das Handtuch geworfen hat.
Nicht nur die „Washington Post“ und „Los Angeles Times“ scheinen in puncto Wahlempfehlungen umgedacht zu haben. Laut dem Poynter Institute verzichten nun auch einige große Medienhäuser wie Gannett und McClatchy auf politische Empfehlungen. Man wolle die „Leser nicht bevormunden“ – oder, sagen wir, die eigene Position lieber in gutem Abstand zur künftigen Regierung halten. Auch das passt ins Bild: Demokratie fördern, aber bitte nicht, wenn es zu viel Staub aufwirbelt.
So scheint es, als hätten große Medienhäuser und Milliardäre das Konzept der Wahlempfehlung neu definiert. Neutralität in turbulenten Zeiten? Vielleicht. Oder vielleicht ist es doch die kluge Strategie, sich einfach alle Türen offen zu halten – ganz besonders die zum Oval Office.
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