Microsoft hat mit der Einführung einer neuen KI-basierten Funktion namens „Recall“ begonnen – und löst damit erneut heftige Diskussionen über Datenschutz und Privatsphäre aus. Die Funktion macht alle paar Sekunden automatisch Screenshots vom Bildschirm des Nutzers und speichert diese lokal auf dem Gerät.
„Recall“ ist Bestandteil der neuen Copilot+ Funktionen und wird derzeit im Vorschau-Modus für ausgewählte Nutzer von Microsofts AI-PCs sowie Mitglieder des Windows Insider Testprogramms bereitgestellt. Während Microsoft die weltweite Einführung plant, müssen Nutzerinnen und Nutzer in der EU sich voraussichtlich bis Ende 2025 gedulden – vermutlich wegen strengerer Datenschutzvorgaben.
Was macht „Recall“ genau?
Die Funktion soll es ermöglichen, vergangene Aktivitäten auf dem PC leicht wiederzufinden – egal ob geöffnete Dateien, durchsuchte Webseiten, E-Mails oder Bilder. Microsoft bewirbt „Recall“ als persönlichen digitalen Assistenten mit Gedächtnis: Wer sich etwa vor einigen Tagen ein rotes Kleid in einem Online-Shop angesehen hat, kann mit der Funktion genau nachvollziehen, auf welcher Seite es war.
Die aufgenommenen Bildschirmfotos werden lokal gespeichert. Nutzer müssen die Funktion ausdrücklich aktivieren (Opt-in) und können sie jederzeit pausieren oder einzelne Screenshots löschen. Auch lässt sich festlegen, welche Programme von „Recall“ einbezogen werden dürfen. Der private Modus von Browsern wie Edge oder Chrome wird standardmäßig nicht erfasst.
Datenschützer schlagen Alarm
Trotz dieser Sicherheitsmaßnahmen gibt es massive Bedenken. Datenschutzexperte Dr. Kris Shrishak, der bereits im vergangenen Jahr vor dem Tool gewarnt hatte, sieht in „Recall“ weiterhin ein hohes Risiko: „Auch Informationen über Dritte, die nicht eingewilligt haben, werden erfasst und verarbeitet“, erklärt er.
Besonders kritisch sei, dass Nachrichten und Bilder aus E-Mails oder Messenger-Diensten wie WhatsApp mitgespeichert werden. Dies sei zwar technisch vergleichbar mit einem selbst aufgenommenen Screenshot, doch durch die automatische und kontinuierliche Erfassung entstehe ein völlig neues Überwachungsniveau.
„Stellen Sie sich vor, eine verschwindende Nachricht bei Signal wird über ‚Recall‘ für immer gespeichert“, warnt Shrishak. Zudem bestehe die Gefahr, dass Angreifer bei einem erfolgreichen Login auf das Gerät Zugriff auf alle gespeicherten Bildschirmaufnahmen erhalten könnten – mit potenziell hochsensiblen Inhalten.
Microsoft verteidigt das Tool
Microsoft betont in einer Stellungnahme, dass keine der aufgenommenen Daten an das Unternehmen oder Dritte weitergegeben werde. Die Bilder würden ausschließlich lokal gespeichert und seien an das Nutzerkonto gebunden. Vor dem Zugriff auf die „Recall“-Daten müsse die Identität des Nutzers bestätigt werden.
Dennoch bleibt die Kritik. Datenschützer fordern klare Transparenz und bessere Kontrollmöglichkeiten für die Nutzer. Das britische Information Commissioner’s Office (ICO) teilte mit, man stehe in Kontakt mit Microsoft und erwarte, dass personenbezogene Daten nicht für andere Zwecke verwendet würden, als ursprünglich vorgesehen.
„Wir genehmigen keine Produkte im Voraus“, betont das ICO. Unternehmen seien jedoch verpflichtet, die Einhaltung der Datenschutzgesetze jederzeit nachweisen zu können. Sollte dies nicht gewährleistet sein, werde man entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Fazit
Mit „Recall“ wagt Microsoft einen Schritt in Richtung Zukunft der Mensch-Computer-Interaktion – doch er kommt mit einem hohen Preis: der potenziellen Preisgabe der Privatsphäre. Auch wenn das Unternehmen verspricht, auf Sicherheit und Transparenz zu setzen, bleiben viele Fragen offen. Datenschützer sehen die automatische Bildschirmüberwachung mit großer Skepsis – und warnen vor dem Missbrauch sensibler Daten.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Microsoft das Vertrauen der Nutzer gewinnen kann – oder ob sich „Recall“ am Ende tatsächlich als der vielzitierte „Datenschutz-Albtraum“ entpuppt.
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