In einer Sonderfolge des Podcasts The Excerpt hat Microsofts Quantenphysiker Chetan Nayak über einen bedeutenden wissenschaftlichen Durchbruch gesprochen, der das Zeitalter der Quantencomputer entscheidend beschleunigen könnte. Laut Nayak hat das Unternehmen einen neuen Materiezustand entwickelt, der weder fest, flüssig noch gasförmig ist – ein möglicher Schlüssel zur Realisierung leistungsfähiger Quantencomputer.
Was ist Quantencomputing – und warum ist es so revolutionär?
Quantencomputer unterscheiden sich grundlegend von klassischen Rechnern. Statt Bits, die entweder den Wert 0 oder 1 annehmen können, arbeiten sie mit sogenannten Qubits, die aufgrund der Superposition beide Zustände gleichzeitig einnehmen können. Diese Eigenschaft erlaubt eine parallele Verarbeitung enormer Datenmengen und verspricht Lösungen für Probleme, die heutige Supercomputer an ihre Grenzen bringen – von Medikamentenentwicklung über künstliche Intelligenz bis hin zur Datenverschlüsselung.
Der neue Materiezustand – stabiler Grundstein für die Qubits
Microsofts Quantenhardware basiert auf einem neuartigen Materialsystem aus Halbleitern und Supraleitern, das bei extrem niedrigen Temperaturen – nur 0,05 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt – und unter starken Magnetfeldern betrieben wird. Diese Kombination erlaubt es, Qubits besonders stabil zu erzeugen – eine zentrale Herausforderung im Quantencomputing.
„Wir arbeiten bei -273 Grad Celsius und mit Magnetfeldern, die tausendfach stärker sind als das Erdmagnetfeld“, erklärt Nayak. „Nur so lassen sich die störanfälligen Qubits ausreichend schützen.“
Kooperation mit DARPA – ein ambitionierter Zeitplan
Microsoft verfolgt seine Quantenpläne inzwischen mit Hochdruck. Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der US-Verteidigungsbehörde DARPA unterzeichnet und sich verpflichtet, innerhalb weniger Jahre ein voll funktionstüchtiges System zu liefern. Nayak betont, man habe einen detaillierten Plan mit Meilensteinen, Budgets und Personalplanung vorgelegt – und nehme diese Zusage „sehr ernst“.
„Lange galt: Quantencomputer sind Jahrzehnte entfernt. Wir glauben: Es sind nur noch Jahre“, so Nayak.
Kritik an Studie – Microsoft zeigt sich gelassen
Obwohl Microsoft seine Forschung kürzlich im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlichte, wurde in der Wissenschaftsgemeinde auch Kritik laut – einige Fachkollegen bemängelten unzureichende Beweise. Nayak sieht das gelassen:
„Skepsis ist in der Wissenschaft normal und gesund – besonders bei so grundlegenden Durchbrüchen.“
Im Rahmen der DARPA-Kooperation habe man der US-Regierung umfangreiche Einblicke gewährt, darunter auch Laborbesuche und Messdaten, die in der Öffentlichkeit aus Wettbewerbsgründen nicht zugänglich sind.
Ethik und Sicherheit: Quantenrechner könnten Verschlüsselung knacken
Ein viel diskutiertes Thema ist die Sicherheit: Quantencomputer könnten künftig bestehende Verschlüsselungen brechen. Deshalb arbeite man bereits an sogenannten „post-quantum“-Kryptosystemen, erklärt Nayak – neue Sicherheitsstandards, die selbst Quantenangriffen standhalten sollen.
Gleichzeitig ermögliche Quantenmechanik aber auch neue, extrem sichere Kommunikationswege – sogenannte quantensichere Kommunikation.
Ein Wettlauf der Tech-Giganten
Neben Microsoft sind auch Google, Amazon und IBM im Rennen um die Quanten-Vorherrschaft. Microsofts Ansatz unterscheide sich in der zugrundeliegenden Technologie, betont Nayak, aber man begrüße den Wettbewerb:
„Der Wettlauf ist wie eine Flut, die alle Boote hebt. Wir profitieren alle von diesem Fortschritt.“
Ausblick: Vom Labor in den Alltag
Die Vision ist klar: Quantencomputer sollen weit mehr leisten als nur schnellere Berechnungen. Denkbar sei etwa, dass sie neue Materialien gegen Mikroplastik entwickeln oder komplexe chemische Prozesse simulieren – mit enormen Auswirkungen auf Medizin, Energie und Umwelt.
„Die meisten Menschen werden nie direkt mit einem Quantencomputer arbeiten – aber ihr Leben wird durch ihn beeinflusst werden“, sagt Nayak.
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