Bundesministerium
für Arbeit und Soziales
Bekanntmachung
über den Entwurf einer Vierten Verordnung
zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns
(Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV4)
Die Bundesregierung beabsichtigt, auf der Grundlage des § 11 des Mindestlohngesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) die
Vierte Verordnung
zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns
(Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV4)
zu erlassen.
Der Entwurf der Verordnung ist im Folgenden abgedruckt.
Den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Vereinigungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften, den öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, den Wohlfahrtsverbänden sowie den Verbänden, die wirtschaftliche und soziale Interessen organisieren, wird hiermit gemäß § 11 Absatz 2 des Mindestlohngesetzes Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen, vom Tag der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung im Bundesanzeiger an gerechnet, beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 11017 Berlin, gegeben.
Nach Beschluss der Bundesregierung werden zur Erhöhung der Transparenz Verbändestellungnahmen zu Rechtsetzungsverfahren im Internet veröffentlicht. Stellungnahmen sind daher frei von personenbezogenen Daten oder alternativ mit Schwärzungen etwaiger personenbezogener Daten in der Stellungnahme abzugeben. Sollte eine Stellungnahme mit personenbezogenen Daten abgegeben werden, muss der Nachweis über die erteilte Einwilligung der betroffenen Personen zur Veröffentlichung ihrer in der Stellungnahme enthaltenen personenbezogenen Daten mit übermittelt werden. Sofern von der Veröffentlichung der Stellungnahme abgesehen werden soll, muss bei Übermittlung der Stellungnahme ausdrücklich der Veröffentlichung widersprochen werden. In diesem Fall wird im Rahmen der Veröffentlichung lediglich vermerkt, dass eine Stellungnahme des betroffenen Verbandes eingereicht wurde. Zu veröffentlichende Stellungnahmen sind barrierefrei abzugeben.
IIIa6-31261/4
Bundesministerium
für Arbeit und Soziales
Im Auftrag
Böttcher
Verordnungsentwurf
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
A. Problem und Ziel
Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) wurde zum 1. Januar 2015 ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt. Über die Anpassung des Mindestlohns hat nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes eine unabhängige Kommission der Tarifpartner, die sich aus Vertretern der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zusammensetzt und von Wissenschaftlern beraten wird (Mindestlohnkommission), zu beschließen. Dabei prüft die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden. Sie orientiert sich dabei nachlaufend an der Tariflohnentwicklung. Die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anpassung kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung verbindlich machen. Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes sind drei – jeweils einstimmig gefasste – Vorschläge der Mindestlohnkommission durch Rechtsverordnung umgesetzt worden. Den am 30. Juni 2020 gefassten dritten Beschluss der Kommission hat die Bundesregierung mit der Dritten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 9. November 2020 (BGBl. I S. 2356) umgesetzt und den Mindestlohn zum 1. Januar 2021 auf brutto 9,50 Euro je Zeitstunde, zum 1. Juli 2021 auf brutto 9,60 Euro je Zeitstunde, zum 1. Januar 2022 auf brutto 9,82 Euro je Zeitstunde und zum 1. Juli 2022 auf brutto 10,45 Euro je Zeitstunde angehoben.
Da die im Jahr 2020 durchgeführte Evaluation des gesetzlichen Mindestlohns im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz Entwicklungspotentiale aufgezeigt hat, wurde der Mindestlohn durch Artikel 1 des Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 28. Juni 2022 (BGBl. I S. 969) einmalig zum 1. Oktober 2022 auf brutto 12 Euro je Zeitstunde erhöht. Im Rahmen dieses Mindestlohnerhöhungsgesetzes wurde gleichzeitig festgelegt, dass die nächste Anpassungsentscheidung der Mindestlohnkommission zum 30. Juni 2023 erfolgt und die Anpassung mit Wirkung zum 1. Januar 2024 betrifft. Am 26. Juni 2023 hat die Mindestlohnkommission mit Mehrheit, aber gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite, einen Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden beschlossen. Der Mindestlohn soll demnach ab dem 1. Januar 2024 auf brutto 12,41 Euro je Zeitstunde und ab dem 1. Januar 2025 auf brutto 12,82 Euro je Zeitstunde angehoben werden.
B. Lösung
Anpassung der Höhe des Mindestlohns durch Rechtsverordnung der Bundesregierung auf Vorschlag der Mindestlohnkommission.
Aufgrund der Rechtsverordnung steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die bisher einen Bruttostundenlohn unterhalb des erhöhten Mindestlohns erhalten haben, ab 1. Januar 2024 mindestens ein Stundenlohn in Höhe von brutto 12,41 Euro je Zeitstunde und ab 1. Januar 2025 mindestens ein Stundenlohn in Höhe von brutto 12,82 Euro je Zeitstunde zu.
C. Alternativen
Die Bundesregierung kann den von der Mindestlohnkommission beschlossenen Vorschlag nur unverändert umsetzen und keine andere Höhe festsetzen. Sofern der Beschluss nicht umgesetzt würde, bliebe es bei der derzeitigen Mindestlohnhöhe von brutto 12 Euro je Zeitstunde. Dies wäre angesichts der allgemeinen Preisentwicklung nicht mit dem Arbeitnehmerschutz vereinbar.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Die Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV4) enthält keine Vorgaben für Bürgerinnen und Bürger.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung wird der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft nicht erhöht, geändert oder aufgehoben.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung wird der Erfüllungsaufwand für die Verwaltung nicht erhöht, geändert oder aufgehoben. Es bleibt bei dem bisherigen Personalaufwand der für die Durchführung des Mindestlohngesetzes zuständigen Bundesbehörden.
F. Weitere Kosten
Soweit durch die Verordnung eine Anhebung der Arbeitsentgelte erforderlich wird, kommt es bei den betreffenden Arbeitgebern zu höheren Lohnkosten für 2024 und 2025 von jeweils geschätzt rund 744 Millionen Euro.
Als Folge der MiLoV4 könnten bei vollständiger Überwälzung der Lohnerhöhungen die Preise für Waren und Dienstleistungen geringfügig ansteigen. Nennenswerte Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind durch die Anpassung nicht zu erwarten.
Vierte Verordnung
zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns
(Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV4)
Vom …
Auf Grund des § 11 des Mindestlohngesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) verordnet die Bundesregierung:
Höhe des Mindestlohns
Der Mindestlohn beträgt
1. | ab 1. Januar 2024 | 12,41 Euro brutto je Zeitstunde, |
2. | ab 1. Januar 2025 | 12,82 Euro brutto je Zeitstunde. |
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am … [einsetzen: 1. Januar 2024, sofern die Verkündung bis zu diesem Datum erfolgt. Bei späterer Verkündung das Datum, das auf den Tag der Verkündung folgt] in Kraft.
Begründung
Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) wurde zum 1. Januar 2015 ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt. Anspruch auf den Mindestlohn haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes (MiLoG).
Der Mindestlohn gilt auch für die im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von im Ausland ansässigen Arbeitgebern. Das MiLoG setzt damit die Vorgaben der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABL. L 018 vom 21.1.1997, S. 1) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 (ABL. L 173 vom 9.7.2018, S. 16) um. Damit schützt der Mindestlohn auch die Rechte der in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und trägt zu einem fairen Wettbewerb zwischen den im Inland und im Ausland ansässigen Unternehmen bei.
Bei seiner Einführung zum 1. Januar 2015 hat der Gesetzgeber mit einem Bruttostundenlohn von 8,50 Euro einen bewusst vorsichtigen Einstieg gewählt, der sich an der Pfändungsfreigrenze orientierte. Die Evaluation des gesetzlichen Mindestlohns hat vor diesem Hintergrund verschiedene Entwicklungspotentiale im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz aufgezeigt: Im europäischen Vergleich fiel der deutsche Mindestlohn unterdurchschnittlich gering aus. Gemessen am prozentualen Anteil des nationalen Bruttomedianlohns erreichte der deutsche Mindestlohn lediglich einen der hinteren Ränge (BMAS, Forschungsbericht 561: Der gesetzliche Mindestlohn und Arbeitnehmerschutz 2020, Seite 53). Steigende Lebenshaltungskosten, insbesondere auch Wohnkosten, stellten zudem die Geeignetheit des Mindestlohns in Frage, auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung die Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage gewährleisten zu können.
Zum 1. Oktober 2022 wurde der Mindestlohn daher durch Artikel 1 des Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 28. Juni 2022 (BGBl. I S. 969) einmalig durch Gesetz auf einen Bruttostundenlohn von 12 Euro erhöht. Mit dieser gesetzlichen Erhöhung wurde der Mindestlohn dahingehend weiterentwickelt, dass künftig der Aspekt der gesellschaftlichen Teilhabe bei der Mindestlohnhöhe stärker Berücksichtigung findet. Die durch das Mindestlohnerhöhungsgesetz festgelegte Höhe von 12 Euro orientierte sich an dem zur Ermittlung eines angemessenen Mindestlohnniveaus international anerkannten Schwellenwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns.
Die Entscheidung über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns wird vom MiLoG einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) überantwortet. Die mit der Einführung des Mindestlohns verfolgten Ziele werden institutionell abgesichert, indem für die Anpassungen des Mindestlohns auf den Sachverstand der durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes mit der Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen betrauten Tarifpartner zurückgegriffen wird. Im Rahmen des Mindestlohnerhöhungsgesetzes wurde klargestellt, dass nach der einmaligen gesetzlichen Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022 über künftige Anpassungen der Höhe des Mindestlohns weiterhin die Mindestlohnkommission entscheidet. § 9 Absatz 1 Satz 1 MiLoG wurde dahingehend geändert, dass die nächste Anpassungsentscheidung der Mindestlohnkommission bis zum 30. Juni 2023 erfolgt und die Anpassung mit Wirkung zum 1. Januar 2024 betrifft. Damit wurde zeitnah die Entscheidung über die Höhe des Mindestlohns wieder der Mindestlohnkommission überantwortet und der herausgehobenen Stellung der Sozialpartner bei der Lohnfestsetzung entsprochen. Der Mindestlohnkommission obliegt es, dass auch künftig ein angemessener Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt bleibt.
Die Beschlüsse der Kommission bedürfen der Umsetzung durch Rechtsverordnung der Bundesregierung. Die Kommission hatte erstmals bis zum 30. Juni 2016 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 über die Anpassung des Mindestlohns zu beschließen und hat eine Anhebung auf brutto 8,84 Euro je Zeitstunde vorgeschlagen. Dieser Beschluss wurde durch die erste Mindestlohnanpassungsverordnung der Bundesregierung vom 15. November 2016 (BGBl. I S. 2530) für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht. Seitdem hatte die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Mindestlohnhöhe zu beschließen. Mit der Zweiten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 13. November 2018 (BGBl. I S. 1876) hat die Bundesregierung den Beschluss der Kommission vom 26. Juni 2018 umgesetzt und den gesetzlichen Mindestlohn ab 1. Januar 2019 auf brutto 9,19 Euro je Zeitstunde und ab 1. Januar 2020 auf brutto 9,35 Euro je Zeitstunde erhöht. Der Beschluss der Mindestlohnkommission vom 30. Juni 2020 war von durch die Corona-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt. Die Kommission hat deshalb einstimmig eine Anpassung des Mindestlohns für die Zeit ab 1. Januar 2021 in vier Stufen vorgeschlagen. Diesen Beschluss hat die Bundesregierung mit der Dritten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 9. November 2020 (BGBl I S. 2356) umgesetzt und den Mindestlohn ab dem 1. Januar 2021 zunächst auf brutto 9,50 Euro je Zeitstunde und in weiteren Schritten zum 1. Juli 2021 auf brutto 9,60 Euro je Zeitstunde, zum 1. Januar 2022 auf brutto 9,82 Euro je Zeitstunde sowie zum 1. Juli 2022 auf brutto 10,45 Euro je Zeitstunde festgesetzt.
Am 26. Juni 2023 hat die Mindestlohnkommission den ersten Beschluss nach der gesetzlichen Erhöhung zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro gefasst. Beschlossen wurde mit den Stimmen der Vorsitzenden und der Arbeitgeberseite – aber gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite – ein Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden. Danach soll der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 auf brutto 12,41 Euro je Zeitstunde und zum 1. Januar 2025 auf brutto 12,82 Euro je Zeitstunde steigen. Die Mindestlohnkommission hat der Bundesregierung auch einen Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns nach § 9 Absatz 4 MiLoG zur Verfügung gestellt.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Die Vierte Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV4) setzt auf Grundlage des Beschlusses der Mindestlohnkommission vom 26. Juni 2023 die Höhe des Mindestlohns ab 1. Januar 2024 auf brutto 12,41 Euro je Zeitstunde und ab 1. Januar 2025 auf brutto 12,82 Euro je Zeitstunde fest.
III. Alternativen
Die Bundesregierung kann den von der Mindestlohnkommission beschlossenen Vorschlag nur unverändert umsetzen und keine andere Höhe festsetzen. Sofern der Beschluss nicht umgesetzt würde, bliebe es bei der derzeitigen Mindestlohnhöhe von brutto 12 Euro je Zeitstunde. Dies wäre angesichts der allgemeinen Preisentwicklung nicht mit dem Arbeitnehmerschutz vereinbar.
IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Die MiLoV4 ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar.
V. Verordnungsfolgen
Die stufenweise Anpassung des Mindestlohns zum 1. Januar 2024 und zum 1. Januar 2025 trägt zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei und ermöglicht faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen. Negative Beschäftigungseffekte sind nicht zu erwarten.
1 Nachhaltigkeitsaspekte
Die MiLoV4 steht im Einklang mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Die Erhöhung des Mindestlohns verbessert die Einkommenssituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich. Frauen erhalten häufiger den Mindestlohn als Männer, daher profitieren sie eher, ebenso Beschäftigte in Ostdeutschland. Der Mindestlohn leistet einen Beitrag zur fairen Einkommensverteilung und fördert damit die wirtschaftliche und soziale Teilhabe.
2 Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
3 Erfüllungsaufwand
3.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Die MiLoV4 enthält keine Vorgaben für Bürgerinnen und Bürger.
3.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung wird der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft nicht erhöht, geändert oder aufgehoben.
3.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung wird der Erfüllungsaufwand für die Verwaltung nicht erhöht, geändert oder aufgehoben. Es bleibt bei dem bisherigen Personalaufwand der für die Durchführung des MiLoG zuständigen Bundesbehörden.
4 Weitere Kosten
Soweit durch die Verordnung eine Anhebung der Arbeitsentgelte erforderlich wird, kommt es bei den betreffenden Arbeitgebern zu höheren Lohnkosten für 2024 und 2025 von jeweils geschätzt rund 744 Millionen Euro.
Als Folge der MiLoV4 könnten bei vollständiger Überwälzung der Lohnerhöhungen die Preise für Waren und Dienstleistungen geringfügig ansteigen. Nennenswerte Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind durch die Anpassung nicht zu erwarten.
5 Weitere Verordnungsfolgen
Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen der Mindestlohnerhöhung wurden geprüft. Die Verordnung ist geschlechtsneutral formuliert. Nach dem Ergebnis der Relevanzprüfung ist die Verordnung insgesamt gleichstellungspolitisch ausgewogen; sie läuft gleichstellungspolitischen Zielen nicht zuwider. Von der Erhöhung des Mindestlohns werden Frauen in besonderem Maße profitieren, da sie überproportional von niedrigen Löhnen betroffen sind. Auch von der gesetzlichen Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro je Zeitstunde profitierten weitaus mehr Frauen (rund 18 Prozent) als Männer (rund 12 Prozent). Demografische Auswirkungen der Erhöhung des Mindestlohns sind nicht zu erwarten.
VI. Befristung; Evaluierung
Nach § 11 Absatz 1 Satz 3 MiLoG gilt die Rechtsverordnung, bis sie durch eine neue Rechtsverordnung abgelöst wird.
Die Mindestlohnkommission evaluiert nach § 9 Absatz 4 MiLoG laufend die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Wettbewerbsbedingungen und die Beschäftigung in Bezug auf bestimmte Branchen und Regionen sowie die Produktivität und stellt ihre Erkenntnisse der Bundesregierung jeweils in einem Bericht gemeinsam mit ihrem Beschluss zur Verfügung. Seit Inkrafttreten des MiLoG hat die Mindestlohnkommission der Bundesregierung vier Berichte – jeweils gemeinsam mit ihrem jeweiligen Anpassungsbeschluss – zur Verfügung gestellt, ihren aktuellen Bericht am 26. Juni 2023.
Besonderer Teil
Zu § 1 (Höhe des Mindestlohns)
Mit § 1 wird der Anpassungsbeschluss der Mindestlohnkommission von der Bundesregierung für alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechtsverbindlich umgesetzt (vergleiche § 11 Absatz 1 Satz 1 MiLoG).
Die stimmberechtigten Mitglieder der Mindestlohnkommission haben am 26. Juni 2023 mit Mehrheit, aber gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite, einen Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden beschlossen, nach dem die Höhe des Mindestlohns ab dem 1. Januar 2024 auf brutto 12,41 Euro je Zeitstunde und ab dem 1. Januar 2025 auf brutto 12,82 Euro je Zeitstunde angepasst werden soll. Dies entspricht einer Steigerung des Mindestlohns von 3,42 Prozent im Jahr 2024 und 3,3 Prozent im Jahr 2025. In der Summe ergibt sich eine Steigerung von 6,83 Prozent.
Die formalen Voraussetzungen der Beschlussfassung wurden eingehalten. Der Beschluss wurde mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Kommissionsmitglieder gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 MiLoG gefasst. Die Vorsitzende ist hierbei nach § 10 Absatz 2 Satz 4 MiLoG stimmberechtigt gewesen. Da keine Einigung zwischen den sechs Mitgliedern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erzielt werden konnte, war es nach § 10 Absatz 2 Satz 3 MiLoG die Aufgabe der Vorsitzenden, einen Vermittlungsvorschlag zu unterbreiten. Nachdem dieser beraten wurde und ebenfalls keine Mehrheit fand, oblag es der Vorsitzenden, mit ihrer Stimme eine Entscheidung über den Vorschlag herbeizuführen, vergleiche § 10 Absatz 2 Satz 4 MiLoG. Den so gefassten Anpassungsbeschluss hat die Mindestlohnkommission nach § 9 Absatz 3 MiLoG auch schriftlich begründet.
Die beschlossene Anpassung ist nach Einschätzung der Bundesregierung im Rahmen einer Gesamtabwägung geeignet, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden (vergleiche § 9 Absatz 2 Satz 1 MiLoG).
Die Mindestlohnkommission hat sich für die Anpassung der Höhe des Mindestlohns auch nachlaufend an der Tarifentwicklung orientiert (vergleiche § 9 Absatz 2 Satz 2 MiLoG): Das Mindestlohngesetz gibt nicht vor, wie die Ermittlung der Tariflohnentwicklung konkret zu erfolgen hat. Die Kommission ist daher befugt, anhand sachgerechter und praktikabler Erwägungen die Einzelheiten der Ermittlung des Tarifindex, wie beispielsweise den Betrachtungszeitraum oder die zu berücksichtigenden Entgeltbestandteile, eigenverantwortlich zu bestimmen.
Vorliegend hat die Kommission für die Berechnung des Tarifindex einen Betrachtungszeitraum von Juni 2022 bis Juni 2023 (Zeitpunkt der Beschlussfassung) gewählt. Für diesen 12-Monats-Zeitraum wurde auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes eine Tariflohnentwicklung von 7,8 Prozent berechnet. Hierbei wurden neben der Entwicklung der tariflichen Stundenverdienste auch in den Betrachtungszeitraum fallende Sonderzahlungen berücksichtigt.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 MiLoG gibt der Mindestlohnkommission eine nachlaufende Orientierung an der Tariflohnentwicklung vor. In der Vergangenheit hat die Kommission einen Betrachtungszeitraum entsprechend dem zweijährigen Anpassungszyklus (vergleiche § 9 Absatz 1 Satz 2 MiLoG) gewählt. Im Rahmen der diesjährigen Entscheidung bestand die Besonderheit, dass dem nach § 9 Absatz 1 Satz 1 MiLoG zum 30. Juni 2023 anstehenden Anpassungsbeschluss eine gesetzliche Anhebung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 vorausgegangen war. Im diesjährigen Beschluss hat die Kommission vor diesem Hintergrund auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes auf die Tariflohnentwicklung der letzten 12 Monate vor der Beschlussfassung abgestellt. Der Betrachtungszeitraum von einem Jahr, rückblickend bis Juni 2022, hat es der Kommission ermöglicht, auch Sonderzahlungen, wie Urlaubsgeld und insbesondere die in diesem Zeitraum ausgezahlten, tariflich vereinbarten Prämien zum Inflationsausgleich, zu berücksichtigen, die Kaufkraftverluste abgedämpft haben. Für den ebenfalls denkbaren, alternativen Betrachtungszeitraum von Ende September/Oktober 2022 (Inkrafttreten der gesetzlichen Anpassung auf 12 Euro) bis Juni 2023 (Zeitpunkt der Beschlussfassung) wäre eine Einbeziehung der Sonderzahlungen hingegen aus statistischen Gründen nicht sinnvoll möglich gewesen. Da insbesondere im Juni tarifliche Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld ausgezahlt werden, würde ein Betrachtungszeitraum von Ende September bis Juni aufgrund des niedrigen Ausgangswertes des Anfangsmonats (ohne Sonderzahlungen) und hohen Niveaus des Endzeitpunktes (insbesondere durch die im Juni 2023 angefallene Inflationsausgleichsprämie für Tarifbeschäftige des öffentlichen Dienstes) zu verzerrten Ergebnissen kommen. Hätte man in diesem Alternativzeitraum hingegen nur die Tariflohnentwicklung ohne Sonderzahlungen berücksichtigt, wäre auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes lediglich eine Tariflohnentwicklung von 2,3 Prozent zu berücksichtigen gewesen, was die tarifliche Lohnentwicklung angesichts der Entwicklungen des Jahres 2022 nur unzureichend abgebildet hätte. Der gewählte Bezugszeitraum ist daher aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
In der Folge hat die Kommission mit der Mehrheit ihrer stimmberechtigten Mitglieder entschieden, die der Tariflohnentwicklung entsprechende prozentuale Steigerung (Tarifindex) auf den Wert von 10,45 Euro anzuwenden und zugleich den durch den Gesetzgeber veranlassten Anstieg von 1,55 Euro zu berücksichtigen, um den absoluten Steigerungsbetrag zu ermitteln. Damit wurde auf den Wert der letzten Entscheidung der Mindestlohnkommission vor der gesetzlichen Anhebung auf 12 Euro abgestellt. Auch in den vergangenen Beschlüssen wurde teilweise ein Bezugspunkt für die Anwendung des Tarifindex gewählt, der nicht der aktuellen Mindestlohnhöhe entsprach. Diese Vorgehensweise ist im Ergebnis nicht zu beanstanden und soll den durch die gesetzliche Anhebung bestehenden Besonderheiten Rechnung tragen.
Ebenso oblag es dem Ermessen der Kommission, entsprechend der bisherigen Praxis eine Anpassung zu empfehlen, durch die der hierdurch ermittelte Steigerungsbetrag von 0,82 Euro durch zwei Steigerungsschritte von jeweils 0,41 Euro zum 1. Januar 2024 sowie zum 1. Januar 2025 erreicht wird. Einer gestuften Anpassung stehen weder der Wortlaut noch der Telos des § 9 Absatz 1 Satz 2 MiLoG, Kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit der Mindestlohnhöhe für die Arbeitgeber zu schaffen, entgegen. Eine schrittweise Anpassung des Mindestlohns entspricht auch der Vorgehensweise der Tarifparteien im Rahmen von Tarifabschlüssen und trägt dazu bei, die bei Arbeitgebern entstehenden Lohnkostensteigerungen besser über den Geltungszeitraum zu verteilen.
Nach Einschätzung der Bundesregierung ist die vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns auch unter Berücksichtigung der Begründung des Anpassungsbeschlusses und des von der Mindestlohnkommission vorgelegten Evaluationsberichts bei Gesamtabwägung geeignet, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen.
Die vorgeschlagene Höhe des Mindestlohns ermöglicht es einem alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten, ein Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c Absatz 1 Nummer 1 der Zivilprozessordnung zu erzielen. Bei der Einführung des Mindestlohns hat sich der Gesetzgeber für die Höhe des Mindestlohns an der Pfändungsfreigrenze orientiert, da diese ein auf die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeschnittenes pauschaliertes Existenzminimum darstellt, welches ihnen einen moderaten Selbstbehalt sichert. Berücksichtigt sind dabei Sonderkosten, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern typischerweise durch die Erwerbstätigkeit entstehen. Die Pfändungsfreigrenze ist mit der Bekanntmachung über Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen vom 15. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 79) mit Wirkung zum 1. Juli 2023 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten auf netto 1 409,99 Euro monatlich erhöht worden. Die Erhöhung des Mindestlohns auf zunächst brutto 12,41 Euro je Zeitstunde stellt sicher, dass der Mindestlohn auch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Erhöhung am 1. Januar 2024 einem alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten ermöglicht, bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ein Monatseinkommen oberhalb der derzeit geltenden Pfändungsfreigrenze zu erzielen.
Die vorgeschlagene Mindestlohnhöhe bewegt sich zudem im Rahmen des auf internationaler Ebene üblichen Referenzwerts von 60 Prozent des Brutto-Medianlohns, den auch Artikel 5 Absatz 4 Satz 1 der EU-Mindestlohn-RL beispielhaft aufführt. Ein sich an diesem Wert orientierender Mindestlohn ermöglicht es alleinstehenden, vollzeiterwerbstätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern typischerweise, über das bloße Existenzminimum hinaus am sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben und für unvorhergesehene Ereignisse vorzusorgen (vergleiche BT-Drs. 20/1408, S. 18). Auf Basis der aktuellsten veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes (Oktober 2022) entspricht ein Mindestlohn von 12,41 Euro bei Einbeziehung aller unter den Anwendungsbereich des MiLoG fallenden Beschäftigungsverhältnisse einschließlich der Teilzeitbeschäftigten 65,52 Prozent des Bruttomedianlohns, stellt man nur auf die Vollzeitbeschäftigten ab, ergeben sich 58,29 Prozent des Bruttomedianlohns. Die Mindestlohnhöhe von 12,82 Euro entspricht 67,69 Prozent (auch Teilzeitbeschäftigte) beziehungsweise 60,22 Prozent (nur Vollzeitbeschäftigte) des Bruttomedianlohns.
Zwar bleibt die beschlossene Anhebung des Mindestlohns um insgesamt 6,83 Prozent deutlich hinter der derzeitigen allgemeinen Preisentwicklung zurück, die im vergangenen Jahr im Durchschnitt bei 7,9 Prozent lag, im laufenden Jahr nach der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vom 26. April 2023 bei voraussichtlich etwa 5,9 Prozent liegt und für 2024 auf 2,7 Prozent prognostiziert wird. Es ist jedoch zum einen zu beachten, dass es der von der Kommission vorzunehmenden Orientierung an der Tariflohnentwicklung immanent ist, dass sie vergangenheitsbasiert ist und sehr aktuelle Entwicklungen nicht vollständig abbildet. Hintergrund ist, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Beschlüsse der Kommission nicht Taktgeber für die Tarifverhandlungen werden sollten, sondern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohns erhalten, in gewissem Umfang an den Einkommenszuwächsen der Branchen teilhaben sollen, für die funktionierende Tarifstrukturen bestehen. Zum anderen hat die Kommission im Rahmen der Ermittlung der Tariflohnentwicklung dem Gesichtspunkt der allgemeinen Preisentwicklung insofern Rechnung getragen, als dass sie – in Abweichung von ihrer bisherigen Praxis – neben der Entwicklung der tariflichen Stundenverdienste auch in den Betrachtungszeitraum fallende Sonderzahlungen berücksichtigt hat. Hierdurch sind zumindest auch die in diesem Zeitraum angefallenen tariflichen Prämien zum Inflationsausgleich in den Tarifindex eingeflossen, welche die durch die Inflation hervorgerufenen Kaufkraftverluste abdämpfen sollen. Schließlich ist zu beachten, dass der Mindestlohn durch die gesetzliche Anhebung von 10,45 Euro auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022 bereits um circa 14,8 Prozent gestiegen war.
Die vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns ist nach Einschätzung der Bundesregierung auch unter Berücksichtigung der Begründung des Anpassungsbeschlusses und des von der Mindestlohnkommission vorgelegten Evaluationsberichts bei Gesamtabwägung zudem geeignet, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen.
Für Betriebe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Löhnen auf Mindestlohnniveau beschäftigen, bedeutete ein höherer gesetzlicher Mindestlohn in der Vergangenheit steigende Lohn- und damit Produktionskosten. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse zeigen, dass es den Betrieben bisher ganz überwiegend gelungen ist, sich an das höhere Lohnkostenniveau anzupassen und keine grundsätzlich nachteiligen Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Wettbewerbssituation zu beobachten sind.
Zwar sind die Arbeitskosten (das heißt die Summe aus Bruttolohnsumme und Lohnnebenkosten) in den letzten Jahren gestiegen, dieser Anstieg ist jedoch nicht mindestlohninduziert (vergleiche Vierter Bericht der Mindestlohnkommission, Rn. 294). Bis zu Beginn der Corona-Pandemie ist dieser Anstieg im Wesentlichen auf das gute wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen, in dem regelmäßig auch Lohnzuwächse zu verzeichnen waren. Ab 2020 entwickelten sich die Arbeitskosten vor allem unter dem Eindruck der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ab 2022 ist die Entwicklung der Arbeitskosten insbesondere durch die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine geprägt.
Auch die Lohnstückkosten, die das Verhältnis von Arbeitnehmerentgelt und Produktivität ausdrücken, zeigen keinen mindestlohninduzierten Anstieg. Seit etwa 2011 ist ein vergleichsweise geringer Anstieg der Produktivität zu verzeichnen, was unter anderem an der Integration zusätzlicher Personen in den Arbeitsmarkt infolge der Arbeitsmarktreformen in den 2000er Jahren sowie Beschäftigungsverschiebungen hin zu weniger arbeitsproduktiven Bereichen, insbesondere der Dienstleistungsbranche, liegen dürfte (vergleiche Vierter Bericht der Mindestlohnkommission, Rn. 298). Das geringere Produktivitätswachstum wiederum führt zu einem Anstieg der Lohnstückkosten. Dieser seit 2011 anhaltende Trend setzte sich auch in den Jahren 2015 bis 2022 fort, ohne dass ein Einfluss durch den Mindestlohn erkennbar ist.
Nennenswerte Auswirkungen des Mindestlohns auf die Marktstruktur – etwa durch eine veränderte Unternehmensdynamik oder Wettbewerbsintensität – lassen sich nicht feststellen. Auch bei der Entwicklung der Insolvenzverfahren sind keine Unterschiede zwischen den vom gesetzlichen Mindestlohn besonders betroffenen Branchen und der Gesamtzahl aller Insolvenzen erkennbar gewesen. In den Jahren 2020 und 2021 kam es durch die befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu einem deutlichen Rückgang der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr, sowohl in der Gesamtwirtschaft als auch in den vom Mindestlohn betroffenen Branchen. Für das Jahr 2022, in dem sich die Wirtschaft mit Preissteigerungen und wirtschaftlichen Verwerfungen aufgrund des Ukrainekrieges konfrontiert sah, geben die Daten des Statistischen Bundesamtes einen Anstieg der Gewerbeabmeldungen wieder, der in den vom gesetzlichen Mindestlohn hoch betroffenen Wirtschaftszweigen mit 12 Prozent stärker ausfiel als in der Gesamtwirtschaft (6 Prozent). Die Insolvenzen waren hingegen weiter sowohl in den vom gesetzlichen Mindestlohn hoch betroffenen Wirtschaftszweigen als auch in der Gesamtwirtschaft mit 10 Prozent beziehungsweise 6 Prozent weiter rückläufig.
Es steht nicht zu erwarten, dass die vorgeschlagene Anhebung des Mindestlohns, die unterhalb der prognostizierten Inflation liegt, entgegen der geschilderten bisherigen Entwicklung zukünftig wesentliche Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftlichen Arbeitskosten, Lohnstückkosten und Marktstruktur hat. Vielmehr trägt die vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns durch Einschränkung des Lohnunterbietungswettbewerbs zu fairen und funktionierenden Wettbewerbsbedingungen zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern bei. Der Mindestlohn wirkt auch Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die entstehen, wenn ausländische Unternehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland einsetzen und diese zu den im Herkunftsland geltenden niedrigeren Löhnen beschäftigen. Soll diese Zielsetzung des Mindestlohns nachhaltig erreicht werden, bedarf es bei einem als konkretem Betrag vorgeschriebenen Mindestlohn der regelmäßigen betragsmäßigen Anpassung.
Nach Einschätzung der Bundesregierung bestehen unter Berücksichtigung der Begründung des Anpassungsbeschlusses und des von der Mindestlohnkommission vorgelegten Evaluationsberichts keine Hinweise, dass die vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns gesamtwirtschaftlich negative Beschäftigungswirkungen entfaltet.
Der Mindestlohn hat sich seit seiner Einführung, wie die Evaluation des Mindestlohns und die Berichte der Mindestlohnkommission zeigen, nicht nennenswert auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Die Arbeitslosenquote war in Deutschland nach Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 auf 6,4 Prozent gesunken. Nach der Anpassung des Mindestlohns zum 1. Januar 2017 sank dieser Wert auf 5,7 Prozent im Jahresdurchschnitt 2017 und nach der Anpassung zum 1. Januar 2019 auf 5 Prozent im Jahresdurchschnitt 2019. Gleichzeitig hat die Gesamtbeschäftigung in diesem Zeitraum weiter zugenommen. Seit 2020 wird die Entwicklung des Arbeitsmarkts und der gesamtwirtschaftlichen Produktion von den Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie und dem Angriffskrieg auf die Ukraine geprägt. Die Arbeitslosenquote lag in Deutschland zwischen 2020 und 2022, gestützt durch arbeitsmarktpolitische Instrumente, im Jahresdurchschnitt zwischen 5,3 und 5,9 Prozent, die Erwerbstätigkeit zwischen 44,79 Millionen und 45,57 Millionen Personen. Auch die Konjunkturentwicklung in den Jahren 2020 bis 2022 war schwankend. So fiel das nominale Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem jeweiligen Vorjahr um 3,7 Prozent im Jahr 2020 und stieg um 2,6 Prozent im Jahr 2021 und im Jahr 2022 um 1,8 Prozent.
Zwar waren vom Mindestlohn hoch betroffene Branchen von negativen Entwicklungen in dieser Zeit überdurchschnittlich stark betroffen. Der Vierte Bericht der Mindestlohnkommission weist jedoch darauf hin, dass dies nicht am Mindestlohn lag, sondern an den Coronaschutzmaßnahmen, von denen die Entwicklung dieser Branchen stark beeinflusst wurde. Entsprechend ist die Beschäftigung in vom Mindestlohn hoch betroffenen Branchen nach einem Rückgang in 2020 und 2021 wieder überdurchschnittlich stark gestiegen.
Der aktuelle Beschluss der Mindestlohnkommission erging zwar wegen der immer noch hohen Inflation und Energiekosten sowie des Kriegs in der Ukraine unter herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich Mindestlohnerhöhungen auch unter solchen Voraussetzungen nicht nennenswert auf die Beschäftigung auswirken. Zudem ist die prognostizierte Entwicklung des Arbeitsmarktes insgesamt stabil. Nach der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung wird von einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2023 ausgegangen. Die Gemeinschaftsdiagnose der Institute folgt der Projektion der Bundesregierung und geht von einer Steigerung der Erwerbstätigen im Inland auf 45,9 Millionen Personen für 2023 und 2024 auf 45,96 Millionen Personen aus. Der Sachverständigenrat prognostiziert für beide Jahre eine Steigerung. Zunächst auf 45,8 Millionen Personen im Jahresdurchschnitt 2023 und für 2024 auf 45,9 Millionen Personen. Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung erwartet für 2023 im Jahresdurchschnitt eine Arbeitslosenzahl von 2,46 Millionen Personen (Arbeitslosenquote 5,4 Prozent). Für 2024 wird erwartet, dass die Zahl der registrierten Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt auf rund 2,38 Millionen (Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent) sinkt.
Es ist vor diesem Hintergrund zu erwarten, dass auch die vorgeschlagene Anhebung des Mindestlohns, die noch unter der der allgemeinen Preisentwicklung liegt (siehe oben), keine negativen Beschäftigungseffekte entfaltet. Dazu trägt bei, dass sich die Mindestlohnerhöhung an der Tariflohnentwicklung orientiert und die Erhöhung auf zwei Stufen verteilt wird. Für Arbeitgeber wird damit Kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit der Mindestlöhne gewährleistet und Planungssicherheit geschaffen.
Zu § 2 (Inkrafttreten)
In § 2 wird das Inkrafttreten der MiLoV4 geregelt. Die Verordnung tritt entsprechend dem Beschluss der Mindestlohnkommission zum 1. Januar 2024, frühestens aber am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft (vergleiche § 11 Absatz 1 Satz 2 MiLoG). Die MiLoV4 gilt, bis sie durch eine neue Rechtsverordnung abgelöst wird (vergleiche § 11 Absatz 1 Satz 3 MiLoG).
Beschluss
der Mindestlohnkommission nach § 9 MiLoG
vom 26. Juni 2023
Die Mindestlohnkommission hat in ihrer Sitzung vom 26. Juni 2023 mit Mehrheit, aber gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite, einen Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden beschlossen. Gleiches gilt für die nachfolgende Begründung, die ebenfalls gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite zustande gekommen ist. Die Gewerkschaften geben deshalb eine hier angefügte eigene Stellungnahme ab.
Beschlossen wurde, den gesetzlichen Mindestlohn in folgenden Stufen zu erhöhen:
Zum 1. Januar 2024 | 12,41 Euro, |
zum 1. Juli 2025 | 12,82 Euro, |
jeweils brutto je Zeitstunde. |
Begründung
Die Mindestlohnkommission prüft im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden. Bei der Festsetzung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns orientiert sie sich nachlaufend an der Tarifentwicklung. Nach Überzeugung der Kommission ist die Tarifentwicklung als Ausgangs- und Orientierungspunkt einer Gesamtabwägung sinnvoll und wichtig, weil die Sozialpartner im Rahmen der abgeschlossenen Tarifverträge auch die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Wettbewerbsbedingungen sowie Beschäftigungsaspekte berücksichtigen.
Die vorliegenden Erkenntnisse zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die im Mindestlohngesetz genannten Kriterien hat die Kommission im Rahmen ihres Vierten Berichts an die Bundesregierung, der gemeinsam mit diesem Beschluss veröffentlicht wird, umfassend dokumentiert.
Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen. Die Folgen der Corona-Pandemie sind in vielen Wirtschaftszweigen weiterhin zu spüren. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und seine negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft dauern fort. Für das Gesamtjahr 2023 wird eine Stagnation des Wirtschaftswachstums erwartet. Für das Jahr 2024 gehen die aktuellen Prognosen von einer moderaten wirtschaftlichen Erholung aus. Die Inflation erreichte im Jahr 2022 mit einer Höhe von 6,9 Prozent einen historisch hohen Wert.
Durch die Anhebung des Mindestlohns von 10,45 Euro auf 12 Euro brutto je Zeitstunde durch den Deutschen Bundestag im Oktober 2022 wurde das regelmäßige Anpassungsverfahren durch die Mindestlohnkommission nach § 9 MiLoG vorübergehend ausgesetzt. Die Mehrheit der Mindestlohnkommission hat den Anstieg des Tarifindex auf den Wert der letzten Entscheidung der Mindestlohnkommission von 10,45 Euro angewandt und zugleich den durch den Gesetzgeber veranlassten Anstieg von 1,55 Euro berücksichtigt.
Durch die frühzeitige Ankündigung der Anpassungsstufen bis ins Jahr 2025 haben die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns bei der Fortentwicklung ihrer Tarifverträge zu berücksichtigen.
Die vorliegenden wissenschaftlichen Evaluationsstudien kommen für die Mindestlohneinführung und dessen Erhöhungen durch die Mindestlohnkommission bis zu Beginn des Jahres 2022 zu dem Ergebnis, dass es bislang nur geringe negative Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Beschäftigung gab. Diese betreffen die ausschließlich geringfügige Beschäftigung („Minijobs“), die infolge der Einführung und der Erhöhungen des Mindestlohns abnahm. Auf die Arbeitslosigkeit hatte der Mindestlohn bisher keine Auswirkungen.
Die Mehrheit der Mindestlohnkommission ist der Auffassung, dass die zweistufige Erhöhung des Mindestlohns dazu dient, die Lohnkostensteigerungen für die betroffenen Betriebe vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage tragfähig zu halten und zugleich die Verdienste der Beschäftigten zu stabilisieren.
Der heutige Beschluss zur Erhöhung des Mindestlohns soll nach Auffassung der Mehrheit der Mindestlohnkommission zu fairen und funktionierenden Wettbewerbsbedingungen beitragen, indem er einem Verdrängungswettbewerb durch niedrigste Arbeitsentgelte entgegenwirkt. Für Betriebe, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Löhnen auf Mindestlohnniveau beschäftigen, bedeutet ein höherer gesetzlicher Mindestlohn steigende Lohn- und damit Produktionskosten. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse zeigen, dass es den Betrieben bisher ganz überwiegend gelungen ist, sich an das höhere Lohnkostenniveau anzupassen und keine grundsätzlich nachteiligen Wirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Wettbewerbssituation zu beobachten sind.
Für die Orientierung an der nachlaufenden Tarifentwicklung stützt sich die Mindestlohnkommission auf den Tarifindex des Statistischen Bundesamts. Konkret werden entsprechend der Definition des gesetzlichen Mindestlohns als Stundenlohn die tariflichen Stundenverdienste als Basis herangezogen.
Vor dem Hintergrund der vorliegenden Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Erkenntnisse zur Beschäftigungs- und Wettbewerbssituation hält es die Mehrheit der Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen.
Einzelne Gesichtspunkte wurden in der Kommission unterschiedlich diskutiert und bewertet.
Im Ergebnis hält die Mehrheit der Kommission die beschlossene Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns im Rahmen der im Gesetz vorgeschriebenen Gesamtabwägung für angemessen. Bei künftigen Entscheidungen wird die Kommission erneut prüfen, welche Höhe des gesetzlichen Mindestlohns im Rahmen der Gesamtabwägung mit Blick auf die im Mindestlohngesetz genannten Kriterien tragfähig ist.
Die Mindestlohnkommission hat die Möglichkeit zur Durchführung einer Anhörung nach § 10 Absatz 3 MiLoG genutzt. Die Stellungnahmen sind in einem Ergänzungsband zum Vierten Bericht der Mindestlohnkommission enthalten.
Stellungnahme der Arbeitnehmerseite in der Mindestlohnkommission
Die Arbeitnehmerseite der Mindestlohnkommission konnte aus folgenden Gründen dem Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden nicht zustimmen:
- 1.
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Um den vom Mindestlohngesetz geforderten Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zum Erhalt der Kaufkraft für die untersten Einkommensbezieherinnen/Einkommensbezieher zu gewährleisten, hätte nach Ansicht der Vertreterinnen/Vertreter der Gewerkschaften der Mindestlohn deutlich, zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission haben sich dem verweigert.
- 2.
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Die Gewerkschaften kritisieren zudem, dass die Arbeitgeber als Basis für die nächste Erhöhung nicht den aktuell geltenden Mindestlohn von 12 Euro zur Grundlage nehmen, sondern den vom Gesetzgeber abgelösten, zuvor geltenden Mindestlohn in Höhe von 10,45 Euro als Ausgangspunkt genommen haben. Dies missachtet die Intention des Gesetzgebers, der bereits vor dem sprunghaften Anstieg der Inflation den Mindestschutz der Beschäftigten mit der Anhebung auf 12 Euro gewährleisten wollte. Diesem Willen des Gesetzgebers werden die nun beschlossenen Erhöhungsschritte nicht gerecht.
- 3.
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Spätestens bis Ende 2024 muss die EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, wonach die Mindestlöhne in der Europäischen Union mindestens 60 Prozent des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten erreichen sollen. Dies würde einem Mindestlohn in Höhe von mindestens 14 Euro entsprechen.
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