Polizisten, die nach der Sicherung einer Unfallstelle auf der Autobahn nicht ausreichend auf den herannahenden Verkehr achten und sich nicht hinter die Betonschutzwände zurückziehen, können im Falle eines weiteren Unfalls eine Mitschuld tragen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einer aktuellen Entscheidung festgestellt und den geschädigten Beamten eine Mitverursachung von einem Drittel zugesprochen.
Hintergrund des Unfalls
Die Entscheidung bezieht sich auf einen Verkehrsunfall, der sich im November 2015 auf der BAB A4 in der Nähe von Kirchheim ereignete. Nach einem ersten Unfall hatten drei Bundespolizisten, die sich auf dem Heimweg befanden, angehalten, um die Unfallstelle abzusichern. Ein Fahrzeug blieb dabei auf der linken Spur stehen, während Trümmerteile die anderen Fahrbahnen blockierten.
Etwa 30 Minuten nach der Sicherung der Unfallstelle, während die beiden rechten Fahrspuren bereits wieder freigegeben waren, kam es zu einer erneuten Tragödie: Ein Pkw, der auf der linken Fahrspur unterwegs war, kollidierte frontal mit einem der Polizisten, der sich auf einem schmalen Zwischenstreifen zwischen der Fahrbahn und der Betonschutzwand befand. Der Beamte wurde tödlich verletzt. In der Folge erfasste der Pkw auch die beiden anderen Beamten, die teilweise schwer verletzt wurden. Der Fahrer des Pkw wurde später strafrechtlich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.
Rechtsstreit um Schadensersatz
Die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherr der verletzten und des getöteten Beamten forderte von den Beklagten – Fahrer, Versicherer und Halter des Fahrzeugs – Schadensersatz in Höhe von knapp 350.000 Euro für Leistungen, die sie an die Hinterbliebenen und die verletzten Beamten erbracht hatte. Das Landgericht Fulda hatte der Klage teilweise stattgegeben und rund 210.000 Euro zugesprochen. Es hatte jedoch Teile der Forderung abgewiesen, die es nicht als übergangsfähig ansah.
Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein. Das OLG Frankfurt entschied nun, dass den geschädigten Beamten ein Mitverschuldensanteil von einem Drittel anzurechnen sei, wodurch die Haftung der Beklagten auf zwei Drittel reduziert wurde.
Begründung des Mitverschuldens
Das OLG führte aus, dass sich die Beamten verkehrswidrig verhalten hätten, indem sie sich etwa eine halbe Stunde nach dem ersten Unfall weiterhin auf der linken Spur der Autobahn aufhielten, ohne den herannahenden Verkehr ausreichend zu beobachten oder angemessen darauf zu reagieren. Nach der Straßenverkehrsordnung sei das Betreten einer Autobahn grundsätzlich nur in Ausnahmefällen und mit höchster Vorsicht erlaubt.
Nach den Zeugenaussagen sei die linke Fahrspur mehrere Hundert Meter vor der Unfallstelle frei und gut einsehbar gewesen. Es seien sogar zwei dunkle Fahrzeuge am Ende der Fahrspur sichtbar gewesen, die mit hoher Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufuhren. Bei aufmerksamer Beobachtung hätten die Beamten rechtzeitig reagieren und sich hinter die Betonschutzwand zurückziehen können, wodurch der Unfall vermutlich hätte vermieden werden können.
Haftungsaufteilung
Der Senat bewertete die beiderseitigen Verursachungsbeiträge und kam zu dem Schluss, dass die Beamten zu einem Drittel selbst zur Entstehung des Unfalls beigetragen haben. Die restlichen zwei Drittel der Haftung wurden den Beklagten – also dem Fahrer, Versicherer und Halter des Fahrzeugs – zugerechnet.
Im Wege eines Teil-Grundurteils entschied das OLG über den Haftungsgrund und wies die Klage hinsichtlich des nicht zu ersetzenden Drittels ab.
Quellen:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Teil-Grundurteil und Teil-Endurteil vom 5.12.2024, Az. 15 U 104/22
(vorausgehend Landgericht Fulda, Urteil vom 31.3.2022, Az. 2 O 222/17)
Kommentar hinterlassen