Begonnen hat es 2020 mit einem Wettbewerb zwischen Amsterdam und Rotterdam. Mittlerweile hat es sich zu einem nationalen Phänomen in den Niederlanden entwickelt: das „Tegelwippen“. Dabei versuchen Gemeinden und Städte im ganzen Land, zwischen März und Oktober möglichst viele Pflastersteine und Fliesen durch Grünflächen zu ersetzen, um der Bodenversiegelung entgegenzuwirken. In der mittlerweile vierten Ausgabe winkt den Gewinnern auch heuer wieder die Goldene Fliese.
Ein rasanter Start
Mit Stand Freitag wurden bisher über 735.000 Pflastersteine „gewippt“. Im Vergleich dazu waren es letztes Jahr insgesamt rund 4,5 Millionen Pflastersteine bzw. 413.000 Quadratmeter, die gegen Rasen, Blumenbeete, Bäume und Fassadenbegrünung getauscht wurden. Seit Beginn der Initiative wurden über neun Millionen Pflastersteine „gewippt“, wie die Onlineplattform Stad + Groen berichtete.
Verschiedene Wertungen und Preise
Beim „Tegelwippen“ gibt es verschiedene Wertungen und somit auch verschiedene Preise zu gewinnen. Die Gemeinde bzw. Stadt, die im Wettbewerbszeitraum insgesamt die meisten Pflastersteine entfernt, gewinnt die Goldene Fliese. Im letzten Jahr war das die Stadt Arnheim im Osten der Niederlande mit mehr als 460.000 entfernten Pflastersteinen.
Kategorien und Führungen
Darüber hinaus werden die Städte bzw. Gemeinden anhand der Bevölkerungsgröße in drei Kategorien eingeteilt. In Führung waren am Samstag die Städte bzw. Gemeinden Amersfoort (mit rund 60.000 „gewippten“ Pflastersteinen), Houten (über 30.000) und Culemborg (über 40.000).
Der diesjährige Wettbewerb startete am 21. März und geht noch bis 31. Oktober. Die Gemeinden bzw. Städte in den Wertungen nach der Bevölkerungszahl können jeweils die Goldene Schaufel gewinnen. Im Vorjahr waren das neben Arnheim auch Vlaardingen und Halderberge.
Engagement der Einzelpersonen
Während Gemeinden und Städte als Ganzes an dem Spektakel teilnehmen, können auch einzelne Personen jeden Monat Fotos einsenden und von einer Jury zum „Wipper“ des Monats gekürt werden. Aus allen „Wippern“ des Monats kann am Ende des „Tegelwippens“ im Oktober die Öffentlichkeit dann über den „Publikumswipper“ abstimmen.
Ursprünge und Ausweitung
Das „Tegelwippen“ wurde im Jahr 2020 von der niederländischen Kreativagentur Frank Lee in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Dus Wat Gaan Wij Doen konzipiert und nahm seinen Anfang in den beiden großen Städten Amsterdam und Rotterdam. 2021 weitete sich das „Tegelwippen“ auf 81 Städte und Gemeinden in den gesamten Niederlanden aus.
Stad + Groen zufolge waren es 2023 dann bereits 173 Städte und Gemeinden, die im Zuge des Wettbewerbs die Niederlande „kühler, wasserbeständiger und artenreicher“ machen würden. Mittlerweile unterstützen auch das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft und die Initiative Ons Water (dt. „Unser Wasser“) den Wettbewerb.
Internationale Resonanz
Aber auch über die niederländischen Grenzen hinaus sorgt die Initiative für Aufsehen. 2023 hatte sie für so große Begeisterung im belgischen Flandern gesorgt, dass die Region auch dieses Jahr wieder mitmacht.
Motivation und Hintergrund der Initiative
Als Motivation für die Initiative heißt es auf der offiziellen Website, dass das Wetter in den Niederlanden extremer werde. Starke Regenschauer und lange Hitze- und Dürreperioden würden aufeinanderfolgen. Zudem sei man zunehmend mit Problemen wie „Hitzestress und Überschwemmungen“ konfrontiert, da der Lebensraum stark versteinert bzw. verfliest sei.
All diese Pflastersteine und Fliesen würden an heißen Tagen nicht abkühlen und bei Regen kein Wasser durchlassen. Dieses Wasser würde zum Problem, weil es die Kanalisation überlasten und zu Überschwemmungen führen könne. Mit dem „Tegelwippen“ wolle man dem entgegentreten. Mehr Grün mache es zudem attraktiver für Insekten und Tiere und sorge dafür, dass Regen leichter im Boden versickern kann.
Unterstützung durch „Tegelwip“-Trainer und „Tegeltaxis“
In einigen Städten haben sich mittlerweile sogar eigene „Tegelwip“-Trainerinnen und -Trainer etabliert. Diese geben Tipps und Tricks für das korrekte Entfernen der Pflastersteine und stellen kostenlose Anhänger für den Transport zur Verfügung. In vielen Städten und Gemeinden sind darüber hinaus auch eigene „Tegeltaxis“ unterwegs, die den beim „Tegelwippen“ entstehenden Bauschutt entfernen.
Ein Modell für Deutschland?
Angesichts der wachsenden Herausforderungen durch Klimawandel und Urbanisierung stellt sich die Frage, ob das „Tegelwippen“ auch ein Modell für Deutschland sein könnte. Die Initiative zeigt eindrucksvoll, wie lokale Maßnahmen zur Begrünung und Entsiegelung erheblich zur Verbesserung des städtischen Klimas und zur Steigerung der Lebensqualität beitragen können.
Könnten deutsche Städte von einem solchen Wettbewerb profitieren? Die positiven Effekte auf die Umwelt, die Förderung von Gemeinschaftssinn und die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sprechen für eine Übertragung des Modells. Es bleibt zu überlegen, ob auch deutsche Kommunen und Städte ähnliche Initiativen starten sollten, um gemeinsam gegen die Folgen des Klimawandels vorzugehen und lebenswertere Städte zu schaffen.
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