Noch nicht rechtskräftig!
LG Hamburg 21. Zivilkammer, Urteil vom 07.03.2019, 321 O 10/18
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1. € 59.431,47 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 2. € 59.431,47 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kläger in Höhe von € 3.600,94 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 105.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Kläger machen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds geltend.
2
Der Kläger zu 1. zeichnete am 08.10.2008 mittelbar über eine Treuhänderin eine Beteiligung an der MS „T. S.“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft“) in Höhe von € 50.000,- zzgl. 5 % Agio, die Klägerin zu 2. am 10.10.2008 eine weitere mittelbare Beteiligung an der Fondsgesellschaft ebenfalls in Höhe von € 50.000,- zzgl. 5 % Agio. Vor der Zeichnung fand eine Beratung durch Herrn Dr. L. B. von der mittlerweile insolventen H. T. AG statt. Die Aufklärung der Kläger fand auf der Grundlage des Prospektes, Stand 26. Mai 2008 statt.
3
Die Beklagte ist Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft.
4
Im Zuge der Platzierungsphase wurde deutlich, dass das erforderliche Kommanditkapital nicht eingeworben werden konnte. Das Schiff wurde verspätet abgeliefert, weshalb der Chartervertrag gekündigt worden ist. Im weiteren Verlauf entschloss sich die Fondsgesellschaft, das Schiff zu verkaufen und das Kommanditkapital in das Schwesterschiff MS „T1 S.“ einzubringen. Die Fondsgesellschaft generierte fortan nur noch Einnahmen aus der Schwestergesellschaft.
5
Im Mai 2014 beantragte die Fondsgesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Antrag wurde durch Beschluss des AG B. vom 19.09.20014 mangels Masse abgelehnt. Am 22.04.2015 wurde von Amts wegen das Erlöschen der Firma eingetragen.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.01.2016 forderten die Kläger die Beklagte mit Fristsetzung zum 25.10.2016 zur Zahlung von Schadensersatz auf. Eine Zahlung erfolgte nicht.
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Die Kläger vertreten die Auffassung, die Beklagte sei ihnen als Gründungskommanditistin und damit Prospektverantwortliche wegen unzureichender Aufklärung schadensersatzpflichtig. Der Prospekt sei fehlerhaft. Die Darstellung des Wiederauflebens der Haftung des Kommanditisten sei unrichtig. Die Darstellung im Prospekt, die Charterraten seien auf einem Höchststand, sei unvollständig, da ein Einbruch der Charterraten bereits absehbar gewesen sei. Spätestens zum Zeitpunkt der Zeichnung im Oktober 2008 sei die positive Marktdarstellung aufgrund der Lehman-Pleite im Herbst 2008 nicht mehr korrekt gewesen. Bereits ab April 2008 sei es zu einem deutlichen Verfall der Charterraten gekommen. Das Marktumfeld sei auch vor Zeichnung bereits Gegenstand von Berichten in Branchenblättern gewesen. Der Prospekt kläre auch nicht über eine hohe Anzahl von Schiffsbau- Neubestellungen und deren Folgen für das Investment.
8
Der Prospekt kläre auch nicht ausreichend über die Risiken der 105%-Klausel im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung auf. Ein solcher Hinweis sei aber erforderlich. Es handele sich hierbei nicht um eine gängige Darlehensregel. Die 105%-Währungsklausel führe nämlich bei negativer Entwicklung des Wechselkurses zu einer doppelten Belastung der Fondsgesellschaft. Zum einen müsse die Gesellschaft, die ihre Einnahmen ausschließlich in USDollar generiere, mehr USDollar aufgrund der Wechselkursveränderung aufwenden, um die fälligen Darlehensraten in Japanischen Yen zu erfüllen. Zusätzlich zu diesem normalen Wechselkursrisiko müsse sie aber aufgrund der 105%-Währungsklausel bei Überscheiten eine zusätzliche Ausgleichszahlung bzw. Strafzahlung in unbegrenzter Höhe erbringen, die aber die ursprünglich vereinbarte Darlehenssumme nicht reduziere. Es handele sich mithin um eine zusätzliche Leistung an die finanzierende Bank, die weit über das allgemeine Risiko einer Fremdfinanzierung hinausgehe und damit den Erfolg der Fondsgesellschaft maßgeblich beeinflussen könne, ohne das die Gesellschaft eine Möglichkeit besitze, hierauf einzuwirken.
9
Den Klägern sei ein Schaden in Höhe der jeweiligen Beteiligungssummen zzgl. Agio entstanden, denn bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Für das eingesetzte Kapital hätten sie bei alternativer Anlage mindestens eine Verzinsung von 2 % p.a. erzielt, so dass ihnen bis zum 25.01.2016 jeweils ein Gewinn in Höhe von € 6.931,47 entgangen sei.
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Die Kläger beantragen zuletzt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1. € 59.431,47 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2016 zu zahlen,
12
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2. € 59.431,47 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2016 zu zahlen,
13
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Prozessbevollmächtigten der Kläger in Höhe von € 3.600,94 zu zahlen,
14
Die Beklagte beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Sie verweist zunächst auf eine Entscheidung des LG Hamburg zum AZ.: 329 O 207/17.
17
Sie vertritt die Ansicht, die erforderliche Aufklärung der Anleger über renditegefährdende Risiken sei durch den Prospekt zutreffend erfolgt. Der Prospekt enthalte keinen Aufklärungsmangel bei der Beschreibung des Marktes. Insbesondere werde in dem Risikoteil deutlich gemacht, dass der Erfolg der Beteiligung nicht vorhergesagt werden könne und erhebliche Risiken drohten, wenn sich die angenommenen wirtschaftlichen Rahmendaten nachteilig veränderten. Auch verschweige der Prospekt nicht, dass die Charterraten bei Massengutfrachtern in der Vergangenheit starken Schwankungen unterlegen gewesen seien. Diesen Schwankungen habe die Prognose Rechnung getragen, indem mit einer niedrigen Anschlusscharter kalkuliert worden sei. Ein Prospektnachtrag Anfang Oktober 2008 sei auch nicht erforderlich gewesen, da die einsetzende Krise auf die weltweite Wirtschaft und die Schifffahrt, insbesondere auch deren Dauer noch überhaupt nicht absehbar gewesen sei.
18
Eines Hinweises auf die 105%-Klausel bedürfe es nach gefestigter Rechtsprechung des HansOLG nicht. Es handele sich um eine branchenübliche Wertsicherungsklausel, die lediglich die Rechte des Darlehensgebers aus § 490 BGB konkretisiere. Dies habe auch das Urteil des LG Hamburg zum AZ.: 329 O 207/17 so gesehen, auf dessen Begründung die Beklagte Bezug nimmt. Auf das Währungsrisiko habe der Prospekt im Risikoteil hingewiesen. Es werde explizit erläutert, dass für den Fall, dass während der Betriebsphase der japanische Yen im Vergleich zum US-Dollar steige, dies zu höheren Zins- und Tilgungsleistungen führe. Dies sei exakt das Risiko, dass mit der 105 %-Klausel verbunden sei.
19
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Spätestens im Jahr 2012 hätten die Kläger im Hinblick auf die als Anlage K 11 eingereichten Unterlagen zur Gesellschafter- und Treugeberversammlung Kenntnis von der 105 %- Klausel.
20
Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
22
Die Klage ist begründet.
23
Die Kläger haben gegen die Beklagte jeweils einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von € 59.431,47 wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Zeichnung der mittelbaren Beteiligungen an der Fondsgesellschaft.
24
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h., er muss über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken, zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH, Urteil vom 21.03.2005, II ZR 140/03). Diesen Anforderungen wird die Aufklärung der Kläger durch den Prospekt vom 26.05.2018 nicht gerecht.
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1. Der Fondsprospekt klärt nicht in ausreichender Weise über die mit der Fremdfinanzierung in dem konkreten Fall verbundenen Risiken – von den Klägern als 105 %-Währungsklausel überschrieben – auf.
26
Die Kläger haben in der Klagschrift ausgeführt, dass die in dem Darlehensvertrag vereinbarte „105 % Währungsklausel“ und die damit verbundenen Risiken nicht in dem Prospekt dargestellt worden seien.
27
Das Risiko der konkreten Fremdfinanzierung bestehe dabei nicht nur in dem allgemeinen Währungsrisiko. Dieses wird in der Tat auf Seite 19 des Prospektes erläutert. Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 20.11.2018 darauf hinweist, in dem Prospekt werde dargestellt, dass für den Fall, dass während der Betriebsphase der japanische Yen im Vergleich zum US-Dollar steigt, dies zu höheren Zins- und Tilgungsleistungen führe, was exakt das Risiko sei, welches mit der 105 % Klausel verbunden sei, stimmt dies keinesfalls mit dem Risiko überein, welches die Kläger als Inhalt der Klausel – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen haben.
28
Nach der ausführlichen Darstellung der Kläger sei nämlich Inhalt dieser „105 % Währungsklausel“ maßgeblich, dass bei negativer Entwicklung des Wechselkurses die Fondsgesellschaft gezwungen werde, „zusätzliche Ausgleichszahlungen auf das Darlehen vorzunehmen“ und sich damit weitere Liquidität zu beschaffen. Sowohl in der Klage als auch in dem weiteren Schriftsatz vom 19.07.2018 stellen die Kläger ausdrücklich dar, dass diese zusätzlichen Ausgleichszahlungen die ursprünglich vereinbarte Darlehenssumme nicht reduzieren würden (Klagschrift vom 02.01.2018 auf Seite 25, 2. Absatz), es aufgrund der 105 %-Klausel zu zusätzlichen Strafzahlungsverpflichtungen in unbegrenzter Höhe kommen könne (Klagschrift Seite 26, 3. Absatz), ein Bruch der Währungsklauselgrenze daher „ zu zusätzlichen, außerplanmäßigen Zahlungsverpflichtungen, die das Darlehen gerade nicht tilgen“, führen würde (Schriftsatz vom 19.07.2018, Seite 15, vorletzter Absatz). Der Hinweis in dem Prospekt auf die Möglichkeit höherer Zins- und Tilgungsleistungen trifft daher auf die von der Klägerseite so behauptete Klausel nicht zu.
29
Der so von den Klägern mehrfach in ihren Schriftsätzen dargestellte Inhalt der „105 %-Währungsklausel“ ist von der Beklagten nicht bestritten worden, so dass das Gericht diese Darstellung als unbestrittene Tatsachenbehauptung seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Da das Gericht nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung und den darauf folgenden Stellungnahmen der Parteien den Eindruck gewonnen hatte, dass die Beklagtenseite sich in Bezug auf den konkreten Inhalt der vorgetragenen „105 %-Währungsklausel“ nicht mit dem ausdrücklichen Sachvortrag der Kläger auseinandergesetzt, sondern ausschließlich auf bereits ergangene Gerichtsentscheidungen abgestellt hat, hat es, obwohl der Beklagten im Termin vom 02.11.2018 ausdrücklich aufgegeben worden ist, zu der von der Klägerseite angesprochenen „105 %-Klausel“ Stellung zu nehmen, in dem Beschluss vom 20.12.2018 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und der Beklagten nochmals aufgegeben, ihre Argumente selbst schriftsätzlich vorzubringen und nicht auf nicht veröffentlichte Urteile Bezug zu nehmen. Das Gericht hat in dem Beschluss insbesondere darauf hingewiesen, dass es die bisher von Beklagtenseite vorgebrachten Argumente „in Bezug auf die von der Klägerin behauptete und von der Beklagten nicht bestrittene Klausel nicht nachvollziehen“ könne, da es keinesfalls der nach § 490 BGB bestehenden Gesetzeslage entspreche bzw. diese konkretisiere, wenn „der Darlehensnehmer im Falle einer Überschreitung der 105 %-Grenze verpflichtet ist, an den Darlehensgeber eine zusätzliche „Ausgleichszahlung“ zu leisten“.
30
Auch hieraufhin hat die Beklagte den klägerischen Sachvortrag zum Inhalt der Klausel nicht bestritten, sondern wiederum nur auf andere Urteile sowie auf den das Währungsrisiko beschreibenden Teil des Prospektes hingewiesen. Das in diesem Zusammenhang eingereichte Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts, (Az. 14 U 31/17) betrifft einen anderen Fonds. Inwieweit die dortigen Parteien zum Inhalt der Klausel vorgetragen haben, lässt sich nur unklar den Urteilsgründen entnehmen. Allerdings ergibt sich aus den Gründen, dass der dortige Prospekt den – vorliegend fehlenden – Hinweis enthielt, dass die finanzierende Bank bei steigenden Yen-Kursen wegen der Zins- und Tilgungsleistungen bei wesentlichen Wechselkursänderungen das Recht hat, Ausgleich durch entsprechende Zahlung zu verlangen.
31
Das Gericht muss daher bei seiner Entscheidung von dem nicht bestrittenen Vortrag der Kläger zum Inhalt der im Rahmen der zur Fremdfinanzierung abgeschlossenen Darlehensverträge ausgehen. Die so beschriebene „105 %-Klausel“ geht aber deutlich über das in dem Prospekt dargestellte allgemeine Währungsrisiko hinaus. Hierauf hätte hingewiesen werden müssen, da die Belastung mit zusätzlichen Ausgleichszahlungen im Falle der Überschreitung der 105 % Grenze, die nicht auf die Darlehensrückzahlungspflichten angerechnet werden, zu ganz erheblichen Mehrbelastungen der Fondsgesellschaft führen, die den Erfolg der Beteiligung gefährden können.
32
2. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Soweit die Beklagte darauf hinweist, die Kläger hätten aufgrund der als Anlage 11 in Kopie eingereichten Unterlagen zur Gesellschafter- und Treugeberversammlung 2001 der MS „T1 S.“ Kenntnis von der 105 %-Klausel, ergibt sich – unterstellt, die Kläger hätten diese Unterlagen durchgelesen – aus der Kenntnis über die Existenz der Klausel noch keine Kenntnis über einen diesbezüglichen Aufklärungsmangel, denn auch in diesen Unterlagen werden Inhalt und die hieraus folgenden Risiken nicht dargestellt.
33
3. Die Höhe der geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat die Beklagte nicht bestritten.
34
4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280, 249 BGB.
II.
35
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. Soweit die Kläger den ursprünglichen Klagantrag zu Ziffer 4 zurückgenommen haben, war dieser streitwertneutral, so dass die Rücknahme nicht zu einer Quotierung der Kosten führte.
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