Dass Privatpersonen oder Gewerbetreibende zu jeder beliebigen Tageszeit durch unerlaubte Werbeanrufe belästigt werden, müssen sie nicht mehr hinnehmen. Der Gesetzgeber hatte bereits 2009 gesetzliche Regelungen geschaffen, die der Bekämpfung unerlaubter Telefonanrufe mit Werbeinhalten dienen. Verbessert hatte sich dadurch aber wenig. Unseriöse Unternehmen ließen weiterhin über Callcenter Listen mit Telefonnummern abtelefonieren. Man nennt solche Überraschungsanrufe „cold calls“, weil sie den Angerufenen kalt erwischen. Verbraucher geraten unvorbereitet in ein Gespräch, das fast immer dem Verkauf von Produkten dient. Teilweise werden die werblichen Anrufe zunächst inhaltlich verschleiert. Sie werden beispielsweise als Umfrage einer bekannten Institution ausgegeben. Die Anrufer missbrauchen absichtsvoll den guten Namen bekannter Institutionen, um an Kundendaten oder Vertragsabschlüsse zu kommen.
Ohne Ihr Einverständnis sind werbliche Anrufe nicht erlaubt
Jeder Callcenter-Mitarbeiter weiß, dass es von Gesetzes wegen nicht erlaubt ist, „cold calls“ zu machen. Man rechnet aber damit, dass viele Verbraucher das nicht wissen. Bevor diese erkennen können, dass der Anruf werblicher Natur ist, sind sie bereits in ein Gespräch verstrickt und geben persönliche Informationen preis. Der Kunde hat jedoch die Möglichkeit, den Anrufenden nach seiner Telefonnummer und dem Auftraggeber zu befragen. Er kann sich weitere Anrufe verbitten. Gegebenenfalls hat er die Möglichkeit, den Anrufer mit Hinweis auf dessen Geschäftsgebaren bei der Verbraucherzentrale zu melden. Die Verbraucherzentrale hält auf ihrer Webseite ein einsprechendes Meldeformular bereit. Die bekannte Verbraucherschutzorganisation erwägt Rechtsmittel, wenn sich solche Meldungen häufen. Anders sieht es jedoch aus, wenn Verbraucher vor dem Gespräch Ihr Einverständnis zu einem Anruf signalisieren. Das Einverständnis ist nicht mit dem Abheben des Hörers und dem Eingehen auf das Gespräch gegeben. Für den Verbraucher muss seine Einverständniserklärung zu werblichen Telefonanrufen deutlich erkennbar sein.
Der Bundesgerichtshof stellte in einem Urteil des Jahres 2012 fest, dass eine schriftliche Einverständniserklärung nicht in einem längeren Text zu anderen Themen versteckt sein darf. Sie muss davon getrennt und gut erkennbar abgegeben werden. Der Kunde muss erkennen, welches Unternehmen ihn in welcher Angelegenheit kontaktieren möchte. Nur unter dieser Bedingung darf ein Unternehmen Sie telefonisch kontaktieren. Problematisch ist jedoch, dass viele Unternehmen diese Erklärung in ihren „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ verstecken. Die dort aufgeführten Bedingungen gelten bei Onlinekäufen durch Anklicken als genehmigt. Gelesen werden sie aber nur selten. Es besteht auch keine Möglichkeit, entsprechende Passagen online zu streichen. Das wäre aber nötig, um sich gegen werbliche Anrufe abzusichern. Umso wichtiger ist es, dass Verbraucher wissen: Diese Praxis ist nicht legal. Sie widerspricht dem Gesetz gegen unerlaubte Telefonwerbung.
Gesetzeserweiterungen aus dem Jahre 2013
Der Deutsche Bundestag beschloss im Juni 2013 weitere Maßnahmen gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Aufgrund der weiterhin geübten Werbepraxis lag es nahe, die bisher geltenden Regelungen zu verschärfen. Unerlaubte Telefonwerbung führt oft zu langfristigen Verträgen, ohne dass der Verbraucher den Vertragsabschluss erkennen konnte. Die Werbe-Unternehmen setzten zudem vermehrt automatische Anrufmaschinen ein, denen man nicht widersprechen konnte. Geldbußen fallen jetzt auch für den Einsatz solcher Automaten an. Unternehmen, die für unerlaubte Werbetelefonate keine Anrufautomaten nutzen, müssen mit Geldbußen bis zu 300.000 Euro rechnen. Jede am Telefon vereinbarte Teilnahme an einem Gewinnspiel ist automatisch nichtig, sofern sie nicht in schriftlicher Form vorliegt.
Trotz aller Gesetzesvorgaben bleibt das grundsätzliche Problem bestehen. Die Häufigkeit und Frequenz erfolgter Werbeanrufe konnte jedoch eingedämmt werden. Seriöse Unternehmen meiden unerlaubte Telefonanrufe weitgehend. Auch bei den seriösen Callcentern hat man die Standards erhöht und das Anrufprozedere geändert, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Telefonwerbung für Zeitschriften-Abos oder unangekündigte Werbeanrufe ohne Einwilligung des Angerufenen unterbleiben immer öfter. Trotzdem ist Telefonmarketing weiterhin eine wichtige Strategie, um Produkte an den Kunden zu bringen. Wegen des erhöhten Problembewusstseins der Verbraucher werden Möglichkeiten, solche Sünder bei der „Zentrale zur Bekämpfung des unerlaubten Wettbewerbs e. V.“ in Bad Homburg bzw. bei der Verbraucherzentrale anzuzeigen, immer öfter angenommen.
Auch die Bundesnetzagentur bemüht sich, auf ihrer Webseite Klarheit für Verbraucher zu schaffen. Solange ein Werbeanruf nicht angekündigt und vom Verbraucher wissentlich erlaubt wurde, ist es nach § 20 bzw. § 7 des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ ein unerlaubter Werbeanruf. Dieser kann – bei Kenntnis der Verursacher – eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat darstellen. Der bloße Versuch eines Anrufs – beispielsweise, wenn nur der Anrufbeantworter des angerufenen Verbrauchers anspringt – ist nicht bußgeldpflichtig. Hingegen wird es seitens der Bundesnetzagentur als Ordnungswidrigkeit geahndet, wenn der Anrufer seine Rufnummer unterdrückt. Bei werblichen Anrufen ohne jede Zustimmung darf Paragraf 102 Absatz 2 des Telekommunikationsgesetzes zufolge keine Rufnummernunterdrückung angewendet werden.
Immer wieder beliebt: Der Verlag fasst nach Kündigungen nach
Viele Wege führen nach Rom – oder zu einem Telefonanruf beim Kunden. Die sogenannte „Nachfasswerbung“ ist ein beliebtes Mittel, um Kunden nach einer Abonnementskündigung anzurufen. Der Verlag hat ein starkes Interesse, dass Verbraucher die Kündigung zurücknehmen. Man fragt diese also, ob die Zeitung ihnen nicht gefallen hat oder die Zeitungs-Zustellung nicht reibungslos funktioniert hat. Der eigentliche Zweck dieses „Nachfassanrufs“ ist jedoch, Abonnementskunden zur Weiterführung des Abonnements zu bewegen. Manche Zeitschriftenverlage verknüpfen das mit Preisnachlässen oder Präsenten für Neuabonnenten. Die Kündigung ist aber rechtswirksam – und damit sind Anrufe mit Verkaufsabsichten unzulässige Telefonwerbung. Solange sich der Gesprächsinhalt nur um eine Qualitätskontrolle dreht, ist er jedoch erlaubt. Dabei bleibt es aber leider fast nie.
Verbraucher können trotz schärferer Gesetzesvorgaben einen Werbeanruf nicht mit effektiven Mitteln verhindern. Es genügt, dass man in Onlineverzeichnissen oder Telefonbüchern verzeichnet ist. So, wie man bei einem unverlangten Newsletter erfährt, dass man dessen Zusendung angeblich zugestimmt habe, behaupten die Anrufer dreist, man habe dem Telefonat zugestimmt. Verbraucher sollten daher zusehen, dass sie ihre Telefonnummern nur im Notfall angeben. Bei vielen Onlinekäufen im Internet ist die Telefonnummern-Angabe allerdings zwingend. Stimmen Sie keinen Floskeln zu, die die Nutzung und Aufbewahrung Ihrer Daten zu werblichen Zwecken erlaubt. Streichen Sie den Passus gegebenenfalls. Das Bundesdatenschutzgesetz schreibt vor, dass solche Vertragspassagen optisch hervorgehoben werden müssen. Können Sie solche Passagen nicht streichen, widersprechen Sie diesen schriftlich. Meiden Sie sämtliche Gewinnspiele. Diese dienen vorrangig der Sammlung von Kundendaten. Nutzen Sie für alle Verträge, die Sie bei einem unerlaubten Telefonat geschlossen haben, ihr 14-tägiges Widerspruchsrecht. Dieses beinhaltet eine schriftliche Erklärung des Widerspruchs, am besten per Einschreiben. Gegebenenfalls müssen Sie nachweisen können, dass Sie dem geschlossenen Vertrag formal korrekt widersprochen haben. Eine Warenrücksendung reicht nicht aus.
Wie steht es mit unverlangten Werbeanrufen bei Unternehmen?
Es ist ein Irrglaube, dass unverlangte Werbetelefonate gegenüber einem Unternehmen statthaft seien. Im Gegenteil: Man muss bei immer mehr deutschen Unternehmen heute mit Fangschaltungen rechnen, die zur Strafverfolgung führen können. Da anscheinend sogar Rechtsberater die aktuelle Gesetzgebung falsch interpretieren, hier die Sachlage im Klartext. Die Rechtsprechung sieht es so: Unverlangte Werbeanrufe oder Faxwerbung an Gewerbebetriebe und andere Unternehmen sind in den meisten Fällen unerwünscht. Sie stellen somit unlautere Werbung dar. Einige Ausnahmen bestätigen jedoch diese Grundregel. Zulässig ist ein werblicher Telefonanruf bei einem Gewerbetreibenden nur, wenn
1. der Inhalt des Anrufs in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Angerufenen steht
und zusätzlich
2. ein konkreter Grund für die Annahme gegeben ist, dass der Angerufene den Anruf wünschen könnte.
Letzteres aber ist schwer auszumachen. Ein Beispiel: Der Bundesgerichtshof stellte 2008 in einem Urteil klar, dass die Telefax-Anfrage eines Gebrauchtwarenhändlers, der bei einem Autohaus Gebrauchtwagen ankaufen wollte, rechtens war. Das Autohaus hatte die Sachlage anders beurteilt und wegen vermuteter Wettbewerbswidrigkeit Klage erhoben. Diese wurde vom Bundesgerichtshof jedoch abgewiesen. Der sachliche Bezug zur Geschäftstätigkeit des Autohauses sei gegeben. Zudem habe ein vermutetes Interesse daran bestanden, dem Gebrauchtwagenhändler einige Autos zu verkaufen. Außerdem sei die Faxnummer des Autohauses öffentlich zugänglich gewesen. Das bedeutet aber keineswegs, dass eine öffentlich gemachte Faxnummer jedes unverlangt eingesendete Werbe-Fax als rechtens ausweist. Problematisch ist häufig die falsche, bruchstückhafte oder verzerrte Darstellung der entsprechenden Rechtslage in der Presse. Über diesen Fall titelten verschiedene seriöse Magazine – unter ihnen die FAZ – Überschriften wie „BGH erlaubt gewerbliche Angebote per Fax und E-Mail“. Das ist nachweislich falsch. Denn in der Urteilsbegründung hieß es klar und deutlich, dass allein das Vorhandensein eines Telefaxgerätes kein Einverständnis zu unverlangten Werbefaxen darstellt. Gleiches gilt für das Telefon. Die Veröffentlichung einer geschäftlich genutzten Fax- oder Telefonnummer ergibt keine automatische Erlaubnis für unverlangte Werbefaxe oder -anrufe. Korrekt ist aber, dass das Angeben einer firmeneigenen Telefax-Nummer in Werbeanzeigen das Einverständnis des Unternehmens beinhaltet, Telefonate oder Faxnachrichten von potenziellen Kunden zu empfangen. Genau das war hier der Fall. Hätte der Gebrauchtwarenhändler keine Autos ankaufen wollen, sondern seine eigenen Leistungen hervorheben wollen, wäre sein Fax nicht rechtens gewesen. Nicht rechtens wären auch Anrufe von Werbetreibenden, die einen Getränkeautomaten verkaufen wollten. Dieser hat mit dem Kerngeschäft eines Autohändlers nichts zu tun. Solche Werbeanrufe oder Faxe wären somit unerlaubt. Das Einverständnis des Autohändlers könnte jedoch als gegeben angesehen werden, wenn es bereits eine längere Geschäftsbeziehung zwischen beiden Parteien gegeben hätte.
Anzeige: „Suche selbstständige Telefonagenten zwecks Kaltakquise“
Was hier gesucht wird, sind Menschen, die auf selbstständiger Basis „cold calls“ tätigen. Wer sich darauf einlässt, hat selbst Schuld, ist oft aber ahnungslos bezüglich der konkreten Rechtslage. Der Auftraggeber weiß vermutlich ganz genau, dass er etwas Illegales in Auftrag gibt. Das juristische Risiko liegt in diesem Fall allerdings bei dem, der den Werbeanruf ausführt, ohne die Zustimmung des Angerufenen vorliegen zu haben. Den Anrufenden wird lediglich eine Telefonliste mit Privatpersonen oder Unternehmen vorgelegt. Diese gilt es abzutelefonieren. Eine Aufklärung über die Feinheiten der Rechtsprechung unterbleibt meist. Im Vertrag taucht oft sogar eine Klausel auf, mittels der sich die Auftraggeber von juristischen Konsequenzen aller Tätigkeiten ihrer selbstständigen Mitarbeiter freisprechen. Hier zeigt sich, mit welch großer krimineller Energie solche Auftraggeber arbeiten. Wer als selbstständiger Callcenter-Agent oder Mitarbeiter einer großen Unternehmensberatung solche Risiken eingeht, wird kaum ungeschoren davonkommen. Die Strafverfolgung trifft häufig Studenten, Rentner, Arbeitslose oder Hausfrauen. Diese brauchen dringlich einen Nebenverdienst, sind aber häufig rechtsunkundig. Da nützt selbst eine vorsichtshalber genutzte Rufnummernunterdrückung nichts. Wenn man durch eine Fangschaltung ausgemacht wird, geht es ans Eingemachte. Der Auftraggeber ist hingegen in den meisten Fällen nicht zur Rechenschaft zu ziehen.
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