Das ist eine sehr interessante und durchaus relevante Frage – besonders im Spannungsfeld zwischen anwaltlicher Öffentlichkeitsarbeit, unternehmerischer Reputation und presserechtlichen Grundsätzen. Kurz gesagt: Ein Rechtsanwalt ist nicht grundsätzlich verpflichtet, ein Unternehmen vor Veröffentlichung eines Artikels oder Rechtstipps anzuhören – aber es gibt Grenzen.
Unterschied zum Journalismus: Keine presseethische Verpflichtung
Ein Journalist, der im Rahmen der Berichterstattung über eine Person oder ein Unternehmen schwerwiegende Vorwürfe äußert oder Reputationsrisiken schafft, ist in der Regel verpflichtet, vorab eine Stellungnahme einzuholen (Grundsatz der „Wahrhaftigkeit und Sorgfalt“, vgl. Pressekodex Ziffer 2). Wird dies unterlassen, kann das unter Umständen als Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht gelten und sogar rechtswidrig sein (z. B. Persönlichkeitsrechtsverletzung, Unterlassungspflicht).
Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit etwa auf Plattformen wie anwalt.de über ein Unternehmen berichtet – etwa, weil Mandanten betroffen sind –, agiert jedoch nicht als Journalist, sondern als Organ der Rechtspflege mit einem beruflich legitimierten Informationsinteresse.
Anwaltliche Veröffentlichung – was ist erlaubt, was nicht?
Ein Anwalt darf grundsätzlich:
- über rechtlich relevante Vorgänge berichten, wenn diese einen Bezug zu seinem Tätigkeitsbereich oder Mandanteninteresse haben,
- rechtliche Einschätzungen oder Warnungen aussprechen, etwa zu Produkten, Anlageformen oder Verträgen,
- öffentlich zugängliche Informationen verwenden (z. B. Handelsregister, Insolvenzbekanntmachungen, BaFin-Meldungen),
- auf Rechtsprechung oder bekannte Sachverhalte Bezug nehmen.
Aber: Er muss sich an Recht und Berufsrecht halten, insbesondere an
- das Verbot der Schmähkritik,
- die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA),
- die Vorschriften zu Wettbewerbsrecht und Persönlichkeitsrechten.
Wenn ein Anwalt etwa unbewiesene Tatsachenbehauptungen oder pauschale Verleumdungen über ein Unternehmen verbreitet, ohne objektive Grundlage, kann dies rechtswidrig sein – und ggf. auch abmahnfähig oder sogar strafbar (z. B. § 186 StGB – üble Nachrede).
Muss der Anwalt das Unternehmen vorher anhören?
Nein, eine formelle Pflicht zur Anhörung besteht nicht, wie sie z. B. für die Presse über § 11 Abs. 2 Medienstaatsvertrag oder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet wird.
Aber:
- Wenn der Anwalt schwerwiegende Vorwürfe erhebt, sollte er aus Gründen der Fairness, Verhältnismäßigkeit und rechtlichen Absicherung erwägen, dem betroffenen Unternehmen eine Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen – insbesondere dann, wenn die Faktenlage nicht eindeutig ist.
- In Gerichtsverfahren – etwa bei einstweiliger Verfügung oder Unterlassungsklage – kann sich ein fehlendes Anhörungsangebot nachteilig auswirken, z. B. wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, es gehe eher um Rufschädigung als um rechtliche Aufklärung.
Fazit :
„Ein Anwalt darf warnen, aber nicht vorverurteilen. Wer sachlich, belegt und mandantenbezogen informiert, bewegt sich im rechtssicheren Raum. Wer hingegen spekuliert oder bewusst ein Unternehmen beschädigt, riskiert selbst rechtliche Schritte.“
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