Startseite Allgemeines Musterentscheid 13 Kap 3/19 Beluga Shipping GmbH & Co. KG MS „Bremer Majesty“, MS „Emily C“ GmbH & Co. KG u.a.
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Musterentscheid 13 Kap 3/19 Beluga Shipping GmbH & Co. KG MS „Bremer Majesty“, MS „Emily C“ GmbH & Co. KG u.a.

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Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 3/​19
Verkündet am 05.05.2022

Alwert, JFAnge
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Beschluss

In der Sache

Ewald Förster, Köttmannsdorfer Hauptstraße 66, 96114 Hirschaid
– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Fischer, Hedwigstraße 12 b, 38118 Braunschweig, Gz.: 28/​16

gegen
1)

HCI Hanseatische Capitalberatungs GmbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin HCI Vertriebsverwaltungs GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführerin Christine Beckmann, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
– Musterbeklagte –
2)

HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Verwaltung HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, (vormals HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH), Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen
– Musterbeklagte –
3)

HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Verwaltung HCI Treuhand SERVICE GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Kai Dührkop und Frauke Schünemann, Burchardstraße 8, 22095 Hamburg
– Musterbeklagte –
4)

Manfred Karl Lauterjung, Potsdamer Straße 17, 26721 Emden
– Musterbeklagter –
5)

Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg
– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3, 5:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 13125/​16

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte Lebuhn & Puchta, Am Sandtorpark 2, 20457 Hamburg, Gz.: 30/​17-10

Nebenintervenientin zu 1:
RTC Revision Treuhand Consultin GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 00187-17

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Amtsgericht Hohmuth und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 05.05.2022:
1.

Es wird festgestellt, dass das Musterverfahren hinsichtlich des Musterbeklagten zu 4) erledigt ist, nachdem sämtliche gegen diesen Musterbeklagten gerichteten ausgesetzten Verfahren durch Vergleich oder rechtskräftige Klageabweisungen erledigt sind.
2.

Die Anträge des Musterklägers auf Erweiterung des Musterverfahrens vom 31.05.2021 und – bezogen auf die teilweise Umformulierung der ursprünglichen Feststellungsziele – vom 04.09.2019 werden zurückgewiesen.
3.

Die Feststellungsanträge des Musterklägers zu lit. B. und C. werden zurückgewiesen.
4.

Der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 12.12.2018 ist hinsichtlich der Feststellungsziele zu lit. A und D. gegenstandslos.
5.

Der Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren beträgt € 681.875,00.
6.

Dem Vertreter des Musterklägers, Rechtsanwalt Dr. Fischer, wird gemäß § 41a RVG eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,2 nach dem Wert der Summe der ausgesetzten Verfahren bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.


Gründe:


I.

Das vorliegende KapMuG-Verfahren bezieht sich auf den am 16.06.2006 veröffentlichten Verkaufsprospekt „HCI Shipping Select XVII“, der eine Beteiligung (geschlossener Fonds) an fünf Kommanditgesellschaften bewarb, die in unterschiedliche Schiffstypen investiert haben.

Wegen der Einzelheiten der Beteiligung wird auf den Anlageprospekt (Anlage MK 1) Bezug genommen.

Die Musterbeklagte zu 1 (bzw. die HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, aus der die Musterbeklagte zu 1 im Jahre 2012 im Wege der rechtsformwechselnden Umwandlung hervorgegangen war), hatte den Prospekt als Verantwortliche gezeichnet (S. 9); sie war (S. 30) zum Gründungszeitpunkt der Fondsgesellschaft mit jeweils € 24.000 an den Fondsgesellschaften beteiligt; sie trat als Anbieterin und Vertreiberin der Anlage auf.

Die Musterbeklagte zu 2 ist die Rechtsnachfolgerin der vormaligen HCI Treuhand GmbH, Bremen, die an den Fondsgesellschaften zum Prospektaufstellungsdatum mit jeweils € 1.000,00 als Gründungskommanditistin beteiligt war.

Die Musterbeklagte zu 3 ist durch Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 11.04.2013 aus der Musterbeklagten zu 2 entstanden. Dabei wurde aus dem Gesellschaftsvermögen der Musterbeklagten zu 2 der Teilbetrieb „Asset Management und Treuhandservice“ als Gesamtheit im Wege der Abspaltung zur Aufnahme durch die Musterbeklagte zu 3 abgespalten.

Der Musterbeklagte zu 4 war Gründungsgesellschafter der beiden Fondsgesellschaften „Reederei M. Lauterjung GmbH & Co. KG Independent MS „Stadt Solingen““ und „Rederei M. Lauterjung GmbH & Co. Independence KG“ mit einer Beteiligung von jeweils € 290.000,00.

Die Musterbeklagte zu 5 ist Rechtsnachfolgerin der HCI Capital AG, die Konzernobergesellschaft und Mutter der Musterbeklagten zu 1, 2 und 3 sowie Platzierungsgarantin ist.

Mit Beschluss vom 12.12.2018 hat das Landgericht Hamburg dem Senat die folgenden Feststellungsziele zur Durchführung eines Musterentscheides vorgelegt:
A.

Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt des Schiffsfonds „HCI Shipping Select XVII“ vom 16.01.2006 über die Beteiligung an den fünf Einschiffsgesellschaften:

Beluga Shipping GmbH & Co. KG MS „Bremer Majesty“ (MS „Beluga Majesty“),

MS “Emily C” GmbH & Co. KG (MS “Emily C”),

Reederei Lauterjung GmbH & Co. KG Independent MS „Stadt Solingen“ (MS „Stadt Solingen“),

Reederei Lauterjung GmbH & Co. Independence KG (MS “Lake St. Claire”),

MT “Hellespont Triumph” GmbH & Co. KG (MS “Hellespont Triumph”)

unrichtig, irreführend und/​oder unvollständig ist, da im Verkaufsprospekt
I.

nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt,
1.

hinsichtlich des Containermarktes
a.

die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und der jeweiligen Containerschiffsflotte) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;
b.

nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität für Containerschiffe und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl hierfür bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen;
c.

falsche Angaben zur tatsächlichen Flottenentwicklung gemacht werden, indem ein Flottenwachstum von 5,3 % p. a. im Prospekt angegeben wird, obwohl dieser weitaus höher ist;
2.

nicht darüber aufgeklärt wird, dass die MS „Beluga Motivation“ aufgrund der geringen Größe und Ausstattung ohne Bordkräne einen erheblichen Wettbewerbsnachteil hat;
3.

hinsichtlich des Marktes für Stückgut
a.

die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und der jeweiligen Containerschiffsflotte) ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;
b.

von einem „langfristigen moderaten Wachstum“ gesprochen wird, obwohl der Markt in der Vergangenheit gerade nicht durch ein solches Wachstum gekennzeichnet war;
c.

angegeben wird, die Anleger investieren in einen ausgeglichen Markt, obwohl die Beklagten um die vollen Orderbücher wussten oder hätten wissen müssen und bei der Prognose von einer zu hohen Verschrottungsquote ausgingen und dem Anleger somit suggeriert wird, in einen stabilen Markt zu investieren;
d.

die Angaben zu den historischen Zeitcharterraten nicht, wie im Prospekt angegeben, bis November 2005, sondern nur bis Anfang 2005 dargestellt werden und die dazugehörigen Angaben im Text des Prospektes von der Grafik abweichen und somit den Anlegern den starken Einbruch des Ratenniveaus ab Mitte 2005 verschwiegen wird und das durchschnittliche Ratenniveau somit verfälscht dargestellt wird;
e.

angeben wird, der Markt für Mehrzweckfrachtschiffe unterliege eigenen Marktzyklen und sei damit nicht vom Markt für Containerschiffe abhängig, obwohl auch Mehrzweckfrachtschiffe Container transportieren und damit in direkter Konkurrenz zu Containerschiffen stehen;
4.

hinsichtlich des Tankermarktes
a.

die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenkapazität) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten (weltweit und Suezmax-Tanker) ermöglicht hätten, den Beklagten vorlagen und die Anleger leicht dem Irrtum unterliegen konnten, es handele sich um aussagefähige Daten zum Verhältnis, wobei sie in diesem Fall ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt bekommen haben und die reale Chance eines Flottenschwundes durch das sog. Phase-out von Einhüllentankern suggeriert wird, obwohl den Beklagten bekannt war oder bekannt gewesen sein muss, dass es in den ersten vier Fondsjahren nicht zu einer nennenswerten Reduzierung der Einhüllentankerkapazität durch Verschrottung kommen konnte;
b.

das durchschnittliche Ratenniveau mit 32.450 USD/​Tag angeben wurde, obwohl es tatsächlich nur bei 25.500 USD/​Tag lag und damit ein verfälschtes Bild von den historischen Charterraten aufgezeigt wird;
c.

nicht über die durchschnittliche und historisch belegte Festcharterrate aufklärt, obwohl diese den Beklagten bekannt war bzw. bekannt gewesen sein müsste;
d.

verschweigt, dass der Kaufpreis für das MS „Hellespont Triumph“ weit über dem langjährigen Durchschnitt für vergleichbare 10 Jahre alte Schiffe liegt;
II.

eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt wird, indem
1.

in die Charterratenkalkulation
a.

für das MS „Beluga Majesty“, das MS „Emily C“, das MS „Lake St. Claire“ und das MS „Hellespont Triumph“ das historische Hoch des Zeitchartermarktes vor der Herausgabe des Prospektes in die Berechnung des langjährigen Durchschnittes eingeflossen ist;
b.

in den Marktdarstellungen für das MS „Beluga Majesty“ und das MS „Emily C“, lediglich die historisch belegten Bruttocharterraten dargestellt werden, die langfristig kalkulierten Einnahmen der beiden Schiffe, jedoch in Nettocharterraten ausgewiesen werden und somit keine Vergleichbarkeit gegeben ist;
c.

für das MS „Beluga Majesty“ von einem steigenden bzw. zumindest stagnierende Markt ausgegangen wurde, obwohl es Anzeichen für ein Abschwächen des Marktes gab;
d.

für das MS „Beluga Majesty“, kein Abschlag für die fehlenden Kräne eingeflossen ist:
e.

nicht dargestellt wird, dass das MS „Hellespont Triumph“ bei Ablauf der Festcharter mit 16 Jahren ein Alter erreicht, in welchem eine Weiterbeschäftigung fraglich ist;
2.

die in der Liquiditätsplanung berechneten Einnahmen nicht mit den im Prospekt zu findenden Angaben übereinstimmen;
3.

die Schiffsbetriebskosten in Spalte „b“ der Liquiditätsprognose zu niedrig kalkuliert wurden;
4.

der Zwischengewinn der Verkäufergesellschaft für das Fondsschiff MS „Beluga Majety“ nicht angegeben wird;
III.

fehlerhafte und unvollständige Angaben zur Firma Seatramp in ihrer Funktion als Verkäufer und in ihrer Funktion als Charterer macht;
IV.

Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt
1.

nur unzureichend über die Haftung der Schiffsgesellschaft für Verbindlichkeiten des Charterers und des Subcharters gegen Dritte mit dem Fondsschiff haftet;
2.

bei der Darstellung der Langfristcharter nicht darauf hingewiesen wird, dass die Möglichkeit der einseitigen Verringerung der Charterraten besteht, was ein Risiko für die Anlage darstellt und dass Marktchancen nicht genutzt werden können;
3.

nicht über das Kostenrisiko der erforderlichen Ausflaggung aufgeklärt wird;
4.

nicht über die von der Platzierungsgarantin (der HCI Capital AG) bereits eingegangenen Verbindlichkeiten aufgeklärt und somit über die Werthaltigkeit der Platzierungsgarantie getäuscht wird;
5.

behauptet wird, es bestehe das Risiko, dass bei Fehlschlagen der Vollplatzierung nicht alle Anleger ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten, obwohl dies eine Tatsache und kein Risiko ist;
6.

nur unzureichend darüber aufgeklärt wird, dass die Möglichkeit besteht, dass die Anleger den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem Privatvermögen haften;
V.

über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionen Höhe vorgehalten wird und somit eine Manipulation der Anlegerrendite möglich ist;

somit über wesentliche Umstände nicht aufklärt und damit jeweils ein wesentlicher Prospektfehler vorliegt.
B.

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1), 2), und 3) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XVII Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3) im Hinblick auf Beteiligungen an dem Fonds HCI Shipping Select XVII Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne i.V.m. § 133 UmwG ist.
C.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) bei der Veröffentlichung des Prospekts zum Fonds HCI Shipping Select XVII nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt haben.
D.

Es wird festgestellt, dass der Schaden der Anleger in den jeweiligen Beteiligungen als solche an dem Fonds HCI Shipping Select XVII liegt. Die Höhe des Schadens ergibt sich aus den geleisteten Einlagen nebst dem gezahlten Agio.

Mit Schriftsatz vom 04.09.2019 hat der Musterkläger die Feststellungsziele ausführlich begründet und dabei diverse Umformulierungen der Feststellungsziele vorgenommen. Auf den Schriftsatz vom 04.09.2019 wird Bezug genommen.

Zu den Feststellungszielen lit. B. und C. hat er ausgeführt, dass alle Musterbeklagten als Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaften die Pflicht zur Aufklärung der Anleger über sämtliche Risiken und Nachteile der Anlage getroffen haben und sie folglich für die zahlreichen Fehler des Prospektes nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne hafteten.

Zudem hat der Musterkläger mit Schriftsatz vom 31.05.2021 die Erweiterung des Verfahrens um das folgende Feststellungsziel beantragt:

„Die Musterbeklagten zu 1., 2., 3., 4., 5. und 6. sind Haftungsadressatin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog und § 264a Abs. 1 StGB.“

Mit dem Schriftsatz vom 31.05.2021 hat der Musterkläger mit Rücksicht auf die aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH zudem zum Verhältnis von spezialgesetzlicher Prospekthaftung und Prospekthaftung im weiteren Sinne ausführlich vorgetragen. Hierauf wird Bezug genommen.

Die Musterbeklagten sind dem entgegengetreten – sie sind der Auffassung, dass für sie sämtlich und umfassend der vom BGH postulierte Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung greife. Prospektfehler lägen nicht vor.
II.

1. Die Erledigung des Musterverfahrens hinsichtlich des Musterbeklagten zu 4) ist durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, nachdem die Parteien unwidersprochen mitgeteilt haben, dass sämtliche gegen diesen Musterbeklagten gerichtete Ausgangsverfahren durch Vergleich oder rechtskräftige Klageabweisung beendet wurden.

Sind im Musterverfahren – wie hier – mehrere Musterbeklagte beteiligt und fallen sämtliche Ausgangsverfahren gegen einen der Musterbeklagten weg, scheidet dieser Musterbeklagte ersatzlos aus dem Musterverfahren aus. Insoweit hat das Oberlandesgericht durch deklaratorischen Beschluss festzustellen, dass das Musterverfahren in Richtung auf den ausgeschiedenen Musterbeklagten erledigt ist. Das Musterverfahren wird dann lediglich mit den verbliebenen Musterbeklagten fortgesetzt (KG, Beschluss vom 06.11.2017, 4 Kap 1/​16 m.w.N.).

2. Die von dem Musterkläger erstrebte Erweiterung des Verfahrens um das weitere Feststellungsziel einer deliktischen Haftung der Musterbeklagten gem. Schriftsatz vom 31.05.2021 ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen insoweit nicht vor.

Im Verfahren nach dem KapMuG können allerdings auch Feststellungsanträge angebracht werden, die sich auf die Klärung einer bestimmten rechtlichen Frage beziehen, wie etwa der Anwendbarkeit der Regeln der Prospekthaftung im weiteren Sinne auf bestimmte Musterbeklagte (vgl. BGH XI ZB 35/​18, Beschluss vom 19.01.2021, Rnrn. 20 ff.).

Auch insoweit ist jedoch für die Zulässigkeit eines solchen Antrages im Verfahren nach dem KapMuG – und damit auch für eine Verfahrenserweiterung nach § 15 Abs. 1 S. 1 KapMuG – Voraussetzung, dass die Klärung der Rechtsfrage in den ausgesetzten Ausgangsverfahren relevant sein kann, was bei Anbringung des KapMuG-Antrages bzw. bei Stellung des Erweiterungsantrages von den jeweiligen Antragstellern darzulegen ist (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KapMuG). Weiter müssen die Feststellungsziele den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, der dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG).

Jedenfalls letzteres ist vorliegend im Hinblick auf die begehrte Feststellung einer deliktischen Haftung nicht der Fall und deshalb der Erweiterungsantrag des Musterklägers in seinem Schriftsatz vom 31.05.2021 zurückzuweisen. Eine deliktische Haftung der Musterbeklagten war nicht Gegenstand des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 12.12.2018, der allein darauf abstellt, dass die Antragsteller als Kläger/​innen in den Ausgangsverfahren die Beklagten auf Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch nehmen, und würde im Hinblick auf die innere Seite der Prospektverantwortlichen einen völlig neuen Lebenssachverhalt darstellen.

Soweit der Musterkläger in seinem Schriftsatz vom 04.09.2019 die vom Landgericht formulierten Vorlagefragen im Sinne weiterer Feststellungsziele teilweise umformuliert, zurückgenommen oder erweitert hat, fehlt es jedenfalls an der Sachdienlichkeit nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KapMuG. Auch die dadurch in diesem Sinne „neuen“ Feststellungsziele wären im Hinblick auf die fehlende Passivlegitimation der Musterbeklagten (dazu sogleich unter 3.) gegenstandslos, eine Erweiterung damit nicht sachdienlich.

3. Die Feststellungsanträge zu lit. B. und C. sind unbegründet.

Die Musterbeklagten sind nicht „Haftungsschuldnerinnen nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne“, da dieses Haftungsinstitut auf sie wegen des Vorranges der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. §§ 13 VerkProspG i.V.m. § 44 BörsG a.F. auf die Musterbeklagten, die sämtlich, wie oben dargestellt, Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft waren, nicht anwendbar ist.

Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des BGH in seinem Beschluss vom 19.01.2021 (BGH XI ZB 35/​18) an, auf die umfassend Bezug genommen wird.

Auch auf die Argumentation des Musterklägers, wonach die Musterbeklagten tatsächlich keinen bestimmenden Einfluss auf den Inhalt des Prospektes bzw. die Konzeption des Fondsprojektes gehabt hätten, kommt es nicht an: Mit seinem Beschluss vom 12.10.2021 (BGH XI ZB 26/​19, Rn. 24) hat der BGH klargestellt – und der Senat folgt dem –, dass schon die Eigenschaft als Gründungsgesellschafter der betroffenen Fondsgesellschaft zur Einstufung als Prospektverantwortlicher hinsichtlich des Anlageprospektes dieser Fondsgesellschaft genügt.

4. Mit Rücksicht auf die Unanwendbarkeit der Prospekthaftung im weiteren Sinne (s.o. zu Ziffer 3.) sind sämtliche Feststellungsziele gem. lit. A und D. des Vorlagebeschlusses gegenstandslos; der vorliegende Sachverhalt ist exakt so gelagert, wie der der Entscheidung des BGH in Sachen BGH XI ZB 35/​18 zu Grunde liegende.

Auch vorliegend ergibt sich aus den – unbegründeten – Feststellungszielen zu lit. B. und C., dass der Musterkläger die Feststellung der unter lit. A des Vorlagebeschlusses aufgezählten Prospektfehler ausschließlich im Hinblick auf eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne begehrt. Gleiches gilt für die unter lit. D. begehrte Feststellung des Vorliegens eines Schadens.

Insoweit kann daher vollständig auf die Ausführungen des BGH (aaO., Rnrn. 30 – 31) Bezug genommen werden:

„Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss … hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (…). Das ist hier für die von der Rechtsbeschwerde weiterverfolgten Feststellungsziele 1 (2) und 11, die sämtlich vom Musterkläger behauptete Fehler des Prospekts zum Gegenstand haben, der Fall. Sowohl der Vorlagebeschluss als auch die Erweiterungsbeschlüsse sind dahin auszulegen, dass Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (Senatsbeschluss vom 19. September 2017 – XI ZB 17/​15, BGHZ 216, 37 Rn. 54). Da eine solche Haftung – wie unter b) ausgeführt – aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu Prospektfehlern nicht mehr an.“

Für die Frage, auf welche Haftungsnorm bei der Beurteilung der Frage der Entscheidungserheblichkeit abzustellen ist, kommt es nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH auf die Auslegung des Vorlagebeschlusses an. Der BGH führt insoweit in seinem Beschluss vom 22.03.2022, XI ZB 32/​20, Rn. 14 f. aus:

„a) Ein Feststellungsziel ist vor dem Hintergrund der Norm zu beurteilen, aus der der Schadensersatzanspruch abgeleitet wird. Daraus ergibt sich zum einen, was überhaupt Feststellungsziel sein kann (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/​07, BGHZ 177, 88 Rn. 14), und zum anderen, wie weit die Bindungswirkung des Musterentscheids reicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – II ZB 31/​14, juris Rn. 137 [insoweit nicht in WM 2021, 285abgedruckt]). Da ein Prospektfehler haftungsbegründend für unterschiedliche Anspruchsnormen sein kann, kann bei einem auf Feststellung eines Prospektfehlers gerichteten Feststellungsziels eine Auslegung dahingehend erforderlich sein, ob der Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung eines bestimmten Anspruchs geltend gemacht wird oder ob eine derartige Einschränkung nicht besteht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. September 2017 – XI ZB 17/​15, BGHZ 216, 37 Rn. 54; vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/​18, BGHZ 228, 237 Rn. 31 und vom 12. Oktober 2021 – XI ZB 26/​19, WM 2021, 2386 Rn. 28). Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2017, aaO Rn. 57).

Wie bereits der Vorlagebeschluss ausführt, dienen vorliegend die Feststellungsziele ausschließlich dazu, eine Haftung der Musterbeklagten nach „Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß § 280 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB“ „wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten“ zu begründen, da der Prospekt nach Behauptung der Antragsteller fehlerhafte oder irreführende bzw. unvollständige Angaben zu der Schiffsbeteiligung enthalte. Übereinstimmend damit stellt der Musterentscheid fest, dass die Parteien über die Frage streiten, ob die Musterbeklagte vorvertragliche Aufklärungspflichten durch die Verwendung eines Verkaufsprospekts verletzt hat.“

Diese Ausführungen zeigen, dass es entscheidend darauf ankommt, welcher Anspruchsnorm die Feststellungsziele dienen sollen und dass sich dies aus dem Vorlagebeschluss ergeben muss. Danach können vorliegend keine Zweifel bestehen, dass die hier verfolgten Feststellungsziele ausschließlich der Begründung der Haftungsvoraussetzungen der Prospekthaftung im weiteren Sinne dienen sollten. Damit sind sie im Hinblick auf die hiesigen Musterbeklagten gegenstandslos.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).

Dem Musterklägervertreter, RA Dr. Fischer, war gemäß § 41a RVG eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,2 – und nicht wie von ihm beantragt von 0,3 – nach dem Wert der Summe der ausgesetzten Verfahren zu bewilligen. Es handelt sich um ein KapMuG-Verfahren durchschnittlichen Umfangs und mittlerer Schwierigkeit, weswegen hier der Mittelwert anzusetzen ist.

Panten

Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Hohmuth

Richterin
am Amtsgericht Dr. Tonner

Richter
am Oberlandesgericht

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