Startseite Vorsicht KapMug OLG Hamburg: Musterentscheid 14 Kap 12/16 MPC Rendite-Fonds Leben plus VII GmbH & Co. KG
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OLG Hamburg: Musterentscheid 14 Kap 12/16 MPC Rendite-Fonds Leben plus VII GmbH & Co. KG

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Beschluss
Musterentscheid

In der Sache

Günter Tillmann, Hasselsheide 40, 51429 Bergisch Gladbach

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen, Gz.: 0403/16/L31/Wes/La

gegen

1)

TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin TVP Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Tobias Boehncke, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –

2)

MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Marcel Becker, Thomas Carstensen, Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawei, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –

3)

MPC Münchmeyer Petersen Capital AG, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch die Herren Ulf Holländer (Vorsitzender), Constantin Baack, Peter Ganz, Dr. Roman Rocke, Palmaille 67, 22767 Hamburg

– Musterbeklagte –

4)

Deutsche Kontor Privatbank AG, vertreten durch d. Vorstände Dr. Gerrit Seidel, Cornelia Klesse und Daniel Kreis, Südliche Münchner Straße 2, 82031 Grünwald

– Musterbeklagte –

5)

… entfallen …

– Musterbeklagte –

6)

Sparkasse Hannover Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Vorstand Dr. Heinrich Jagau, Kerstin Berghoff-Ising, Marina Barth, Jens Brathering, Raschplatz 4, 30161 Hannover

– Musterbeklagter –

7.

Volkhart Dyckerhoff, Sandkamp 48, 49324 Melle

– Musterbeklagter –

8)

Commerzbank AG, vertreten durch d. Vorstand Martin Zielke, Frank Annuscheit, Marcus Chromik, Stephan Engels, Michael Mandel, Michael Reuther, Kaiserplatz 1, 60311 Frankfurt

– Musterbeklagte –

9)

Berliner Sparkasse Niederlassung der Landesbank Berlin AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Johannes Evers, Volker Alt, Serge Demoliére, Hans Jürgen Kulartz, Tanja Müller-Ziegler, Alexanderplatz 2, 10178 Berlin

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Weisner Partner mbB, Große Bleichen 34, 20354 Hamburg, Gz.: 16/806 DH

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2 und 4:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 07941/14-BVA/atr/alo

Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte BRANDI, Adenauerallee 12, 30175 Hannover, Gz.: 360/14 FU13 D2/427-16

Prozessbevollmächtigte zu 7:
Rechtsanwälte legalpartner.berlin, Kurfürstendamm 29, 10719 Berlin, Gz.: DYC-011

Prozessbevollmächtigte zu 8:
Rechtsanwälte Schulz, Noack, Bärwinkel, Baumwall 7, 20459 Hamburg, Gz.: 1988/17 BS01/BU

Prozessbevollmächtigte zu 9:
Rechtsanwälte Lindemann, Schwennicke & Partner, Lennéstraße 9, 10785 Berlin, Gz.: AC/sh Kirschke gg LBB

Nebenintervenientin zu 2:
Oldenburgische Landesbank AG, vertreten durch d. Vorstand, Stau 15/17, 26122 Oldenburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Koch, Bahnhofstraße 8, 26122 Oldenburg, Gz.: 1209/17-04-Z

Nebenintervenientin zu 1:
eFonds AG, vertreten durch d. Vorstand, Albert-Roßhaupter-Str. 43, 81369 München

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lutz Abel Partnerschaftsgesellschaft mbB, Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin, Gz.: 155/2020 OLGR/meeb

Nebenintervenient zu 1 und 2:
BNP Paribas S.A. Niederlassung Deutschland, Bahnhofstraße 55, 90402 Nürnberg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Mayinger & Dr. Péntek, Witschelstraße 95, 90431 Nürnberg, Gz.: 3139/18/My/rd

Nebenintervenientin zu 1 und 2:
Berliner Sparkasse Niederlassung der Landesbank Berlin AG, vertreten durch d. Vorstand, Alexanderplatz 2, 10178 Berlin

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lindemann, Schwennicke & Partner, Lennéstraße 9, 10785 Berlin, Gz.: AC/IR/cr Barnitzke gg MPC u.a. MPC Rendite

Nebenintervenientin zu 1 und 2:
Commerzbank Aktiengesellschaft, vertreten durch d. Vorstand, Kaiserplatz 1, 60311 Frankfurt

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Göhmann, Friedensstraße 2, 60311 Frankfurt, Gz.: Be/945/17HE10

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schulz, Noack, Bärwinkel, Baumwall 7, 20459 Hamburg, Gz.: 1731/17 bzw. 1737/17

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Thümmel, Schütze & Partner, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Gz.: os/ry/17/0515

Nebenintervenientin zu 1 und 2:
Sparkasse Bremen AG, vertreten durch d. Vorstand, Am Brill 1-3, 28195 Bremen

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schütte, Richter & Partner, Contrescarpe 47/48, 28195 Bremen, Gz.: 420/2017-57; Dr. M/FI

Nebenintervenient zu 1 und 2:
Sparkasse Hannover, Raschplatz 4, 30161 Hannover

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BRANDI, Adenauerallee 12, 30175 Hannover, Gz.: 806/17 FU17 bzw. 811/17; Spk. Hannover ./. Baritzke

Nebenintervenientin zu 1 und 2:
nordwest finanz-vermögensberatung Gesellschaft der Sparkasse Bremen mbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Am Brill 1-3, 28195 Bremen

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schütte, Richter & Partner, Contrescarpe 47/48, 28195 Bremen

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 14. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Beckmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Lohmann und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Leverenz am 26.06.2020 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2020:

1.

Die Feststellungsanträge zu den Ziffern 1. a), b), d) und e) des Vorlagebeschlusses des Landgerichts vom 14.11.2016 (Az. 304 OH 4/16) werden zurückgewiesen.

2.

Die Feststellungsanträge zu den Ziffern 1. c) und 2. des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 14.11.2016 (Az. 304 OH 4/16) sind gegenstandslos.

3.

Dem Musterklägervertreter wird die besondere Gebühr nach § 41a RVG mit einem Gebührensatz von 0,2 nach dem Wert der Summe der ausgesetzten Verfahren bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag des Musterklägers vom 09.04.2020 zurückgewiesen.

4.

Der Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren beträgt € 4.613.278,-.

Gründe:

A.

Der Musterkläger und die Beigeladenen nehmen als Anleger der MPC Rendite-Fonds Leben plus VII GmbH & Co. KG (Fondsgesellschaft) die Musterbeklagten in den ausgesetzten Ausgangsverfahren auf Schadensersatz wegen unzutreffender Kapitalmarktinformationen (siehe Prospekt mit Stand vom 22.03.2007 in Anlage KAP 1) in Anspruch.

Die Anleger konnten sich mit einer Mindestzeichnungssumme in Höhe von 10.000,- € (Seite 6 des Prospekts) auf Grundlage des Gesellschafts- sowie des Treuhand- und Verwaltungsvertrages kommanditistisch an der streitgegenständlichen Fondsgesellschaft beteiligen (Seite 88 des Prospekts). Der Zweck der Fondsgesellschaft lag gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages (Seite 104 des Prospekts) im Erwerb, dem Halten, der Verwaltung und der Veräußerung sowie der Realisierung von Rechten aus bereits bestehenden Versicherungsverträgen. Die Gesellschaft sollte in Versicherungen in Form von nicht fondsgebundenen Kapitallebensversicherungen und in private Rentenversicherungen investieren. Partner für den Ankauf und die Verwaltung der Policen war die cash.life AG (Seite 31 des Prospekts). Das Fondskonzept mit einer geplanten Laufzeit von ca. 16 Jahren (Seite 14 des Prospekts) sah vor, bereits laufende, zum Verkauf stehende deutsche Kapitallebens- und Rentenversicherungspolicen anzukaufen, die Versicherungsbeiträge bis zum Vertragsende zu leisten und dann die fällige Ablaufleistung zu vereinnahmen (Seite 6 und 42 des Prospekts). Im Verkaufsprospekt wird ausgeführt, dass ein Zweitmarkt für Lebensversicherungen bestehe, weil der Rückkaufswert, der von den Versicherungen angeboten werde, nicht den wahren „inneren Wert“ der Versicherungspolice widerspiegle. Anleger würden bei dem Fondskonzept von der Gewinnspanne beim Einkauf der Versicherungspolicen profitieren, obwohl der Kaufpreis über dem Rückkaufswert liege (Seite 24 des Prospekts).

Im Juni 2009 wurde die Investitionsphase der Fondsgesellschaft beendet (Geschäfts- und Treuhandbericht 2008, Anlage KAP 2). Der Fonds entwickelte sich schlecht und wird nach einem Kurzreport 2016/2017 (Anlage KAP 3) einen Gesamtmittelrückfluss von nur rund 47,34 % bringen.

Die Musterbeklagten zu 1) und 2) sind Gründungsgesellschafterinnen des Fonds Leben plus VII und hundertprozentige Tochterunternehmen der Musterbeklagten zu 3) (Seiten 32 und 36 ff. des Prospekts).

Bei der Musterbeklagten zu 1) (TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG) handelt es sich um die Treuhänderin (auch Zahlstelle, Seite 8 des Prospekts), über welche sich die Anleger an dem Fonds Leben plus VII beteiligt haben, wobei die Musterbeklagte zu 1) auch bei solchen Anlegern, die sich als Direktkommanditisten an dem Fonds Leben plus VII beteiligt haben, die Verwaltung und umfassende Betreuung der Beteiligung übernahm. Zum Zeitpunkt der Prospekterstellung firmierte die Musterbeklagte zu 1) noch unter TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH.

Die Musterbeklagte zu 2) (MPC Capital Investments GmbH), die damals noch unter MPC Münchmeyer Petersen Capital Vermittlung GmbH firmierte, hat den am 22.03.2007 erstellten Emissionsprospekt „MPC Rendite-Fonds Leben plus 7“ herausgegeben (Seite 12 des Prospekts).

Die Musterbeklagten zu 4) bis 9) sind weitere Beklagte von nach § 8 KapMuG ausgesetzten Verfahren.

Im Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 14.11.2016 (Az.: 304 OH 4/16, Bl. 49 ff. = 69 ff. d. A.) sind folgende Feststellungsziele vorgegeben:

1.

Der im März 2007 veröffentlichte Emissionsprospekt zur Beteiligung an der MPC Rendite-Fonds Leben plus VII GmbH & Co. KG ist in erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend.

a)

Die im Emissionsprospekt enthaltene Renditeprognose ist mangels der Berücksichtigung variabler Einkaufspreisvorteile für den Anleger nicht nachvollziehbar und damit irreführend.

b)

Die Renditeprognose im Emissionsprospekt ist angesichts eines zu hoch angelegten durchschnittlichen Einkaufspreisvorteils zu optimistisch und damit fehlerhaft.

c)

Dass der prognostizierte Einkaufspreisvorteil unplausibel war, war für die Antragsgegner ex ante erkennbar.

d)

Hilfsweise zu c): Im Emissionsprospekt fehlt ein Hinweis darauf, dass der von der Emittentin für die Renditeprognosen zu Grunde gelegte Einkaufspreisvorteil nicht auf Vergangenheitswerten und Erfahrung des Fondsmanagements beruht.

e)

Im Emissionsprospekt fehlt ein Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin zu 1) weisungsgebunden aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der MPC Capital AG ist und dass dies im Widerspruch zu den Pflichten der Antragsgegnerin zu 1) aus dem für die Anleger obligatorisch abzuschließenden Treuhand- und Verwaltungsvertrag steht.

2.

Die Antragsgegner haben angesichts der unter Ziffern 1) a) – e) genannten Feststellungsziele ihre Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt und haben diese Pflichtverletzung im Sinne von § 280 BGB auch zu vertreten.

Die Feststellungsziele 1 a) und 1 b) wurden im Verhandlungstermin vom 12.05.2020 wie folgt neu gefasst:

1. a)

Die im Emissionsprospekt enthaltene Renditeprognose ist mangels Benennung eines prognostizierten durchschnittlichen Einkaufspreisvorteils auf Seiten 68 bis 71 für den Anleger nicht nachvollziehbar und damit irreführend.

1. b)

Die Renditeprognose aus der Modellrechnung auf Seiten 66 und 67 des Emissionsprospektes ist angesichts eines zu hoch angelegten durchschnittlichen Einkaufspreisvorteils unvertretbar und damit fehlerhaft.

Zu den einzelnen Feststellungszielen ist im Musterverfahren wie folgt vorgetragen worden:

Zu Feststellungsziel 1. a)

Der Musterkläger macht geltend, der Prospekt enthalte keine Hinweise auf die Höhe des „Einkaufsvorteils“ als Differenz zwischen dem inneren Wert einer Police und dem Ankaufspreis. Ohne Kenntnis des prognostizierten Einkaufsvorteils könnten Anleger die Renditeprognose nicht auf Plausibilität prüfen. Zwar lasse sich der eingepreiste Wertvorteil als Differenz zwischen dem inneren Wert einer Police und dem Rückkaufswert anhand der Prospektangaben berechnen, jedoch sei die Rückrechnung so komplex, dass sie von einem durchschnittlichen Anleger nicht erwartet werden könne.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) tragen – ebenso wie die Musterbeklagte zu 9) – vor, dass der Verkaufsprospekt bereits keine „Renditeprognose“ enthalte. Unabhängig davon verzichte der Prospekt (Seiten 24 f.) auch nicht auf eine vereinfachte Darstellung des Einkaufspreisvorteils. Weiter ergäben sich die Grundlagen für die prognostizierten Erlöse aus den Erläuterungen zur Prognose der Liquiditätsrechnung auf Seite 68 des Prospekts. Eine „kontrollierbare Rechenbasis“ müsse nicht bereitgestellt werden. Der Anleger müsse nur über die wesentlichen Eigenschaften und Risiken eines Kapitalmarktproduktes aufgeklärt werden, damit er in die Lage versetzt werde, die Aussagen nachzuprüfen. Die Nennung weiterer Einzelheiten verschaffe dem Anleger kein „Mehr“ an Informationen.

Die Musterbeklagte zu 8) trägt vor, aus der Darstellung des Fondskonzepts ergebe sich, dass die Kapitallebensversicherungen erst noch erworben werden müssten. Vor Erwerb habe keine Kenntnis vom Einkaufsvorteil für jeden konkreten Versicherungsvertrag bestehen können, sodass eine Angabe gar nicht möglich gewesen sei. Um den Ertrag aus dem Versicherungsvertrag feststellen zu können, habe das Ende des Versicherungsvertrages und die Auszahlung der Versicherungsleistung abgewartet werden müssen. Die damit zusammenhängenden Unwägbarkeiten lägen auf der Hand. Im Prospekt (Seiten 15, 24, 25, 65, 66 und 67) werde erläutert, dass die Prognose auf der Basis einer Modellrechnung vorgenommen worden sei, die sehr wahrscheinlich von dem tatsächlich noch zu erwerbenden Portfolio abweichen werde. Der Wertvorteil könne im Übrigen nicht durch eine „Rückrechnung“ ermittelt werden. Die die Prognosen stützenden Tatsachen seien im Prospekt ausreichend dargestellt (Seiten 81 sowie 24 und 29, auch 15). Es sei unmöglich, weitere Tatsachen zu benennen.

Zu Feststellungsziel 1. b)

Der Musterkläger trägt vor, dass zur Erreichung des prospektierten Ergebnisses für die eingeplanten Investitionsgelder in Höhe von € 271,56 Mio. Policen mit einem Wert zum Ankaufszeitpunkt von € 315,9 Mio. hätten angeschafft werden müssen und der durchschnittliche „Rückkaufswert“ damit zum Anschaffungszeitpunkt um 17,97 % unter dem Policenwert (ohne Schlussgewinnanteil) habe liegen müssen. Das sei nicht zu erwarten gewesen:

Unter Zugrundelegung des im Jahr 2013 erstellten Geschäfts- und Treuhandberichts ergebe sich zwischen dem darin prognostizierten Ausschüttungsbetrag (€ 64,73 Mio.) und dem prospektierten Ausschüttungsbetrag (€ 231,60 Mio.) eine Ausschüttungsdifferenz von € 166,87 Mio.. Von der Gesamtausschüttungsdifferenz entfielen insofern ca. € 65,9 Mio. auf eine „Wertvorteilsüberhöhung“ bei Ankauf der Versicherungspolicen.

Eine Rückrechnung zeige, dass der der Prospektrechnung zugrunde liegende Wertvorteil um ca. € 35,5 Mio. zu hoch angesetzt worden sei. Er könne nicht – wie im Prospekt implizit enthalten – € 56,8 Mio., sondern tatsächlich nur € 21,2 Mio. betragen haben. Während in der Prospektrechnung davon ausgegangen werde, dass die Differenz zwischen dem Rückkaufswert der einzukaufenden Versicherungspolicen und deren tatsächlichen Wert durchschnittlich 17,97 % betrage, mache der Wertvorteil tatsächlich nur 7,57 % aus. Danach sei von vornherein nur eine Ausschüttungsquote von 157,9 % auf das Eigenkapital prospektierbar gewesen. Dies entspräche bei einer Fondslaufzeit von mehr als 15 Jahren einer durchschnittlichen Verzinsung von etwa 3,33 % jährlich, die 2007 für eine risikobehaftete unternehmerische Beteiligung nicht attraktiv gewesen sei.

Der Musterkläger meint, dass er den von ihm angenommenen Wertvorteil mit 17,97 % substantiiert vorgetragen habe. Die Musterbeklagten könnten diesen nicht einfach bestreiten, sondern müssten aufgrund der sie treffenden sekundären Darlegungslast ihrerseits substantiiert vortragen, in welcher Höhe sie den Wertvorteil in ihre Modellrechnung eingestellt und auf welchen Grundlagen sie die Prognose erstellt hätten. Sie müssten darlegen, aufgrund welcher konkreten finanzmathematischen Berechnungen und Erfahrungen der zugrunde gelegte Wertvorteil prognostiziert worden sei und warum dieser Wert realistisch gewesen sein soll. Der Musterkläger könne als Außenstehender zu den Prämissen der Prognose keine Kenntnis haben; er stehe außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs.

Unzutreffend sei der Vortrag der Musterbeklagten, es sei bei Prospektlegung noch keine signifikante Anzahl an Versicherungspolicen aus den Vorgängerfonds fällig geworden. Bis zum 31.12.2006 seien in den sechs Vorgängerfonds insgesamt 814 Policen ausgezahlt worden (Anlage KAP 6). Dies entspreche ca. 22 % der im streitgegenständlichen Fonds angekauften 3.698 Versicherungspolicen. Auch bei den fälligen Policen sei der für diesen Fonds prognostizierte Wertvorteil nicht erreicht worden.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) räumen ein, dass die Einkaufspreisvorteile rückblickend tatsächlich zu hoch kalkuliert worden seien. Nach Bekanntwerden seien die Anleger entsprechend informiert worden (Anlage MPC 4, Bl. 497 ff. d. A.).

Der Musterkläger nehme teilweise im Ansatz nicht nachvollziehbare Berechnungen vor. Er übersehe, dass einerseits eine ex-ante-Betrachtung anzustellen und andererseits für das Feststellungsziel nicht der Wert-, sondern der Einkaufspreisvorteil maßgebend sei. Dennoch habe der Musterkläger mit einem Wertvorteil von 17,97 % gerechnet. Die Berechnungen des Musterklägers seien deshalb bereits unschlüssig. Sie seien auch in wesentlichen Grundprämissen falsch. U.a. verkenne der Musterkläger, dass das tatsächlich vom Fonds auf dem Zweitmarkt erworbene Portfolio vom Modellportfolio abweiche. So habe sich beispielsweise die Ablaufstruktur zeitlich nach hinten verschoben. Damit sei ein größerer Anteil der Prämien dem tatsächlich niedrigeren Zinsniveau ausgesetzt gewesen. Es hätten zudem Fremdkapitalzinsen bezahlt werden müssen, die von der Prospektkalkulation abgewichen wären. Auch sei es zu Kaufpreiserhöhungen im Verhältnis zum Policenverkäufer gekommen.

Aus ex ante-Sicht sei die Prospektprognose bei Prospektveröffentlichung Anfang 2007 vertretbar, die spätere Entwicklung der Einkaufspreisvorteile nicht absehbar und erst Jahre später erkennbar gewesen. Die („Fantasie“-)Rechnung des Musterklägers sei ohne Relevanz.

Der Musterkläger mache in der von ihm zugrunde gelegten Ausgangsprämisse bereits den Fehler anzunehmen, dass der Wert der Versicherungspolice zum Ankaufszeitpunkt bekannt gewesen sei. Die Einkaufspreisvorteile (im Erwerbszeitpunkt) ließen sich aber tatsächlich erst bei Ablauf einer Versicherungspolice ermitteln, da erst dann die Wertverläufe feststellbar seien. Auch von den Versicherungsunternehmen würden die ausgewiesenen Ablaufleistungen jeweils nur aufgrund der jahresaktuellen Zinssätze prognostiziert. Die weiteren für eine Ermittlung des Einkaufspreisvorteils erforderlichen Werte seien daneben von den Versicherungsunternehmen nicht transparent ausgewiesen (bereits amortisierte Anfangsbelastungen, Verhältnis von Spar-, Kosten- und Risikoanteil der Prämien, Stornoabschlag).

Anfang 2007 sei noch keine statistisch relevante Anzahl von Versicherungspolicen aus den Vorgängerfonds abgelaufen gewesen. Die zwischenzeitlich abgelaufenen (wenigen) Policen hätten keinen Anlass gegeben, die Parameter der Kalkulation anzupassen.

Auf die Unmöglichkeit einer exakten Vorhersage weise der Prospekt im Übrigen auf Seiten 15 und 65 hin.

Die Musterbeklagte zu 8) ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Bestimmung des Einkaufsvorteils bei Erstellung des Prospekts nicht möglich gewesen sei; es hätten nur Schätzungen zugrunde gelegt werden können. Insofern hätten auch keine konkreten Angaben zum Wertvorteil der Versicherungsverträge in den Prospekt aufgenommen werden können.

Der Wertvorteil könne nicht mit der vom Musterkläger angestellten „Rückrechnung“ ermittelt werden. Der Musterkläger lege Zinssätze zugrunde, die bei Erstellung des Prospekts nicht hätten bekannt sein können. Unberücksichtigt bliebe, dass der Fonds nicht wie geplant seine Tätigkeit habe aufnehmen können und es somit zu einer zeitlichen Verschiebung gekommen sei. Entsprechendes gelte für den wesentlichen Umstand, dass das Musterportfolio vom erworbenen Portfolio abweiche.

Eine fehlerhafte Prospektprognose könne nicht aus der wesentlichen Abweichung der damals prognostizierten und heute bekannten Rendite geschlossen werden. Auf die Möglichkeit und das Risiko von Abweichungen werde im Prospekt deutlich hingewiesen (Seite 15).

Die Musterbeklagte zu 8) könne keine sekundäre Darlegungslast treffen, weil sie lediglich vermittelndes Kreditinstitut gewesen sei. Einblick in die Umstände der Renditeberechnung habe sie nicht erlangt.

Die Musterbeklagte zu 9) meint, der Musterkläger behaupte nur, dass die Prognose zu optimistisch gewesen sei. Auch sonst sei der Vortrag des Musterklägers unschlüssig. Die retrospektiv erstellte Berechnung des Musterklägers sei nicht nachvollziehbar und zu bestreiten. Die von ihm ermittelte Abweichung zwischen der Prognoserechnung und der tatsächlichen Entwicklung stelle eine ex post-Betrachtung dar.

Zu Feststellungsziel 1. c)

Der Musterkläger trägt vor, dass die Musterbeklagten zu 1) und 2) aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Vorgängerfonds hätten erkennen können, dass ein Wertvorteil von 17,97 % unplausibel sei. Der jeweilige Einkaufsvorteil und der jeweilige Wertvorteil seien auch für jede einzelne Police berechenbar gewesen.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) tragen vor, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung in den Vorgängerfonds noch keine statistisch relevante Anzahl von Versicherungspolicen abgelaufen gewesen sei.

Die Musterbeklagte zu 9) meint, es sei schon nicht schlüssig dargelegt, dass der prognostizierte Einkaufspreisvorteil unplausibel gewesen sei. Das Vorbringen des Musterklägers zur Erkennbarkeit einer fehlerhaften Prognose sei daneben auch völlig substanzlos und nicht einlassungsfähig.

Zu Feststellungsziel 1. d)

Der Musterkläger vertritt die Ansicht, im Prospekt habe auf den Umstand hingewiesen werden müssen, dass nach Auffassung der Musterbeklagten zu 1) und 2) der der Renditeprognose zugrunde liegende Einkaufs- bzw. Wertvorteil lediglich einer freien Schätzung unterliege.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) meinen, dem Musterkläger fehle das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da unstreitig sei, dass sich der im Feststellungsziel genannte Hinweis im Verkaufsprospekt nicht findet. Eine dahingehende Aussage wäre auch unzutreffend.

Sollte der Musterkläger vortragen wollen, dass eine Kalkulation ohne Erfahrungswerte vorzuwerfen sei, widerspreche er sich selbst. Er weise selbst auf Erfahrungen der Musterbeklagten mit Vorgängerfonds hin.

Die Musterbeklagte zu 2) habe den Markt ausreichend und fachkundig analysiert sowie die aus vorher aufgelegten Fonds gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt. Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Parameter seien verfügbare Daten zur Verzinsung von Kapitallebens- und Rentenversicherungspolicen herangezogen worden. Zur künftigen Entwicklung seien Annahmen getroffen worden.

Schließlich weise der Prospekt zunächst auf Seite 15 (und auch auf Seite 65) darauf hin, dass eine Vorhersage der tatsächlichen Ausprägungen der für den wirtschaftlichen Erfolg maßgeblichen Parameter wie zum Beispiel des Verhältnisses vom Kaufpreis zu dem bereits aufgebauten Vermögen (= Einkaufspreisvorteil) nicht möglich sei. Auf Seite 80 des Prospekts erfahre der Leser, dass entsprechende Parameter auf Basis von Vergangenheitswerten und der Erfahrung des Fondsmanagements „geschätzt“ worden seien.

Die Musterbeklagte zu 8) meint ebenfalls, im Prospekt werde auf Seiten 15, 65 und 80 deutlich herausgestellt, dass der der Renditeprognose zugrunde liegende Einkaufs- bzw. Wertvorteil lediglich (nicht zuverlässig) geschätzt werden könne.

Die Musterbeklagte zu 9) ist ergänzend der Auffassung, dass der Musterkläger zum Feststellungsziel schon nichts Substanzielles vorbringe. Vielmehr trage der Musterkläger selbst vor, dass die Musterbeklagten zu 1) und 2) bereits eine Vielzahl von Vorgängerfonds aufgelegt hätten und dass die Investitionsphase teilweise bereits abgeschlossen gewesen sei. Hieraus folge, dass die Musterbeklagten zu 1) und 2) über entsprechende Erfahrungen verfügt hätten.

Zu Feststellungsziel 1. e)

Der Musterkläger trägt vor, es lasse sich dem Prospekt nicht entnehmen, dass die Musterbeklagte zu 1) von der Musterbeklagten zu 3) beherrscht werde. Auf den zwischen der Musterbeklagten zu 1) und der Musterbeklagten zu 3) bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 04.09.2000 (Anlage KAP 4) inklusive der Regelung zur „absoluten“ Weisungsgebundenheit werde nicht hingewiesen. Insofern bestehe die Gefahr, dass die Musterbeklagte 1) gegen den Treuhandvertrag verstoße und nicht ausschließlich im Interesse der Anleger handele, sondern die Interessen „der MPC“ wahrnehme. Über diese wesentliche Information (Gefahr eines massiven Interessenkonflikts) habe der Anleger aufgeklärt werden müssen.

Der Beigeladene Braun beanstandet, im Prospekt werde nicht erwähnt, dass Tobias Boehncke seit 2005 in wechselnden Funktionen, aber stets mit Vertretungsbefugnissen und befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB in Diensten der Musterbeklagten zu 1) und 3) tätig gewesen sei. Des Weiteren sei Tobias Boehncke seit 09.11.2004 auch für die Musterbeklagte zu 2) vertretungsberechtigt gewesen. Dies begründe einen krassen Interessenkonflikt, der aufklärungspflichtig gewesen sei.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) meinen übereinstimmend mit den Musterbeklagten zu 8) und 9), dass dem Prospekt ausreichende Hinweise zur Beziehung der Musterbeklagten zu 1) zur Musterbeklagten zu 3) zu entnehmen seien. Der Prospekt erläutere auf Seiten 56 und 38, dass die Musterbeklagte zu 1) eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Musterbeklagten zu 3) sei und es zu Interessenkonflikten kommen könne. Bereits aus dem Mutter-Tochter-Verhältnis ergebe sich ein umfassendes Weisungsrecht aus § 37 GmbHG. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erzeuge insofern kein weitergehendes Weisungsrecht.

Es bestehe keine Aufklärungspflicht zu dem Umstand, dass Tobias Boehncke gleichzeitig (voneinander getrennte) Aufgaben in mehreren MPC-Konzernunternehmen übernommen habe. Des Weiteren seien die unterschiedlichen Tätigkeiten von Herrn Boehncke nicht Gegenstand des Feststellungsziels.

Zu Feststellungsziel 2.)

Der Musterkläger verweist insbesondere auf die Stellung der Musterbeklagten zu 1) und 2) als Gründungskommanditistinnen der Fondsgesellschaft (siehe § 5 des Gesellschaftsvertrages, Seite 105 des Prospekts) und ihre damit verbundene Haftung gegenüber den Anlegern.

Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) tragen vor, eine schuldhafte Pflichtverletzung der Musterbeklagten könne nur angenommen werden, wenn ein etwaiger Prospektfehler für die Anlageentscheidung eines durchschnittlichen Anlegers wesentlich wäre. Ob z.B. das Bestehen eines Prospektfehlers bekannt war oder ein Aufklärungsverzicht vorlag, könne nur im Einzelfall geklärt werden.

Die Musterbeklagte zu 9) hält das Feststellungsziel für unzulässig, da nicht verallgemeinerungsfähige Tatsachen oder Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein könnten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 12.05.2020 verwiesen.

B.

Die zulässigen Feststellungsanträge zu den Ziffern 1 a), b), d) und e) sind unbegründet; die Feststellungsanträge zu Ziffern 1 c) und 2) sind gegenstandslos.

I. Feststellungsziel 1 a)

Die Feststellung ist nicht zu treffen.

1. Zwar ist die Neufassung des Feststellungsziels gemäß der Beschlussfassung vom 12.05.2020 zulässig, da es sich um eine Konkretisierung des im Vorlagebeschluss zu 1 a) aufgeführten Feststellungsziels handelt. Nach dem Wortlaut des im Vorlagebeschluss enthaltenen Feststellungsziels sollte die „fehlende Berücksichtigung variabler Einkaufspreisvorteile“ bei den Renditeprognosen irreführend sein. Dass die Einkaufspreisvorteile „variabel“ sind und von den Prospektherausgebern „berücksichtigt“ wurden, bezweifelt der Musterkläger aber gar nicht. Er kritisiert nicht eine „fehlende Berücksichtigung“, sondern das Fehlen einer expliziten Benennung und Bezifferung des Einkaufspreisvorteils in der Modellberechnung auf den Seiten 66 bis 71 des Prospekts. Der Einkaufspreisvorteil habe zwar nicht unmittelbar in dem Rechenwerk für das Modellportfolio auf den Seiten 66 und 67 des Prospekts aufgeführt werden müssen, wohl aber in den anschließenden Erläuterungen der Seiten 68 bis 71. Entsprechend ist das Feststellungsziel in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2020 konkretisiert worden. Die Fassung im Vorlagebeschluss ist dadurch lediglich sprachlich präzisiert worden und drückt nun genauer aus, um was es dem Musterkläger von vornherein ging. Die ursprünglichen Grenzen des Feststellungsziels bleiben damit gewahrt; es ist weder in unzulässiger Weise erweitert noch unzulässig verengt.

2. Die beantragte Feststellung ist jedoch unbegründet, da kein Prospektfehler vorliegt.

a) Zweifelhaft ist bereits, ob die Musterberechnung auf den Seiten 66 bis 71 des Prospekts als „Renditeprognose“ bezeichnet werden kann.

Es ist in der mündlichen Verhandlung vor Neufassung des Feststellungsziels ausführlich erörtert worden, dass sich der Prospekt auf den zitierten Seiten mit einer Liquiditätsprognose befasst und nicht die Darstellung der Rendite des Fonds im Sinne eines erwirtschafteten Überschusses zum Gegenstand hat. Allerdings verknüpft der Prospekt selbst diese Liquiditätsrechnung mit einer „Renditeprognose“, indem auf Seite 15 unter der Überschrift „Renditeprognose“ ausgeführt wird, dass eine Vorhersage der zukünftigen Performance nicht möglich sei:

„Bei dem in der Prognose der Liquiditätsrechnung dargestellten Portfolio handelt es sich um ein zum Zweck der Kalkulation erstelltes Modellportfolio. Das tatsächlich angekaufte Portfolio wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon abweichen.“

Durch diese Verknüpfung wird aber lediglich betont, dass der Anleger nicht das auf den Seiten 66 f. abgebildete Portfolio mit dem erst zu erwerbenden gleichsetzen dürfe; es wird nicht suggeriert, dass es sich bei der Liquiditätsprognose um eine Renditeprognose handele.

Allenfalls mag man sagen können, dass sich aus den Seiten 66 f. mittelbar ableiten lässt, welche Beträge aus den Lebensversicherungen erwirtschaftet werden müssen, um die prognostizierten Ausschüttungen gewährleisten zu können. Letztlich kann offen bleiben, ob hierin eine (mittelbare) Renditeprognose gesehen werden kann.

b) Selbst wenn von einer Renditeprognose ausgegangen wird, so musste jedenfalls der sich für das Modellportfolio ergebende durchschnittliche Einkaufspreisvorteil in den Erläuterungen der Liquiditätsprognose auf den Seiten 68 bis 71 des Prospekts nicht ausdrücklich benannt werden.

aa) Das ergibt sich schon aus der Funktion der Gesamtdarstellung der Seiten 66 bis 71, die eben keine Renditeerwartung beispielhaft beschreiben, sondern Auskünfte zur Liquiditätssituation des Fonds im Rahmen eines Modellportfolios erteilen sollen. Schon wegen dieser offen ausgewiesenen Zwecksetzung kann ein verständiger Anleger Hinweise oder Bezifferungen zu einem Einkaufspreisvorteil oder gar zu einem Durchschnittswert in den Erläuterungen auf den Seiten 68 bis 71 nicht erwarten.

bb) Der gesonderte Ausweis des für das Musterportfolio kalkulierten durchschnittlichen Einkaufspreisvorteils verschafft dem Anleger darüber hinaus keinen für seine Anlageentscheidung relevanten Erkenntnisgewinn.

Zum einen stellt der Einkaufspreisvorteil ohnehin nur ein rechnerisch nachträglich ermittelbares Zwischenergebnis dar, das ein virtueller und unselbständiger Bestandteil des Gesamtergebnisses der angekauften Lebensversicherung ist. Wirtschaftlich relevant und damit für den Anleger von Interesse ist nur dieses Gesamtergebnis, d.h. die Differenz zwischen dem für den Ankauf der Police und die fortlaufenden Beiträge aufzubringenden Beträge und dem, was der Versicherer am Ende der Laufzeit ausschüttet. Gerade bei einer auf die Gesamtlaufzeit des Fonds ausgerichteten (mittelbaren) Ergebnisrechnung kommt es nicht mehr darauf an, mit welchen nachträglich ermittelten Zwischenwerten die Lebensversicherung zum Zeitpunkt des Ankaufs zu bewerten gewesen wäre. Der Anleger kann aus den Seiten 66 bis 71 im Rahmen der Darstellung des Modellportfolios ersehen, mit welchem finanziellen Einsatz die Prospektersteller meinten, einen bestimmten Ertrag erwirtschaften zu können, der dann den Anlegern im Wege der Ausschüttung zu Gute kommen sollte. Damit sind ihm die wesentlichen Kenndaten an die Hand gegeben, mit denen er die Plausibilität des Geschäftsmodells überprüfen kann.

Zum anderen erlaubt die Angabe eines Einkaufspreisvorteils im Wege einer unmittelbaren Bezifferung oder etwa eines Prozentsatzes zum Kaufpreis dem Adressaten des Prospekts keinen Rückschluss darauf, ob der angesetzte Einkaufspreisvorteil realistisch oder unvertretbar hoch angesetzt ist. Verlässliche und objektiv ermittelte Referenzwerte für erzielbare Einkaufspreisvorteile lagen bei Prospektlegung noch nicht vor. Es gab zum durchschnittlichen Einkaufspreisvorteil bei Ankauf von Versicherungen keine allgemein anerkannten Vergangenheitswerte, die sich zum Vergleich heranziehen ließen. Öffentlich zugängliche und über einen langen Zeitraum regelmäßig durchgeführte Erhebungen und Berechnungen für durchschnittliche Einkaufspreisvorteile in klar definierten Versicherungsportfolios existierten nicht. Hintergrund ist, dass der Einkaufspreisvorteil von Versicherungen kein allgemein gebräuchlicher und bekannter Begriff ist, sondern lediglich im Verhältnis zwischen Fondsgesellschaft und Fondsgesellschaftern verwendet wird. Der Einkaufspreisvorteil ist für das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer irrelevant; folgerichtig ist er in den Versicherungsunterlagen nirgends ausgewiesen.

Dem Anleger wäre auch nicht damit gedient, ihm das mathematische und statistische Rüstzeug an die Hand zu geben, damit er selbst den sich aus den Berechnungen ergebenden Einkaufspreisvorteil ermitteln kann. Dies ist in einer übersichtlichen Darstellung kaum möglich, da sich der innere Wert der Versicherung aus mehreren Komponenten (auch Prognosen) zusammensetzt, die ihrerseits der Erläuterung bedürfen und sich fortlaufend zwischen Ankauf und Fälligkeit der Versicherung verändern. Die Mitteilung mathematischer und statistischer Details ginge zu weit. Sie würde eher verwirren als informieren.

Im Übrigen wird dem Anleger mit den Ausführungen auf Seiten 24 f., insbesondere mit dem Chart auf Seite 25 oben des Prospekts verdeutlicht, aus welchem grundsätzlichen Mechanismus das Fondskonzept Ertragschancen ableitet. Maßgebliche Bezugsgrößen zum Einkaufspreisvorteil, nämlich der „innere Wert der Police“ und der Rückkaufswert werden ins Verhältnis zur laufenden Beitragszahlung gesetzt und in ihrer Entwicklung über die Versicherungsdauer schematisch dargestellt.

II. Feststellungsziel 1 b)

Das Feststellungsziel hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2020 eine zulässige Präzisierung erfahren, da nunmehr die beanstandete Prospektstelle bezeichnet ist und die im Vorlagebeschluss enthaltenen Worte „zu optimistisch“ durch das Wort „unvertretbar“ ersetzt wurden. Das Feststellungsziel ist allerdings unbegründet, da eine Unvertretbarkeit der Renditeprognose infolge zu hoch angesetzter Einkaufspreisvorteile nicht angenommen werden kann.

1. Ob die Seiten 66 und 67 des Prospekts eine Renditeprognose enthalten, ist zweifelhaft. Es wird auf die Ausführungen oben unter I.2.a) verwiesen.

2. Die Modellrechnung auf den Seiten 66 und 67 des Prospekts enthält keinen unvertretbar zu hoch angelegten durchschnittlichen Einkaufspreisvorteil.

a) Im Ausgangspunkt ist bereits zu berücksichtigen, dass der „Prognose der Liquiditätsrechnung auf Basis des Modellportfolios“ deutlich erkennbar nur eine sehr geringe Aussagekraft zukommt. Der Prospekt weist auf Seite 65 (und an anderen Stellen, vgl. etwa Seite 15) ausdrücklich und wiederholt darauf hin, dass den getroffenen Annahmen ein bloßes Modellportfolio zugrunde liegt und das tatsächlich angekaufte Portfolio wahrscheinlich von dem dargestellten abweichen wird mit Folgen für die Zeitpunkte, Höhe und Häufigkeit der Ausschüttungen bis hin zu einem völligen Ausbleiben derselben. Das schwächt die Verbindlichkeit der konkreten Berechnungen der Prospektersteller nicht nur maßgeblich ab, sondern führt dem Anleger auch deutlich vor Augen, dass sich der Prospektersteller nicht in der Lage sieht, Aussagen darüber zu treffen, ob der Fonds mit dem vorgestellten Geschäftsmodell überhaupt erfolgreich sein und es zu Ausschüttungen an die Anleger kommen wird. Allerdings dürfen auch bei beispielhaften Prognosen nicht Annahmen zugrunde gelegt werden, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Beispielrechnungen müssen unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts jedenfalls grundsätzlich Wirklichkeit werden können. Ist das nicht der Fall, geht von ihnen eine den Anleger täuschende Signalwirkung aus.

b) Der Musterkläger hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Modellrechnung eine solche täuschende Signalwirkung entfaltet.

aa) Der Musterkläger errechnet auf im Einzelnen streitige Weise, dass den Prospektannahmen auf den Seiten 66 und 67 ein durchschnittlicher „Wertvorteil“ von 17,97 % zugrunde gelegen haben müsse. Diese Darlegung ist schon deshalb nicht schlüssig, weil der Prospekt unter „Wertvorteil“ die Differenz zwischen dem Rückkaufswert und dem „inneren Wert“ versteht, der Einkaufspreisvorteil aber die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem „inneren Wert“ beschreiben soll. Entsprechend der Fassung des Feststellungsziels kommt es aber darauf an, dass der durchschnittliche Einkaufspreisvorteil unvertretbar hoch sein soll. Welche Höhe dieser Vorteil in der Musterrechnung hat, legt der Musterkläger nicht dar, obwohl die Musterbeklagten darauf hingewiesen hatten und sodann der Senat mit Verfügung vom 02.03.2020 auf parallele Darlegungsmängel wie im Verfahren 14 Kap 11/16 hingewiesen hatte.

bb) Nun kann man die mangelhafte Darlegung des Musterklägers ergänzen mit Informationen, die der Prospekt an anderer Stelle mitteilt, und auf diese Weise auf der Basis des Zahlenwerks des Musterklägers einen durchschnittlichen Einkaufspreisvorteil für das im Prospekt dargestellte Modellportfolio ermitteln. Seite 61 des Prospekts stellt dar, dass ein Rahmenkaufvertrag mit der cash.life AG besteht und die Policen zu einem Preis in Höhe von 104,8 % des Rückkaufswertes erworben werden sollen. Wenn der vom Musterkläger errechnete Wertvorteil 17,97 % betragen sollte, müsste der Einkaufspreisvorteil bei sonst gleichbleibenden Annahmen also um 4,8 % geringer, d.h. mit 13,17 % zu bestimmen sein. Mit dieser Gedankenoperation ist für die Schlüssigkeit der Darlegung, dass die Erzielung eines solchen Einkaufspreisvorteils realistischerweise nicht zu erwarten war, allerdings nicht viel gewonnen.

Aus der bloßen Höhe des anzunehmenden Einkaufspreisvorteils ergibt sich noch nicht seine Unvertretbarkeit. Verlässliche Datenreihen für durchschnittlich erzielbare Einkaufspreisvorteile existierten bei Prospektlegung nicht. Nach den vom Prospekt mitgeteilten Informationen entziehen sich der Einkaufspreisvorteil und insbesondere ein durchschnittlicher Einkaufspreisvorteil weitgehend einer verlässlichen Prognose und damit auch einer Überprüfung der Prognose. Er hängt nämlich von mehreren Variablen ab, die im Vorhinein kaum realistisch eingeschätzt werden können. So könnten etwa geeignete Policen nicht zu dem prognostizierten Zeitpunkt, nicht zu den prognostizierten Preisen oder nicht im prognostizierten Umfang verfügbar sein. Darauf weist der Prospekt auf Seite 19 ausdrücklich hin und führt weiter aus, dass dies negative Abweichungen von den prognostizierten Ergebnissen nach sich ziehen könnte. Würde sich herausstellen, dass ein höherer Preis für den Erwerb der Policen aufzuwenden war als angenommen, würde sich auch der Einkaufspreisvorteil entsprechend mindern. Umgekehrt würde sich der Einkaufspreisvorteil vergrößern, wenn es gelingen sollte, Policen zu geringeren Preisen als prognostiziert anzukaufen. Wie nun die Marktsituation zum Zeitpunkt der Prospekterstellung war und wie sie sich aus damaliger Sicht voraussichtlich entwickeln würde, legt der Musterkläger nicht dar.

Auch das notwendige Gegenstück zur Ermittlung des Einkaufspreisvorteils, der „innere Wert“, entzog sich einer halbwegs zuverlässigen Erfassung. Der „innere Wert“ der Policen ergibt sich gemäß Seite 24 des Prospekts aus dem jeweils bereits vorhandenen Deckungskapital inklusive der bereits zugeschriebenen Überschussanteile und dem darauf entfallenden Schlussgewinnanteil. Er hängt selbst bei unterstellter gleicher Laufzeit und Versicherungssumme der Policen von Unwägbarkeiten wie z.B. der Restlaufzeit zum Zeitpunkt des Ankaufs, dem Umfang und der Höhe der garantierten, zugewiesenen oder veränderlichen Leistungen und Zinssätze, deren zugrundeliegende versicherungsmathematische Kalkulation (wie z.B. die Höhe der kalkulierten Abschluss-, Verwaltungs-, Risiko- und Sparanteile) und dem Anteil am Schlussgewinn ab. Insbesondere der Zeitpunkt des Erwerbs ist entscheidend, wie sich aus der beispielhaften Darstellung einer Kapitallebensversicherung mit 30-jähriger Laufzeit auf Seite 25 des Prospekts ergibt. Danach nähern sich Rückkaufswert und „innerer Wert“ zum Ende der Laufzeit einander an. Gleiches gilt naturgemäß für das Verhältnis zwischen Kaufpreis und „innerem Wert“. Weder für die individuelle und erst recht nicht für eine Vielzahl von künftig anzukaufenden Policen lassen sich deshalb halbwegs zuverlässige Aussagen zu ihrem „inneren Wert“ treffen.

Mit dem Modellportfolio haben sich die Prospektersteller für eine bestimmte Konkretisierung der Variablen entschieden. Dass diese Konkretisierung von vornherein völlig unrealistisch war, ist weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich.

cc) Der Darlegungsmangel wird auch nicht durch die Hinweise des Musterklägers auf die tatsächliche Entwicklung des Fonds und Erfahrungen zu anderen Fonds beseitigt.

Dass das Anlageziel für den konkreten Fonds verfehlt wurde, mag durchaus daran liegen, dass nicht nur die weitere Zinsentwicklung ab 2007 unvorhersehbar war, sondern es zudem den Initiatoren wider Erwarten nicht gelungen war, in dem geplanten Umfang zu den angenommenen Preisen Policen anzukaufen, die so werthaltig waren, dass mit ihnen im Ergebnis überhaupt der geplante Gewinn gemacht werden konnte. Dieser Umstand würde aber allenfalls beweisen, dass der Geschäftsplan auch wegen der Nichterzielung der erhofften Einkaufspreisvorteile (ex post) gescheitert ist, nicht aber, dass der Einkaufspreisvorteil von vornherein (ex ante) unrealistisch hoch kalkuliert war.

Auch der Hinweis des Musterklägers auf Erfahrungen zu 814 von rund 3.700 Versicherungen aus 6 Vorgängerfonds (Anlagenkonvolut KAP 6) führt nicht weiter. Der Musterkläger teilt bereits nicht mit, welchen Einkaufsvorteil die bis zum Jahr 2006 zum Ablauf gelangten Versicherungen erzielt haben und ob das Zurückbleiben der (bisher ohnehin vorläufigen) Ergebnisse der anderen Fonds auf einem Verfehlen der jeweils angenommenen Einkaufspreisvorteile oder auf anderen Faktoren beruht hat. Des Weiteren teilt der Musterkläger nicht mit, wann welcher Vorgängerfonds mit welchem Anlagehorizont für welchen Versicherungspool aufgelegt worden sowie ob Vergleichbarkeit der abgelaufenen Versicherungen mit dem Portfolio des streitgegenständlichen Fonds gegeben ist. Verfehlt ist auch das Abstellen auf die einzelne Police. Es kommt auf Durchschnittswerte innerhalb des jeweiligen Fonds an, um tragfähige Aussagen zu der Frage zu erlangen, ob ein Einkaufspreisvorteil realistisch kalkuliert ist oder nicht. Die einzelne Police kann immer nach oben oder unter abweichen.

dd) Eine sekundäre Darlegungslast der Musterbeklagten, die dem Musterkläger einen schlüssigen Vortrag erst ermöglichen würde, besteht nicht.

Gegenstand einer solchen sekundären Darlegungslast könnte ohnehin nicht die Bezifferung und explizite Benennung des Einkaufspreisvorteils sein, der den Berechnungen des Modellportfolios auf den Seiten 66 ff. des Prospekts zugrunde liegt. Denn die diesbezüglichen Annahmen ergeben sich aus der Berechnung selbst und können deshalb keine Darlegungsnot des Musterklägers begründen.

Eine sekundäre Darlegungslast kann sich auch nicht bezüglich der Umstände ergeben, aufgrund derer die Prospektersteller eine Entwicklung entsprechend des Modellportfolios für immerhin möglich gehalten haben. Die Musterbeklagten haben vorgetragen, weshalb eine Prognose der Entwicklung des tatsächlich anzukaufenden Portfolios kaum möglich war. Diese Gründe ergeben sich aus dem Prospekt. Das sind aber zugleich die Gründe, aus denen sich ergibt, weshalb die Prospektersteller eine Entwicklung entsprechend dem Musterportfolio nicht von vornherein für ausgeschlossen gehalten haben. Welche Tatsachen die Musterbeklagten darüber hinaus noch vortragen sollen, ist nicht ersichtlich.

Jedenfalls aber würde eine sekundäre Darlegungslast ohnehin erst ausgelöst, wenn der eigentlich Darlegungsbelastete seine eigenen Möglichkeiten zum Vortrag ausgeschöpft hat. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Musterkläger befasst sich nicht genügend mit der Plausibilität der einzelnen Ansätze der Berechnung auf den Seiten 66 ff. des Prospekts, aus denen sich dann ein Einkaufspreisvorteil überhaupt erst ermitteln lässt.

III. Feststellungsziel 1 c)

Über dieses Feststellungsziel ist nicht mehr zu entscheiden. Da die Feststellung gemäß Ziff. 1b) des Vorlagebeschlusses nicht zu treffen ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich des Ziels zu 1 c) gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.2016, XI ZB 9/13, Rn. 106).

IV. Feststellungsziel 1 d)

Die beantragte Feststellung ist nicht zu treffen.

1. Das Feststellungsziel ist zulässig, wenn auch umständlich formuliert. Der Prospekt verweist auf den Seiten 15 und 81 als Basis für die Einschätzungen des Prospekts ausdrücklich auf „Vergangenheitswerte und die Erfahrung des Fondsmanagements“. Bei diesem Befund ist es relativ sinnlos, von dem Prospekt an gleicher Stelle ein Dementi der zuvor getroffenen Aussage zu verlangen. So meint der Musterkläger das aber auch nicht. In der Sache rügt er vielmehr, es fehle auf Seiten 15 und 81 des Prospekts der Hinweis, dass die Prospektprognose lediglich auf einer freien Schätzung beruhe. Dies ergibt sich aus der Begründung des Vorlagebeschlusses und den ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz vom 04.05.2020.

2. Es liegt jedoch kein Prospektfehler vor.

Der streitgegenständliche Prospekt macht an mehreren Stellen deutlich, dass die in das Modellportfolio eingestellten Parameter aufgrund von Vergangenheitswerten und der Erfahrung des Fondsmanagements geschätzt worden seien (Seiten 15 und 80). Dass es unmöglich sei, die Prognosewahrscheinlichkeit der einzelnen Parameter einzuschätzen, wird deutlich gemacht (Seite 81). Zum Einkaufspreisvorteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Verhältnis vom Kaufpreis zu dem bereits aufgebauten Vermögen (der Police) nicht vorhersehbar sei, also nur der Schätzung unterliege (Seite 15).

Was konkret an diesen Prospektangaben unrichtig sein soll, wird weder in der Formulierung des Feststellungsziels noch in der Begründung des Musterklägers deutlich. Der Musterkläger verweist im Schriftsatz vom 13.04.2018 (Seite 22 = Bl. 189 d. A.) darauf, dass den Musterbeklagten zu 1) und 2) aufgrund der Erfahrungen zu den Vorgängerfonds die fehlende Plausibilität des Wertvorteils von 17,97 % erkennbar gewesen sei. Das Feststellungsziel betrifft aber nicht den „Wertvorteil“, sondern den „Einkaufspreisvorteil“. Es verhält sich auch nicht dazu, dass die Prospektverantwortlichen bei Prospektlegung (März 2007) vorhandene und auf den neu aufzulegenden Fonds übertragbare Erkenntnisse zum Einkaufspreisvorteil aus Vorgängerfonds missachtet haben könnten und deshalb die Renditeprognose (an einer konkret bezeichneten Stelle) unvertretbar sei. Im Übrigen gilt auch für dieses Feststellungsziel, das der Vortrag des Musterklägers nicht den Schluss erlaubt, dass die Musterbeklagten bis zur Prospektlegung gewonnene Erkenntnisse aus den Vorgängerfonds in unvertretbarer Weise unberücksichtigt gelassen hätten (siehe oben II 2 b cc).

V. Feststellungsziel 1 e)

Die Feststellung ist nicht zu treffen.

1. Ein Prospektfehler folgt nicht daraus, dass im Prospekt nicht auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (Anlage KAP 4) zwischen der Musterbeklagten zu 1) und 3) hingewiesen wird.

Der Prospekt weist darauf hin, dass die Musterbeklagte zu 1) eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Musterbeklagten zu 3) ist (Seiten 38 und 56). Auf Seite 56 des Prospekts heißt es zudem gerade im Zusammenhang mit der Beschreibung der Treuhandfunktion der Musterbeklagten zu 1), dass diese – wie auch die Anbieterin der Beteiligung, die Musterbeklagte zu 2) – eine „100-prozentige Tochtergesellschaft“ der Musterbeklagten zu 3) sei und dass sich „daraus grundsätzlich Interessenkonflikte ergeben“ könnten.

Weitere Hinweise waren nicht geschuldet (Musterentscheid des Senats vom 29.10.2019 zu 14 Kap 11/16):

„Die Durchsetzungsmacht der Musterbeklagten zu 3) folgt bereits aus ihrer – im Prospekt offen gelegten – Stellung als GmbH-Alleingesellschafterin, vgl. § 37 GmbHG. § 37 Abs. 1 GmbHG erlaubt verbietende wie gebietende Weisungen der Gesellschafterversammlung (Baumbach/Hueck/Beurskens, 22. Aufl. 2019, GmbHG § 37 Rn. 34 ff.). Die Gesellschafterversammlung besteht vorliegend allein aus der Musterbeklagten zu 3). Wenn § 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der Musterbeklagten zu 3) auch ein vertragliches Weisungsrecht einräumt, ergibt sich hieraus weder ein Mehr an Weisungsbefugnis noch wird die Gefahr einer Kollision zwischen dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und dem des herrschenden Unternehmens begründet. Dass ein Weisungsrecht der Musterbeklagten zu 3) besteht, folgt für einen verständigen Anleger wiederum in ausreichender Weise aus den zitierten Prospektangaben auf S. 47, wo nicht nur die Eigenschaft der als Treuhänderin fungierenden Musterbeklagten zu 1) als „hundertprozentige Tochtergesellschaft“ der Musterbeklagten zu 3 dargestellt wird, sondern auch auf das mögliche Entstehen von Interessenkonflikten hingewiesen wird. Die vom Musterkläger zitierte BGH-Entscheidung vom 14.05.2013 (Az.: XI ZR 335/11) betrifft eine andere Konstellation, nämlich das Weisungsrecht gegenüber einer Aktiengesellschaft auf Grund eines Beherrschungsvertrags (vgl. § 308 AktG). Bei Aktiengesellschaften besteht aber gerade eine völlig andere Gesetzeslage, bei der einem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag besondere Bedeutung zukommt. Dem Vorstand einer Aktiengesellschaft können ohne einen solchen Vertrag grundsätzlich weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat, weder ein Großaktionär noch ein außenstehender Dritter Weisungen erteilen (MüKo-AktG/Spindler 5. Aufl. 2019 § 76 Rn. 22).“

2. Der von dem Beigeladenen Braun angenommene aufklärungsbedürftige Interessenkonflikt, der aus der gleichzeitigen Tätigkeit von Tobias Boehncke in den Unternehmen der Musterbeklagten zu 1) bis 3) erwachsen soll, ist nicht vom Feststellungsziel gedeckt, das die „Weisungsgebundenheit der Musterbeklagten zu 1) aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages“ mit der Musterbeklagten zu 3) zum Gegenstand hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15 KapMuG hat der Beigeladene Braun nicht dargelegt.

VI. Feststellungsziel 2)

Über dieses Feststellungsziel ist nicht mehr zu entscheiden, da die Feststellungsziele zu 1) des Vorlagebeschlusses als unbegründet zurückzuweisen bzw. gegenstandslos sind.

C.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).

D.

Auf den Antrag des Musterklägervertreters war auszusprechen, dass ihm wegen seines im Vergleich zu dem Aufwand der Vertreter der beigeladenen Kläger geleisteten Mehraufwandes für den Musterkläger eine besondere Gebühr zu bewilligen ist (§ 41a Abs. 1 Satz 1 RVG). Der von dem Musterklägervertreter nach Aktenlage höhere Aufwand sowie der Vorteil und die Bedeutung des Musterverfahrens für die beigeladenen Kläger rechtfertigt eine 0,2-Zusatzgebühr.

Die Zusatzgebühr ist einerseits nicht vollständig zu versagen, weil der Musterklägervertreter in den Ausgangsverfahren die Kläger mit einem ganz erheblichen Gesamtvolumen vertreten hat und lediglich in wenigen Ausgangsverfahren andere Rechtsanwälte tätig wurden. Der Wortlaut von § 41a Abs. 1 Satz 2 RVG stellt auf den Anteil des Musterklägers (nicht die Beteiligung der Musterklägervertreter) am Gesamtgegenstand des Musterverfahrens ab. Der Wert des Verfahrens des Musterklägers macht nur einen sehr geringen Bruchteil des Gesamtwertes aller ausgesetzten Verfahren aus.

Andererseits war nicht der Höchstsatz einer 0,3 Gebühr anzuerkennen, da der Mehraufwand des Musterklägervertreters gegenüber dem Aufwand der Vertreter für die beigeladenen Kläger überwiegend dadurch gekennzeichnet war, den im Ausgangsverfahren des Musterklägers und im Musterverfahren zum Vorgängerfonds geleisteten Vortrag in das streitgegenständliche Musterverfahren zu übertragen.

Dr. Beckmann

Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht

Dr. Lohmann

Richter
am Oberlandesgericht

Dr. Leverenz

Richter
am Oberlandesgericht

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